Die bisherigen Forschungsergebnisse

In der ökologischen Garten- und Landwirtschaft ist die Pflanzenstärkung mit Brennnesseljauche oder Pflanzenbrühen aus Schachtelhalm oder Beinwell seit langen Jahren bekannt.

Biologen der RWTH Aachen University wollen mit einer überregionalen Kooperation die Immunität von Pflanzen, besonders Zuckerrüben im konventionellen Anbau stärken und damit den regionalen Anbau fördern.Schon vor Jahren prägte Conrath den Begriff Abwehrpriming: Er hatte entdeckt, dass eine pilzinfizierte Gurkenpflanze eine Widerstandsfähigkeit nicht nur gegen diesen bestimmten Pilz, sondern gegen unterschiedliche Pilze, Bakterien, Viren und abiotische Stressfaktoren entwickelte. Der Kontakt mit dem Krankheitserreger versetze die Zellen in einen Alarmzustand, erklärt er. Die Pflanze synthetisiere beispielsweise Eiweißmoleküle, die dann in ihrem gesamten Organismus schlummerten und nur bei einem erneuten Angriff sehr stark aktiviert würden. Deshalb sei das Priming, die Sensibilisierung nach einer Erstinfektion, eine überaus energieeffiziente Reaktion: Sie werde nur im Ernstfall eingeschaltet und hemme die Pflanzen nicht in ihrem Wachstum und Ertrag.

Für wen sind die bisherigen Forschungsergebnisse interessant?

Für diese Forschungsergebnisse interessieren sich die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, mit denen das Lehr- und Forschungsgebiet kooperiert. Denn Pestizide wirken häufig gegen einzelne oder nur wenige Krankheitserreger. Zudem besteht die Gefahr, dass sie auch Nützlinge eliminieren oder dass Chemikalien-Rückstände im Grundwasser ebenso wie auf den Feldfrüchten verbleiben. Es bestehe daher, so der Molekularbiologe, ein großes Interesse an natürlichen oder naturnahen Substanzen. Sie sollen einerseits toxisch gegen die Krankmacher wirken, andererseits aber das pflanzeneigene Abwehrsystem anregen.

Das Abwehrpriming der Pflanzen nutzen

Um Stoffe aufzufinden, die das Abwehrpriming in Pflanzen hervorrufen, wurden gemeinsam mit Chemikern und Verfahrenstechnikern der RWTH teilweise automatisierte Prüfsysteme entwickelt. Ein System nutzt die Eigenschaft der Petersilie, fluoreszierende Verbindungen zu produzieren, die eine Aktivierung der Abwehrreaktion anzeigen. Die Petersilienzellkultur leuchtet im UV-Licht besonders stark, wenn ein Wirkstoff ihr Immunsystem scharf stellt. "Was bei der Petersilie wirkt, ist auch bei anderen Pflanzen möglich", versichert Conrath.Konventionelle Pflanzenschutzmittel belasten die Umwelt unverhältnismäßig, weil der Regen sie abwäscht und Landwirte sie darum immer wieder neu ausbringen müssen. Um dem entgegenzuwirken, entwickelten die Aachener Biologen Conrath und Professor Ulrich Schwaneberg in Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen an Pflanzenoberflächen haftende "Ankerpeptide" aus der Natur, zum Beispiel aus der Wanze. Diese wurden, damit das Protein nach dem Regen an den Blättern verbleiben kann, mit einem antimikrobiellen Protein aus der Haut eines Baumfrosches verbunden. Das patentierte Anhaftungsverfahren wurde bereits an Früchten wie Sojabohne, Avocado, Mais oder Heidelbeere getestet.

Die systemische Immunität von Pflanzen konnte RWTH-Biologe Uwe Conrath bereits in Versuchen mit jungen Gurkenpflanzen zeigen, Foto: Peter Winandy

 

Wirkung einer Green Release-Technologie mit Gelcontainern

Die Ankerpeptide, die Professor Andrij Pich von RWTH-Institut für Technische und Makromolekulare Chemie konzipierte, kommen ebenfalls in Verbindung mit so genannten Gelcontainern zum Einsatz. Diese Container können als Green Release-Technologie mit Wirksubstanzen beladen werden. Unter Feuchtigkeitseinwirkung quellen die Gele ihre Poren weiten sich und lassen die Substanz frei. Dabei verhindern die Ankerpeptide, dass der Regen das Gelreservoir herunterspült.

Eine Möglichkeit seine Pflanzen zu stärken

Rübenforschung für den Strukturwandel im Revier

Die Region Nordrhein-Westfalen will nach dem Ende von Kohleabbau und -verstromung unter anderem auf eine moderne und nachhaltige Landwirtschaft setzen. Anders als Braunkohle sind die Zuckerrübe und ihre Reststoffe nachwachsende Rohstoffe. "Viele Arbeitsplätze sind von der Rübe abhängig", betont Conrath, "dies macht unsere Forschung so bedeutend für den Strukturwandel im Revier."

Zu bedenken ist: Deutschland ist weltweit laut der Wirtschaftlichen-Vereinigung Zucker der viertgrößte Produzent von Zuckerrüben in knapp 26 000 Betrieben. Das rheinische Revier ist traditionell eines der Hauptanbaugebiete der Zuckerrübe. Der Vorteil diesen Standort für den Anbau von Zuckerrüben beizubehalten und zu erweitern: Die niederrheinische Bucht verfügt bereits über eine geschlossene Wertschöpfungskette vom Zuckerrübenanbau über die Zuckerfabriken bis hin zu den Produktions- und Vertriebsstätten der Süßwarenindustrie.

Warum wurde das Rheinland zum Forschungsprojekt?

Mit dem Klimawandel wanderte mit der Schilf-Glasflügelzikade ein neuer möglicher Erreger von Pflanzenkrankheiten aus Frankreich ein: Diese Zikade saugt an den Blättern und überträgt dabei ein Protobakterium, welches das Syndrome Basses Richesses kurz SBR genannt, verursacht. Die Rüben werden kleiner, faulen schneller und haben einen niedrigen Zuckergehalt. Ein zugelassenes Insektizid gegen die Zikade gibt es zurzeit nicht. In Baden-Württemberg, wo SBR zuerst auffiel, führte dies bereits zu enormen Ernteverlusten. Deshalb fördert das Landesministerium für den ländlichen Raum die Suche nach Priming-Substanzen mit einem sechsstelligen Eurobetrag. "Unsere Hoffnung ist es, einen Wirkstoff aus einer Bibliothek der Natursubstanzen zu finden", betont Conrath. Es bestehe die Chance, dass die Substanz zudem dank der geprimten Immunantwort die Zuckerrübe vor anderen Bakterien, Pilzen und Viren ebenfalls schützt.

MonikaHermeling, am 21.01.2021
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Bildquelle:
Monika Hermeling (Die umfassende Fürsorge der Pflanzen)
Wiese mit Wildpflanzen, Monika Hermeling (Mit Wildpflanzen eine bessere Ernte?)
Wie die Pflanze reagiert, Grafik: Rob Ro (Wie Pflanzen sich selbst gegen Bakterien schützen)

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