Der Mensch ist eigenverantwortlich für seinen Körper

Schon im Mittelalter wusste die Benediktinerin Hildegard von Bingen, dass Krankheiten nicht nur zufällig entstehen, sondern auch eine Folge von ungesunder Ernährung sind. Sie forderte zu einer maßvollen, gesunde Ernährung auf, zu mehr Eigenverantwortlichkeit und wird heute oft als die erste Naturärztin bezeichnet. Die Klosterküche von Hildegard von Bingen empfiehlt hauptsächlich Getreide, Gemüse, Kräuter und Obst. Sie teilt unsere Nahrungsmittel in solche, die sie ausdrücklich empfiehlt und solche, sie sie komplett ablehnt. Dann gibt es in ihrer Küche noch einige, die in Maßen und bei bestimmter Zubereitung sein dürfen. Das klingt für heutige Verhältnisse vertraut, war zu damaligen Zeiten aber sehr modern und beinahe revolutionär.

Gemüse oder Fleisch - beides ist möglich

Vegetarische Nahrung sollte es laut Hildegard von Bingen am häufigsten sein. Oberster Favorit bei den Getreiden ist der Dinkel. Für sie ist Dinkel das beste Getreide überhaupt, eine Heilnahrung, die als Mehl, Gries, Kaffee oder Reis ein Hauptbestandteil ihrer Klosterküche ist. An zweiter Stelle steht Hafer, der genauso wie Dinkel stimmungserhellend wirken soll. Bei den Gemüsen und Obst empfiehlt die Äbtissin ausdrücklich Äpfel, Edelkastanien, Kichererbsen, Kornelkirsche (Cornus mas), unseren heute wieder beliebten Kürbis, Mispel, Quitte, Sellerie und Zwiebel. Allerdings rät Hildegard von Bingen dazu, die meisten Gemüse nur gedünstet zu essen. Sellerie und Zwiebel in roher Form ist ihrer Meinung nach schädlich

Obwohl die oben aufgeführten Nahrungsmittel am häufigsten verzehrt werden sollen, ist auch Fleisch erlaubt. Fisch, Geflügel und Wild gehört zu den von der Benediktinerin bevorzugten Gerichten. Anderes Fleisch sollte aber nur selten auf den Tisch und Schweinefleisch gar nicht. Dieses betrachtet sie als unrein, ähnlich wie die Menschen in den islamischen Ländern. Rind, Lamm, Schaf und Ziege dürfen selten und in kleinen Portionen verzehrt werden. Den höchsten Stellenwert hat  Wildbrett, besonders Wildente, aber auch Hase, Hirsch, Rebhuhn, Wachtel und Reh. Bei den Fischen favorisiert Hildegard Hecht, Barsch, Rotauge, Wels und Forelle. Aal dagegen rechnet sie zu den ungesunden Nahrungsmitteln. Michprodukte (Käse und Quark) sollen nur ab und zu gegessen werden. Butter dagegen ist ihrer Meinung nach für magere und lungenkranke Menschen sehr gesund. Eier sind erlaubt, aber niemals roh und nur selten. 

Die Äbtissin würzt mit viel Abwechslung

In der Klosterküche von Hildegard von Bingen wurden viele Kräuter verwendet, darunter auch einige, die heute in Vergessenheit geraten sind. Der Römische Bertram (Anacyclus pyrethrum) ist heute nur noch selten in den Küchen zu finden. Verwendet wird die Wurzel. Das aromatische und scharfe Gewürz hat in der Klosterküche einen hohen Stellenwert. Auch Galgant, ein Ingwergewächs mit scharfem Geschmack, wird in deutschen Küchen nur selten verwendet. Hildegard von Bingen empfahl es bei Herzschmerzen und Schwäche. Gewürznelken, Knoblauch, Lavendel, Melisse, Muskatnuss, Quendel (Feldthymian), Salbei, Süßholz, Ysop, und Zimt würzten zusätzlich ihre Speisen. Fenchel nimmt eine besondere Stellung ein, da die Fenchelknolle als Gemüse sogar roh verzehrt werden darf und der Fenchelsamen als Tee und Gewürz hoch geschätzt wurde. Laut der Klosterfrau heißt es: "Wie auch immer gegessen, macht er den Menschen fröhlich, durchwärmt ihn, macht gute Verdauung."

Was trank Hildegard von Bingen?

Bier wurde in den Klöstern des Mittelalters oft gebraut und auch getrunken. Auch Hildegard von Bingen bewertet es positiv als einen "guten Saft des Getreides". Ganz besonders wertvoll ist natürlich Dinkelbier, aber auch Gersten- und Weizenbier galten als gesund, solange es nicht in übermäßigen Mengen getrunken wurde. Wein im Mittelalter war beliebt und hatte einen guten Ruf als gesundheitsfördernd. Wer es sich leisten konnte, trank im Durschnitt einen Liter am Tag. Für Hildegard von Bingen war mit Wasser verdünnter Wein wertvoller als Bier. Weitere Getränke, die sie empfiehlt, sind Obstsäfte mit oder auch ohne Wasser sowie Fencheltee und Dinkelkaffee. Fencheltee verfeinerte die Äbtissin mit einer Prise Zimt.

Was noch so sein durfte oder nicht und was heute gilt

Die Klosterküche der Hildegard von Bingen hat gegenwärtig viele Anhänger, zumal die Nonnen nicht nur von Brot und Wasser lebten, sondern sehr abwechslungsreich kochten. Alles, was damals als erlaubt oder auch nicht erlaubt eingeordnet wurde, hat jedoch nicht Bestand. So lehnt die Klosterfrau das heute so geachtete Olivenöl völlig ab. Vielleicht liegt es daran, dass das Öl, welches sie nach wochenlangem Transport endlich erreichte, nicht mehr frisch war. Walnussöl und Mandelöl verwendete Hildegard dagegen gerne. Zum süßen nutze sie rohen Rohrzucker oder eingedickten Rohrzuckersaft. Honig hielt sie als Zuckerersatz nicht für gut. 
Wenn Sie in der Liste der Hildegard-Lebensmittel Tomaten, Paprika, Kartoffeln und exotische Früchte vermissen, so ist dies kein Wunder. Diese Lebensmittel waren zur damaligen Zeit noch unbekannt.

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