Festung Hoheneck: Gefängnis mit langer Tradition

Im Jahr 1564 ging die damalige Festung in das Eigentum des sächsischen Kurfürsten über, der in einem Turm, dem "Hohen Eck", ein amtliches Gefängnis einrichten ließ. Damit begann die lange Geschichte der Freiheitsstrafen auf Hoheneck. Ab 1861 wurde das Festungsgelände durch die Einrichtung der "Königlich-sächsischen Weiberzuchtanstalt" zum reinen Gefängnis. In den folgenden Jahrzehnten und Systemen wechselte die Art der Insassen mehrfach. In Hoheneck wurden Männer, politische Gegner und in der Nazizeit auch Jugendliche eingesperrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Festung zunächst erneut als Männergefängnis, ehe 1949 eine Frauenabteilung eingerichtet wurde. Ein Jahr später übergaben die Sowjets Hoheneck an die junge DDR. Gleichzeitig lösten sie zahlreiche Internierungslager auf, welche bis dahin eine beinahe nahtlose Fortführung der nationalsozialistischen Konzentrationslager dargestellt hatten. Mehr als 1.100 Frauen, zum Teil mit Kleinkindern, kamen in der Folge nach Hoheneck, welches nun zum reinen Frauenzuchthaus wurde. Das dunkelste Kapitel der Gefängnisfestung hatte begonnen.

Folter im Namen des Sozialismus

Die noch nie sonderlich menschenfreundlich gestaltete Einrichtung wurde nun zu einer wahren Hölle. Die hygienischen Bedingungen waren katastrophal: Fließendes Wasser gab es lange Zeit nicht, stattdessen die Rationierung auf einen Liter pro Person für Körperhygiene und Wäsche. Toilettenpapier war grundsätzlich nicht vorgesehen. Die permanent steigende Überbelegung des ursprünglich für 600 Gefangene ausgelegten Gemäuers erreichte im Jahr 1974 mit mehr als 1.600 Inhaftierten ihren traurigen Höhepunkt. In einigen für 48 Frauen (!) vorgesehenen Zellen schliefen beispielsweise zwischen den Etagenbetten weitere 24 Inhaftierte auf dem Fußboden. Schlafen konnte in bestimmten Zellen allerdings nur, wer die mehrmals stündlich angeschaltete Beleuchtung zu ignorieren vermochte.

Eine Reihe besonderer Maßnahmen sollte schon bei kleinsten "Vergehen" für Disziplinierung sorgen: Einzelhaft (teilweise mit Nahrungsentzug), Dunkelzellen oder der bis zu sechs Wochen dauernde Arrest mit täglich 16-stündigem Stehen zwischen zwei Gittern. Übrigens galt auch die missglückte Selbsttötung als strafwürdiges Vergehen...

Die vermutlich perfideste Folter jedoch fand in einem speziell eingerichteten Kellergelass statt, der sogenannten Wasserzelle. Die Misshandlung reichte vom einfachen, eiskalten Abspritzen bis hin zur Steigerung des Wasserpegels auf rund 1,50 Meter. Unter diesen Bedingungen blieben die Opfer mindestens einen Tag in der absolut lichtlosen Zelle und erlitten zum Teil dauerhafte Schädigungen. Obwohl Baupläne und Opferberichte diese Art der Folter eindeutig belegen, wird sie von interessierter Seite her immer noch geleugnet.

Zwangsarbeit und Menschenhandel

So manche besonders preiswerte Bettwäsche in Westdeutschland, beispielsweise aus einem bekannten Versandhaus-Katalog, entstand unter gesundheitsschädlicher Zwangsarbeit im ostdeutschen Hoheneck. Der sozialistische Staat verdiente an seinen Gefangenen nicht schlecht. Die Normen waren beinahe unerreichbar hoch, der Verdienst eher ein Taschengeld. 75 % davon wurden für Kost, Logis und andere Dinge einbehalten, der Rest ausgezahlt in Wertmarken für den anstaltseigenen Laden. Jeder Tag Krankheit musste nachgearbeitet werden.

Noch besser verdiente die DDR am Menschenhandel mit Gefangenen. Rund 3,5 Milliarden D-Mark sollen für den Freikauf der politischen Gefangenen aus Hoheneck von West nach Ost geflossen sein. Frauen, die aus politischen Motiven einsaßen (dazu zählten neben Ausreisewilligen auch völlig grundlos Denunzierte), standen bei Wachpersonal und Mitgefangenen gleichermaßen in der Hackordnung ganz unten. Rund 40 % der inhaftierten Frauen gehörten dieser Gruppierung an.

