Oftmals wird das Leid der Kinder von Alkoholikern unterschätzt. In der Regel wird nämlich nicht nur die Last des täglichen Bildes, wenn Papa und/oder Mama erneut getrunken haben, getragen. Zahlreiche weitere Lasten kommen hinzu. Soziale Ausgrenzung bis hin zu massivem Mobbing. Co-Abhängigkeiten, die das ganze Leben bestehen bleiben. Zu viel Verantwortung in einem Alter, in dem Selbstständigkeit noch gar keine Rolle spielen sollte. Nicht selten auch Gewalt, sowohl körperlich wie auch seelisch.

Warum muss ich das ertragen...

Kinder von Alkoholikern können oft noch nicht verstehen, warum Mama und/oder Papa trinkt/trinken. Insbesondere in sehr jungen Jahren ist es schwierig, zu verarbeiten, was da passiert. Sie können noch nicht wissen, dass die Eltern krank sind, dass es sich bei der Alkoholsucht um eine Krankheit handelt. Aber sie sehen, dass etwas nicht stimmt. Dass es anders läuft als bei anderen Familien. Dass Mama und Papa anders sind, als die Eltern der Freunde. Und das sehen auch andere Kinder, etwa Schulkameraden oder die Nachbarkinder. Kinder können gemein sein, ohne zu wissen, was sie damit bewirken. Oft dauert es nicht lange, bis die ersten Hänseleien beginnen. Dumme Sprüche, schubsen, schlagen - heute nennt man es Mobbing! Die soziale Ausgrenzung beginnt. Nur echte Freunde bleiben Freunde. Aber in der Schule wird es schwierig, diese zu finden. Denn kaum ein anderes Kind ist bereit, für die Freundschaft mit in das "Mobbing-Netz" zu geraten.

Selbstzweifel - das Leid geht immer weiter und tiefer!

Irgendwann kommen die Kinder von Alkoholikern an den Punkt, an dem sie sich fragen, warum sie das alles ertragen müssen. Die Selbstzweifel beginnen. Trinken meine Eltern wegen mir? Habe ich etwas falsch gemacht? Sind sie mit mir nicht zufrieden? Haben sie mich nicht mehr lieb? Bin ich schuld daran, dass meine Eltern trinken? Die Selbstzweifel, die ständig kreisenden Fragen um die Köpfe der Kinder von Alkoholikern schwächen das Selbstwertgefühl. Ein Selbstbewusstsein - was ist das? In der Schule werden sie ständig geärgert, keiner mag sie, nicht mal die eigenen Eltern - denn diese trinken ja, wegen mir!

An alle Kinder von Alkoholikern, die diesen Artikel lesen: Ihr habt absolut KEINE Schuld daran! Ihr seid NICHT für die Krankheit eurer Eltern verantwortlich! Eure Eltern haben euch lieb, so wie "normale" Eltern ihre Kinder auch lieb haben - sie sind nur krank und brauchen Hilfe!

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Vom Kind zum Co-Abhängigen...

Sobald Kinder von Alkoholikern in das Netz der Selbstzweifel verwickelt sind, beginnt nicht selten auch die Co-Abhängigkeit. Die Kinder versuchen alles, um Mama und Papa glücklich zu machen. Die Gedanken daran, dass die Eltern wegen ihm (dem Kind) trinken könnten, können nicht ertragen werden. Ebenso dass Mama und Papa es nicht lieb haben könnten. Also wird alles getan, was die Eltern glücklich machen könnte. Was dazu beitragen könnte, dass Mama und Papa das Kind wieder lieben. Es wird gelebt und gehandelt für Mama und Papa.

Wenn nichts mehr geht...

Die Alkoholsucht der Eltern wird nicht besser. Im Gegenteil, es wird immer schlimmer. Morgens nach dem Aufstehen der erste Schnaps. Der Mittag wird zum Ausschlafen des ersten Rausches genutzt. Danach geht es sofort weiter. Der Haushalt liegt brach. Das schmutzige Geschirr in der Küche stapelt sich, die leeren Flaschen werden in der Ecke sortiert und die offenen Dosen der täglichen Fertiggerichte locken haufenweise Fliegen an. Die Wäsche beginnt unangenehm zu riechen. Im Kleiderschrank befindet sich nichts Sauberes mehr - ein weiterer Grund, in der Schule gemobbt zu werden. Jetzt werden Kinder von Alkoholikern erwachsen - auch wenn sie erst sieben, acht oder zehn sind. Sie beginnen den Haushalt zu machen, abzuwaschen, sich selber Essen zuzubereiten, vielleicht noch für ihre jüngeren Geschwister zu sorgen. Sie machen die Wäsche, um wenigsten dieser Schikane aus dem Weg zu gehen. Sie nehmen die Rolle der Eltern ein, kümmern sich sogar um diese. Die Co-Abhängigkeit ist perfekt und die Kindheit vorbei!

Lasst es nicht so weit kommen...

Wenn ihr Kinder von Alkoholikern seid, denkt daran, dass es immer einen Ausweg gibt. Ihr MÜSST mit jemandem reden. Mit eurer Oma, eurem Opa, Onkel, Tante oder eurem Lehrer. Vielleicht habt ihr auch einen Vertrauenslehrer, dem ihr alles erzählen könnt. Versucht, für ein paar Wochen oder Monate bei Verwandten unterzukommen, damit ihr eure Kindheit wieder leben könnt und eure Eltern sich ändern können. Von vielen Seiten wird immer wieder gesagt, dass Ultimaten und Drohungen nichts bezwecken. Als Kinder von Alkoholikern gibt es aber kaum andere Mittel. Ihr müsst eure Eltern wach rütteln, damit sie bereit sind, Hilfe in Anspruch zu nehmen, notfalls einen Entzug zu machen. So schwer es auch sein wird, ihr dürft nicht weich werden, ihr müsst hart bleiben, sonst wird es kein Ende geben. Glaubt mir. Ich habe es nicht gemacht. Ich habe mit niemandem geredet und 15 Jahre in der Hölle gelebt.

Selbsthilfegruppen für Kinder von Alkoholikern...

Unter Al-Anon Familiengruppen findet ihr Gleichgesinnte, die euch mit Rat und Tat zur Seite stehen und euch unterstützen. Hier könnt ihr Selbsthilfegruppen aus eurer Region finden. Selbst wenn ihr noch sehr jung seid, wird euch keine der Gruppen ausschließlich. Ihr werdet mit Sicherheit Rat und Hilfe erhalten.

 

Bildquellenangaben Vorschaubild: günther gumhold / pixelio.de

Autor seit 13 Jahren
133 Seiten
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