Hippokrates: Verwirrung um einen Arzt

Zu den spärlichen, harten Fakten im Lebenslauf des Hippokrates gehört seine Herkunft. Er entstammte dem Geschlecht der koischen Asklepiaden, einer Familie von Priesterärzten auf der griechischen Insel Kos. Ihr Name geht auf den Heilgott Asklepios zurück, welchem auf Kos eine Kultstätte gewidmet war. Hippokrates wurde 460 v. Chr. geboren und starb um 375 v. Chr. im thessalischen Larisa.

Damit erschöpft sich im Wesentlichen bereits das einigermaßen gesicherte Wissen um den größten Arzt der Antike. Diese biografischen Eckdaten umfassen jedoch einen Zeitraum, der reich ist an bedeutenden Namen griechischer Geschichte. Zu den Zeitgenossen des Hippokrates gehören unter anderem so bekannte Denker wie Demokrit oder Sokrates. Erzählungen über die Begegnung des Hippokrates mit den großen Männern seiner Zeit erscheinen jedoch heute meist hypothetisch. Ganz auszuschließen sind sie natürlich trotzdem nicht, denn es gilt als sicher, dass der Arzt mehrere ausgedehnte Reisen unternahm. Bereits im Alter von ungefähr 20 Jahren soll Hippokrates seine Heimat verlassen haben, vermutlich, um sein medizinisches Wissen zu erweitern. Die traditionelle Überlieferung geht zudem von einer Rückkehr nach Kos aus, wo er die dortige Ärzteschule mitbegründete oder zumindest bekannt machte.

Die dürftige Faktenlage resultiert jedoch nicht allein aus den nebulösen, historischen Quellen. Verschärft wird die Unsicherheit zudem durch die Tatsache, dass der Name Hippokrates unter den koischen Asklepiaden keineswegs selten war! Entsprechend schwierig gestaltet sich daher auch die Definition der wissenschaftlichen Leistung des großen Arztes.

Welche Erkenntnisse lehrte Hippokrates?

Die so genannte Hippokratische Schriftensammlung umfasst zwar über 70 Bücher, doch deren zum Teil widersprüchlicher Inhalt geht längst nicht allein auf den großen Arzt zurück. Ihr Grundstock beinhaltete vermutlich tatsächlich ausschließlich Werke des Hippokrates, wurde allerdings später um andere Schriften der koischen Ärztetradition erweitert. Im Laufe der Zeit kam es sogar zur Vermischung mit Werken konkurrierender Ärzteschulen wie Knidos oder Alexandria, deren medizinische Ansätze gänzlich anders gelagert waren. Aus diesem Grund ist es heute recht schwierig, bestimmte Aussagen direkt dem "Vater der Medizin" zuzuordnen. Vergleichsweise sicher erscheinen jedoch die beiden Prinzipien, an denen sich Hippokrates orientierte:

  • Prognostik, also Beobachtung der Symptome und entsprechende Schlussfolgerung (in der antiken Medizin keineswegs selbstverständlich)
  • Vermeidung von Verallgemeinerungen durch Beachtung jeweiliger Einzelfälle

Die berüchtigte (und bis in die Neuzeit populäre) Säfte-Lehre hingegen wurde von ihren Verfechtern zwar mit Hinweisen auf Hippokrates untermauert. Ob der berühmte Arzt sie jedoch wirklich vertreten hat, bleibt zweifelhaft. Heute berufen sich unter anderem Naturheiler auf eine Lehrformel des Hippokrates: "Die Natur ist der Arzt der Krankheit."

Der Eid des Hippokrates

Ungeklärt erscheint auch die Urheberschaft des großen Heilers bei seiner berühmtesten Hinterlassenschaft: Der Eid des Hippokrates wurde wahrscheinlich gar nicht von seinem Namensgeber formuliert, enthält als Grundgedanke aber im Wesentlichen die uns bekannte Moral des Hippokrates. Der Eid hat den Ruf einer bindenden Verpflichtung für Mediziner, füllt diese Funktion jedoch bereits seit langem nicht mehr aus. Dies wäre auch schwierig, angesichts der auf griechische Gottheiten bezogenen Schwurformeln und des Verbotes von Abtreibung und Chirurgie. Stattdessen legen deutsche Ärzte seit 1950 das Genfer Gelöbnis ab. Dennoch basiert die heutige Berufsethik der Mediziner im Kern immer noch auf dem hippokratischen Eid.

Hippokrates-Platane auf Kos

Erinnerungen an Hippokrates heute

Das Gedenken an den großen Arzt wird heute natürlich vor allem auf Kos gepflegt. In den Souvenirläden der kleinen Insel sind entsprechende Bildnisse und Büsten allgegenwärtig. Darüber hinaus gibt es zwei touristische Sehenswürdigkeiten mit einem besonderen Bezug zum "Vater der Medizin".

  • Die Platane des Hippokrates ist angeblich der Ort, an welchem der Arzt seine Schüler unterwiesen hat. Allerdings ist der Baum zwar einige hundert Jahre alt, reicht in seiner Geschichte jedoch keinesfalls bis in die Antike zurück. Eine schöne Legende besagt daher, dass der heutige Baum zumindest aus den Samen der ursprünglichen Platane entstand.
  • Auf die Spuren des Hippokrates trifft man außerdem (zumindest indirekt) im so genannten Asklepieion. Das großflächige Ausgrabungsgelände vermittelt einen detailreichen Eindruck von der antiken Kult- und Heilstätte, an welcher die Vorfahren des Hippokrates und wohl auch er selbst tätig waren.

Auf dem griechischen Festland wird beispielsweise im thessalischen Larisa (alternative Schreibweise: Larissa), dem Sterbeort des Hippokrates, an das Wirken des großen Arztes erinnert. Bereits in der Antike wurde Reisenden dort sein Grab gezeigt. Heute können unter anderem ein Hippokrates-Denkmal und ein Medizinmuseum besichtigt werden.

Asklepeion auf Kos

Donky, am 15.01.2017
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