Hoheneck seit dem Ende der DDR

Während der Wendezeit gärte es auch in Hoheneck. Die Insassinnen verweigerten die Arbeit und traten in Hungerstreik. Ende 1989 wurden schließlich alle politischen Gefangenen amnestiert. Im Jahr darauf übernahm der neu gegründete Freistaat Sachsen die Regie in Hoheneck, welches zunächst als Justizvollzugsanstalt (JVA) weitergeführt wurde. In einem der Nebengebäude kam es 1991 zur Einrichtung einer Mutter-Kind-Station. Ab 1994 saßen in Hoheneck auch wieder männliche Gefangene ein, ehe die JVA im April 2001 endgültig geschlossen wurde. Eine Immobilienfirma übernahm das Anwesen. Ein zunächst anvisierter Erlebnistourismus in echter Gefängnisatmosphäre unterblieb glücklicherweise nach vielen Protesten. Pikantes Detail am Rande: Der solchermaßen indeenreiche Investor kam aus dem Saarland, so wie Erich Honecker und Oskar Lafontaine auch... 

An Bausubstanz und Einrichtung der Anstalt wurden in der Nachwendezeit eher behelfsmäßige Verbesserungen vorgenommen, so dass der aktuelle Zustand noch einen guten Eindruck von den menschenunwürdigen Haftbedingungen in Kaiserreich, Nationalsozialismus und DDR vermittelt. Heute sind Führungen durch die Anlage möglich.

 

"Der Kommunismus findet Zulauf nur dort, wo er nicht herrscht." (Henry Kissinger)

Gedenken oder Leugnung? Der ewige Kampf

Seit einem Besuch des Bundespräsidenten Wulff im Jahr 2011 bestanden zudem Hoffnungen auf die Einrichtung einer kleinen Gedenkstätte. Wenig später wurde Christian Wulff jedoch zur Zielscheibe zahlreicher Vorwürfe, die schließlich seinen Rücktritt auslösten und sich erst Jahre später komplett als haltlos erwiesen. Ein Zusammenhang beider Sachverhalte bestand nach offizieller Lesart natürlich nicht...

Ab dem Frühjahr 2013 engagierte sich dann die Stadt Stollberg für eine Sanierung der Bausubstanz sowie für verschiedene Nutzungsmöglichkeiten. Auch eine kleine Gedenkstätte war wieder im Gespräch und konnte schließlich 2015 realisiert werden. 

Dennoch erwies sich dieses Engagement letztendlich als fatal. Im Februar 2019 wurde durch einen Pressebericht bekannt, dass die Stadt Stollberg eine Umgestaltung des gesamten Areals plant. Die kleine Gedenkstätte darf zwar vorerst weiterbestehen. Ansonsten aber sollen die Mauern, in denen jahrzehntelang Regimegegner gequält wurden, nicht mehr mit den kommunistischen Verbrechen in Verbindung gebracht werden. Stattdessen sollen dort ein Schwimmbad, ein Experimentalarchäologe sowie ein "Theaterpädagogisches Zentrum" ihren Platz finden. Selbst der Name Hoheneck soll beseitigt werden. Beschönigend will man die linke Folterstätte künftig "Areal Staleburgk" nennen. Vielleichthaben die Täter von einst ja immer noch sehr großen Einfluss in Stollberg?

Passend zu dieser Entwicklung veröffentlichte die regionale Presse ein Interview mit einem "Historiker". Der Tenor: Bei Hoheneck könne man nicht von systematischer Folter und Zwangsarbeit sprechen. Auch für die so genannte Wasserzelle habe der Mann bei seinen Recherchen keine Belege gefunden. Wie intensiv diese Suche vonstatten ging, blieb allerdings unerwähnt.

Man stelle sich einmal vor, ähnliches gäbe es hinsichtlich ehemaliger Nazi-Konzentrationslager und entsprechender Gedenkstätten. Der Aufschrei wäre ungeheuerlich...

Blick zum Nordflügel

Quellenauswahl

Geführte Besichtigung der Anlage

Gefangenenakten (Kaiserzeit und Weimarer Republik)

Margret Bechler: Warten auf Antwort, Ullstein Verlag, 2009

Erika Riemann: Die Schleife an Stalins Bart, Hoffmann und Campe Verlag, 2002

Donky, am 26.02.2017
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