Ihre Auftraggeber, die Castinggesellschaften sind offenbar der Ansicht, dass sie, um die Einschaltquoten in die Höhe zu treiben, auf Kosten von "unverbrauchten Gesichtern", Menschen benutzen dürfen. Wenn die Quoten stimmen, haben die Befürworter es leicht ihre Stellung zu halten und auszubauen. Aber wie ersichtlich ist, bröckelt das Publikumsinteresse an Castingshows, spürbar ab. Der Grund könnte darin liegen, dass die Praktiken der Produzenten von Castingshows sich herumgesprochen haben und selbst das Publikum zwischen 14 und 49 Jahren keinen Spaß daran findet, wenn arglose Menschen einem Millionenpublikum vorgeführt werden.

Warum wird eine Plattform für Castingopfer gebraucht?

Castingshows haben, so Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen und Autor des Buches "Die Casting-Gesellschaft", ein Problem. Er ist der Überzeugung. " Dass das Format der Castingshows, insbesondere in der Rambo-Variante eines Dieter Bohlen, auf Selbstzerstörung angelegt ist. Er meint, dass "Vorproduzierte Gags und offensichtlich kalkulierte Rempeleien der Casting-Gesellschaft die Aura des Authentischen, die man so angestrengt simuliert, demontiert."
Im Umkehrschluss ist zu folgern, dass eine Agentur die dem Kandidaten eine echte Chance bietet, dafür sorgt, dass nur die Bewerber in die Show genommen werden, die eine reelle Chance auf einen Sieg haben. Sie schürt keine Hoffnungen, die, wenn sie sich nicht erfüllen, unweigerlich eine menschliche Katastrophe auslösen. Wobei ein großer Frust und Tränen der Wut, nach den geplatzten Träumen, noch das Gesündeste sind.
Besonders schlecht für den Kandidaten sieht es dann aus, wenn der Auftrag der Casting-Gesellschaft an die Ratingagentur lautet: "Findet Personen, die keine Chance auf einen Sieg haben". Denn diese werden dem Publikum bewusst "vorgeführt". Besserwisser meinen, dass es doch nur wenige gibt, die auf diese Tour hereinfallen. Die Tatsachen belegen anderes.
Meist wird einigen Verlierern des Casting mitgeteilt, dass sie als Kandidaten leider nicht infrage kommen, sie aber bestimmt irgendeine besondere Fähigkeit haben, die sie auf der Bühne zeigen wollen. Das wirkliche Anliegen ist so geschickt in freundliche Worte verpackt, dass der Bewerber, meist erst nach seinem Fernsehauftritt merkt, wie er der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. Kandidaten, die auf diese Art missbraucht wurden, benötigen fachliche Hilfe, um die Nachteile, die sie überrollen, die Folgen der öffentlichen Bloßstellung, Erniedrigungen in jeder Form, eigene Scham und das Gefühl plötzlicher Perspektivlosigkeit, zu verarbeiten.

Die Homepage der Castingshow-Gewerkschaft stellt sich vor

Fabian Burstein ist Autor des Castingshow-Romans "Träum weiter". Bei der Recherche zu seinem Buch stellte er fest, auf welche freche Weise, in den letzten Jahren, mit den Medien nicht vertraute, unerfahrene Menschen, arglistig, von cleveren Medienexperten, hinter das Licht geführt und abgezockt wurden. Seine Erfahrung zeigt, dass zehn Jahre Castingshow-Hype tausende von jungen Menschen hervorgebrachten, die auf unterschiedlichste Weise von den Produzenten und Juroren geschädigt worden sind und sich wegen sittenwidriger Knebelverträge nicht wehren können. Er will mit seinem Projekt Castingshow-Gewerkschaft, vor allem Betroffenen klar machen, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind. Zugleich soll die Öffentlichkeit dafür sensibilisiert werden, dass diese Art von Menschenverachtung nicht toleriert werden darf.
In den vergangenen Jahren wurden, so Burstein, von Castingshows Tausende von frustrierten Jungmusikern ausgespuckt, die entweder schon im Casting an der Grausamkeit der Juroren scheiterten oder im Laufe der Shows ausgenutzt, desillusioniert und im Stich gelassen wurden. Es sei höchste Zeit, dass man diesen Menschen bei ihrer Neuorientierung hilft, mahnt er.
Die Castingshow Gewerkschaft ist, im rechtlichen Sinn gesehen, keine Gewerkschaft, sondern eine Non-Profit-Informationsplattform für jugendliche Opfer der Castingshowindustrie. Auf ihr können Menschen Expertenmeinungen, Kontaktadressen für psychologische Hilfe im gesamten deutschsprachigen Raum und Medienberichte über die Abgründe der Castingshowkultur, abrufen.

Fabian Burstein, Castingshow-Gewerkschaft

Experten bieten ihre Hilfe für Castingopfer an

Manchmal genügen tröstende Worte nicht um die Gefühle der "Genasführten" wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Auf der Homepage castingshow-gewerkschaft.com melden sich unter hilfe@castingshowgesellschaft, prominente Experten, wie Kurosch Yazdi, Primar an der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz, und die renommierte Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith zum Thema Casting zu Wort. Außerdem wird eine Liste mit psychologischen Beratungsangeboten im gesamten deutschsprachigen Raum, und Literaturhinweise zur Castingshow-Thematik angeboten. Bedürftige können künftig ihre Geschichte unzensiert und auf Wunsch anonym erzählen und über die dazugehörige Facebook-Seite unkompliziert miteinander in Kontakt treten. Für Fabian Burstein ist gewiss, dass die angenommenen Selbstregulierungsmechanismen der Medienlandschaft dramatisch versagt haben. Es würden jetzt endlich Instrumente gebraucht, die vor allem junge Menschen vor der seelischen Ausbeutung durch die Castingshowmaschine schützten.

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