Jumpy feiert seine Deutsche Erstaufführung
Begeisterungsrufe und kritische Stimmen bei der Premiere im Ernst-Deutsch-TheaterDas Ensemble rief gemischte Reaktionen bei den Zuschauern hervor (Bild: Oliver Fantitsch/c/o Ernst Deutsch Theater)
Tragikomödie über's Erwachsenwerden
Ulli Maier verkörpert dabei die fünfzigjährige, selbstbewusste und sozial engagierte Hilary und ist damit schauspielerisch auch das stärkste Glied der Kette. Hillarys 16jährige Tochter Tilly wird von Kristin Suckow viel zu aggressiv, zappelig und überzogen gespielt. Tilly will Spaß haben, ist frisch verliebt, hat so gar keine Lust auf die Schule und will von gut meinten Ratschlägen erst Recht nichts hören. Selbstverständlich ist es dafür erforderlich, eine starke, auch leicht wütend werdende Person darzustellen, dennoch könnte Suckow dabei in Ihrer Intensität gerne ein bis zwei Gänge zurückschalten und damit dem Spiel viel Gutes tun.
Die ständig besorgte Übermutter Hilary hat massive Probleme. Ihre Tochter lässt sich von nichts und niemandem mehr etwas sagen, sie selbst befindet sich mitten in den Wechseljahren und hat ebenfalls ganz eigene Probleme. Schließlich ist sie gerade dabei ihren Job zu verlieren und steckt überflüssiger Weise mitten in den Wechseljahren. (Seit vier Monaten war Tante Rosa nicht mehr zu Besuch. Was heißt das? Trocknet meine Möse jetzt aus?)Zumindest lief es zwischen ihr und Gatte Mark (souverän László I. Kish) auch schon einmal besser.
Erquicklicher Gegenpol zur depressiven und verzweifelten Hilary ist ihre schräge Freundin Frances (typgerecht mit Desrée Nick besetzt). Herzerfrischend nüchtern stellt sie fest: "Der Abbau der Muskulatur ist unaufhaltbar." Und so rät sie ihrer Freundin: "Das Beste, was wir vom Leben noch erwarten können ist, das Schlimmste zu vermeiden." Und schon stürzt Sie sich nach einigen sehr gewagten Dehnübungen in die Latexklamotte und versucht sich, ausstaffiert mit Luftballons am knallengen Kostüm, mit einer Art Burleske. Welche von den um sie herum versammelten Freunden mit eisigem Schweigen ignoriert, von den Zuschauern im Saal jedoch begeistert bejubelt wird.
Nick bringt trockenem Humor und Spielwitz Schwung in den teilweise zäh dahinlaufenden Abend und fasst Hilarys Problem nüchtern zusammen: "Die einen hören auf zu vögeln, die anderen fangen an zu vögeln."
Wenn nix mehr geht, geh's ohne alles
Sehr engagiert, witzig und natürlich schlüpft Nico Ehrenteit in die Rolle des jungen verrückten Studenten Cam, der zunächst mit der jungen Tilly flirtet, um dann mit ihrer Mutter Hilary zu schlafen und auch schon einmal begeistert mit einer Rose um den Penis über die Bühne hüpft. Letzteres ist aus dramaturgischer Sicht im Grunde vollkommen überflüssig, ruft aber immerhin bei den jungen Zuschauern begeistertes Gejohle hervor, während gesetztere Abonnenten sich allenfalls zu einem genervten Schulterzucken, Kopfschütteln oder Augenverdrehen hinreißen lassen. Nein, Hüllen fallen lassen schockt schon lange niemanden mehr. Vielmehr ist's das Publikum überdrüssig, werden Kleider überflüssig.
Nach annähernd drei Stunden kommt es schließlich zu einer ersten zaghaften Annäherung zwischen Mutter und Tochter sowie recht begeistertem Schlussapplaus. Jumpy wird noch bis zum 16. Februar 2014 im Ernst Deutsch Theater gespielt.
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)