Humusschwund durch Klimawandel?
Wissenschaftliche Studien ergründen warum gute Erde rar wird. Es werden Ratschläge gegeben, wie der Misere entgegen gewirkt werden kann.Die Humusschicht auf der Erde wird geringer
Stagnierende Ernteerträge seit den 90er Jahren machen Landwirten und Gärtnern in Europa zu schaffen und wurden auch von Hobbygärtnern beobachtet. Zugleich mit dem Boden schwindet auch die Qualität desselben, so die Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) Den Grund dafür sehen die Experten darin, dass diesem nur in geringerem Maß organische Substanzen zugefügt werden.
War es in früheren Zeiten normal, Pflanzenreste auf dem Feld unterzupflügen und/oder sie auf einem Komposthaufen verrotten zu lassen, um sie dann der Erde wieder zuzufügen, geschieht das vorwiegend nur auf biologisch orientierten Höfen oder in Hobbygärten. Die Experten warnen, dass gleichzeitig, wahrscheinlich wegen der extremeren Wetterbedingungen, die Menge des Humus bei den landwirtschaftlich genutzter Böden, abnehmen könnte.
Wissenschaftler ergründen anhand von Statistiken den Ertragsschwund
Um zu einer für die Wissenschaft aussagekräftigen Grundlage zu kommen, haben die an der Studie beteiligten Wissenschaftler Statistiken der EU-Länder, seit den 60er Jahren, ausgewertet. Sie stellten fest, dass bei den in Mittel-und Nordeuropa wichtigsten Getreidesorten, Weizen, Gerste und Mais, die Erträge seit 1995 stagnieren. Für viele Praktiker kein Geheimnis. Diese Ergebnisse stimmen mit weltweiten Studien überein. Dr. Martin Wiesmeier, vom Lehrstuhl für Bodenkunde auf dem TUN-Campus in Freising, der Autor der Studie, erläutert, dass der Stillstand der Erträge beim Getreide erst seit einigen Jahren statistisch nachweisbar sei.
Wie hängt ein schlechter Ernteertrag mit der Bodenqualität zusammen?
In den letzten Jahren wurde eine weltweite steigende Temperatur beobachtet, die zu einem verstärkten Abbau des Humus führt. Da dem Boden nur noch geringe Mengen an organischen Substanzen zugeführt werden, ist, laut Wiesmeier, langfristig ein Humusschwund und damit ein Qualitäsverlust des Bodens zu befürchten.
Sind der Klimawandel und die geänderte EU-Agrarpolitik Ursachen des Humusschwundes?
Der Mitautor der Analyse, Dr. Rico Höner, vom Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung, in Weihenstephan, gibt zu bedenken, dass die Ursache für die stagnierenden Ernteerträge noch nicht geklärt sei. Wahrscheinlich wirkten mehrere negative Faktoren zusammen:
- Die gemeinsame EU-Agrarpolitik der 90er Jahre
- Weniger Düngemitteleinsatz
- Seltener Leguminosenanbau in der Fruchtfolge
Auch Autoren vorhergegangener Studien haben dies als Grund für den Erntestillstand diskutiert. Höner betont, dass die unwägbaren klimatischen Veränderungen zukünftig, beim Schwund des Mutterbodens, weitaus stärker ins Gewicht fallen könnten. Es wurde beobachtet, dass Pflanzen sich immer häufiger auf ein für ihre Verhältnisse zu warmes Klima einstellen müssen. Das bedeute oft eine frühzeitige Reife und für andere Pflanzen eine längere oder sogar mehrere Ernteperioden. Manchmal auch Regen oder Trockenheit gerade dann, wenn die Pflanzen diese Witterung nicht brauchen. Diese Umweltbedingungen verhindern eine ausreichende Produktion von Biomasse aus Wildkräutern und Ernterückständen, so Wiesmeier. Zusätzlich sei, so seine Besorgnis, der Viehbestand in Europa stark gesunken, es werde weniger organischer Dünger aufs Feld und in den Garten gebracht und auch aus diesem Grund verliert der Boden an Substanz und Qualität.
Intensiv bewirtschaftetes Agrarland geht um 58 000 Hektar zurück
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden (Destatis) gibt die aktuellsten Daten, von 2021, bezüglich der als Agrarland ausgewiesenen Flächen bekannt:
Demnach wurde im Jahr 2021 in Deutschland rund 18,9 Millionen Hektar Agrarland, 54 Prozent der Landfläche, intensiv bewirtschaftet.
Die intensiv bewirtschaftete Agrarfläche ging demnach, zwischen 2018 und 2021, um rund 58.000 Hektar zurück.
Wie teilten sich die Flächen von 2018 bis 2021 auf?
Wiesen und Weiden (-45 000 Hektar)
Ackerland (-14 000 Hektar)
De Fläche der aus ökologischer Sicht besonders wertvollen extensiv genutzten Grünflächen, wie Heideland, Bergwiesen und Feuchtgebiete wuchs um 1.800 Hektar.
Diese machten 2021, mit rund 451 000 Hektar, ein Prozent der Landfläche Deutschlands aus.
Welchen Wert haben die ermittelten Daten?
- Die Flächenbilanz der Ökosysteme bildet eine Datengrundlage für das zukünftige
Monitoring des Abkommens zur biologischen Vielfalt (CBD) - In einem Ökosystematlas werden, in 72 Ökosystemen auf räumlich hochaufgelösten Karten, Veränderungen aufgezeigt
Es ist ersichtlich, dass dem Rückgang der intensiv bewirtschafteten Agrarfläche nur eine geringe Zunahme von natürlichem Grünland und Feuchtgebieten gegenüber steht.
Erste Negativerscheinungen schon sichtbar
Bisherige Studien zur Menge und Qualität des Ackerbodens gingen bisher immer von einem Humusanstieg aus. Mahner, die das Gegenteil annahmen, wurden, auch in Fachkreisen verlacht. Für die Praktiker, die meinen, der Humusschwund sei nur eine vorübergehende Erscheinung, geben die Fachleute bekannt:
In nahezu allen EU-Ländern wurde eine Stagnation der Ernte und erste Anzeichen eines Klimaschwundes beobachtet. Sind der Verlust des Bodens und eine schwindende Qualität schon ein Grund umzudenken, sollten uns Hochwasserkatastrophen und Erdrutsche endlich aufrütteln. Denn, laut Wiesmeier, wird auch die Fähigkeit des Bodens Wasser zu speichern negativ beeinflusst.
Gibt es einen Ausweg aus der Misere?
Besonders Naturschützer, Land-und Forstwirte, Gärtner und Menschen, die mit den Ressourcen Wasser, Luft und Boden arbeiten, sind dafür, dass von Politikern und Wissenschaftlern dem Aufbau des Humus mehr Beachtung geschenkt wird. Wissenschaftler regen bei den Praktikern an, wieder eine Fruchtfolge einzuhalten, die nicht bewirtschafteten Flächen mit einer Grünsaat einzusäen um so einer Erosionsminderung entgegenzutreten. Höner erklärt, dass eine optimierte Bodenbearbeitung, wie sie beim ökologischen Landbau üblich sei, für den Boden, auch für die Agroforstwirtschaft begrüßenswert sei. Zusätzlich forderten die Autoren der Studie eine Fachgebiet übergreifende Erforschung der Ursachen des Humusschwundes. Denn nur mit einer Zusammenarbeit könne man der Ursache intensiver auf den Grund kommen.
Bildquelle:
Regenwurm Lumbricus terrestris, © Elisab
(Wie können Regenwürmer bei Hochwasser helfen)