Ultrakonservative Kreise in der katholischen Kirche auf dem Vormarsch

Nicht zuletzt durch das Buch "Der heilige Schein" des schwulen Theologen David Berger wird klar, dass erzkonservative Tendenzen in der katholischen Kirche wieder auf dem Vormarsch sind. Der Versuch, das Zweite Vatikanische Konzil mit seinen wegweisenden Fortschritten zu negieren, wird die Kirche von Rom vor eine Zerreißprobe stellen.

Papst Benedikt XVI. als Wasserträger des Mittelalters?

Viele Katholiken haben die Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum ersten deutschen Papst seit über 500 Jahren im Jahr 2005 mit Begeisterung aufgenommen und setzten große Hoffnungen in Benedikt XVI., auch wenn er von seiner theologischen Ausrichtung eher als konservativer Kirchenfürst gilt. Vor allem die deutsche Kirche erwartete einen Aufschwung, als in der Bild-Zeitung zu lesen war, dass wir (also alle Deutschen) Papst seien. Aber die Hoffnungen wurden schnell enttäuscht. Benedikt XVI. rehabilitierte die unerlaubt geweihten und exkommunizierten Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X., führte die lateinische Messe wieder ein und verfasste heiß diskutierte und oft kritisierte Schriften, in denen er beispielsweise die Einzigartigkeit und damit Vorrangstellung der katholischen Kirche betonte. Damit sprach der evangelischen Kirche allerdings den Rang einer "Kirche" ab und würdigte sie zu einer kirchlichen Gemeinschaft herab. Aber auch rein äußerlich zeigte Benedikt XVI., in welche Richtung er zu gehen gedachte. Neben alten Prunkgewändern seiner Vorgänger, alten Liturgie-Utensilien und barock anmutenden Sitzmöbeln nutzte er nicht mehr den Bischofsstab seiner beiden Vorgänger (Ferula), sondern stützte sich auf den Bischofsstab von Papst Pius IX., der ja vor allem durch das heute umstrittene Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit bekannt ist. All diese kleinen Gesten können durchaus zu der Vermutung anregen, dass mit Benedikt XVI. ein Mann auf dem Stuhl Petri saß, der die Kirche zu alter Blüte, vor allem aber ins Mittelalter zurückführen wollte.

"Der heilige Schein" gibt Einblick in erzkonservative Strukturen

Wer das Buch von David Berger gelesen hat, dem ist wohl klar, dass es in der katholischen Kirche viele Würdenträger gibt, die ihren Blick nach rückwärts gewandt haben und mit allen Mitteln versuchen, ihre realitätsferne und vor allem überholte Theologie in der Kirche zu positionieren und ihr wieder mehr Einfluss zu verschaffen. Um dies zu erreichen, werden in konservativ angehauchten Priesterseminaren obrigkeitshörige und zur Unselbstständigkeit erzogene Kleriker herangebildet, die sich in den Gemeinden als das erweisen, was sie sein sollen, nämlich als willige Werkzeuge einer ins Mittelalter gehörenden Theologie und Seelsorge. Auch wenn Berger in seinem Buch auch mit seinen früheren Gönnern abrechnet, so zeigt er auf sehr eindrückliche Weise die weit verzweigten Strukturen sowie die moralisch fragwürdige Vorgehensweise derer, die in der Kirche den Rückwärtsgang einlegen möchten. Glaubt man Berger, dann ziehen sich die erzkonservativen Strukturen quer durch die katholische Kirche, sowohl horizontal als auch vertikal.

Junge Priesterkandidaten und Priester scheinen erzkonservativ zu sein

Interessanterweise zeigt sich vor allem bei jungen Priesteramtskandidaten, Diakonen und Priestern eine Tendenz zu erzkonservativen Haltungen. Hört man sich unter Theologiestudenten mit dem Berufsziel Priester um, so sind nicht wenige dabei, die sich eine vorkonziliare Kirche wünschen. Gerade von jungen Menschen würde man doch eigentlich erwarten, dass sie aufgeschlossen, tolerant und kritisch sind. Wie kommt es zu dieser erzkonservativen Haltung? Dafür gibt es vermutlich verschiedene Ursachen wie beispielsweise einem konservativen Elternhaus, dem Einfluss des konservativen Gemeindepfarrers oder auch der Blendung durch die alte, pompöse Liturgie bzw. der Sehnsucht nach Geltung und Macht (der Pfarrer als geachteter, respektierter Mann).

Erzkonservative nutzen auch das Internet

Um konservatives Gedankengut und dem damit verbundenen Menschenbild zu verbreiten, werden natürlich auch die Medien genutzt. David Berger war ja vor seinem "Fall in Ungnade" selbst Chefredakteur von "Theologisches", einer Zeitschrift, die von erzkonservativen Theologen als Sprachrohr verwendet wird. Aber auch Internetseiten (z.B. kreuz.net, die inzwischen abgeschaltete Hetzseite erzkonservativer Möchtegernchristen) werden herangezogen, um die eigene Sicht darzulegen und wenn nötig, Andersdenkende zu diskreditieren. Zumindest bieten sie aber die Möglichkeit, deutlich zu machen, dass liberale Ansichten ein "Irrweg" sind, der direkt in die Hölle führt. Die katholische Kirche distanzierte sich zwar öffentlich von kreuz.net, so mancher Kirchfürst wird aber den oft menschenverachtenden Artikeln still zugestimmt haben. Zumindest lässt sich dies, mit Blick auf die Äußerungen verschiedener Würdenträger, vermuten.

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