Von Schweinen und Tauben

Aus der Ferne betrachtet stellt sich der Nahost-Konflikt in Palästina ungefähr so dar: Auf der einen Seite islamische Terroristen mit Sprengstoffattentaten, Raketen und Steine werfenden Kindern. Auf der anderen Seite die israelischen Besatzer, die jede Provokation mit Waffengewalt und Zerstörung beantworten. Diese reichlich schlichte Sichtweise lässt außer Acht, dass im Heiligen Land auf beiden Seiten auch ganz normale Zivilisten leben. Einfache Handwerker und Landwirte, die unter den eigenen Hardlinern genauso zu leiden haben wie unter den Gewalttaten der jeweiligen Gegenseite.
"Das Schwein von Gaza" erzählt so eine Geschichte. Ein armer Fischer im Gaza-Streifen versucht, irgendwie zu überleben. Die palästinensischen Terroristen interessieren ihn ebenso wenig, wie die israelischen Soldaten, die ihn schikanieren und sein baufälliges Haus als Beobachtungsposten nutzen. Eines Tages fischt er ein vietnamesisches Schwein aus dem Meer. Das Tier ist Moslems wie Juden gründlich verhasst, so dass er es eigentlich nirgendwo unterbringen kann. Dennoch möchte er aus diesem Fang irgendwie Geld machen und bringt unabsichtlich die verfeindeten Seiten kurzzeitig zusammen.
Der Film besticht durch sehr subtile Bilder, die nur dem aufmerksamen Betrachter auffallen. Beispielsweise stehen sich in einer Szene israelische Militärs und ein paar Palästinenser gegenüber. Eigentlich könnten sie sich ganz normal unterhalten. Sie müssten sich nur wenige Schritte aufeinander zu bewegen. Stattdessen benutzten beide Seiten eine Art Megafon. Die Israelis nutzen ein High-Tec-Gerät, die Palästinenser einen abgebrochenen Absperrkegel...

Auch "Fliegende Herzen" ist ein Film mit einem tierischen Co-Star, in diesem Fall einer Brieftaube. Das DVD-Cover scheint allerdings etwas unglücklich gewählt. Es vermittelt den Eindruck, der Film sei eine schnulzige Liebesgeschichte. Tatsächlich jedoch geht es zwar auch um Liebe, jedoch viel mehr noch um solche Dinge wie Loyalität, Familie, Karriere und eine wenig bekannte Episode aus dem Ersten Weltkrieg. Männlicher Hauptdarsteller ist Jamie Dornan, der hier beweist, dass er jenseits von "Fifty Shades of Grey" auch seriöse Rollen spielen kann. Er stellt einen äußerst erfolgreichen Angestellten dar, der für einen Kunden eine ganz bestimmte Brieftaube erwerben soll. Leider ist der Besitzer ein sturer Kerl. Es gibt zwar einen Weg, ihn zu zwingen, doch der Mann hat noch eine bezaubernde Enkelin...

Heiter-nachdenkliches aus Bayern

Ja, tatsächlich: Bayern kann mehr als Weißwurst, Lederhose und Kritik an der Kanzlerin! Den Beweis dafür liefern Filme wie die folgenden beiden:

  •  "Wer früher stirbt, ist länger tot" ist eine Komödie mit nachdenklichem Hintergrund. Aus Angst, in die Hölle zu kommen, versucht ein Bengel aus der bayerischen Pampa, seine vermeintlichen Übeltaten durch Gutes zu kompensieren. Natürlich wird dadurch die Verwirrung noch viel größer... Es empfiehlt sich allerdings, die DVD mit deutschem Untertitel anzuschauen. Die stark bayerisch eingefärbten Dialoge sind zwar durchaus verständlich. Doch so manche feinsinnige Pointe entgeht dem Nicht-Bajuwaren ohne Untertitel wahrscheinlich dennoch.
  • "Grenzverkehr" erzählt die Geschichte dreier Jugendlicher aus der bayerischen Provinz. Ein Kumpel von ihnen ist gestorben. Das Dramatische daran: Er war ganz knapp davor, sein "erstes Mal" zu erleben, als ihm der Tod dazwischen kam. Das soll den dreien möglichst nicht passieren. Also schwingen sie sich auf ihre Mopeds und düsen über die tschechische Grenze. Ihre Suche nach einem Bordell im Nachbarland wird zunächst durch eine schwangere Anhalterin behindert.. Nach und nach reift in den Burschen schließlich die Erkenntnis, dass das Leben anderswo viel rauer sein kann, als im behüteten, bayerischen Dorf. Im letzten Drittel legt die Komödie deutlich an Tempo und Dramatik zu.

Multi-Kulti einmal anders

Multi-Kulti ist ein Schlagwort, das die Nation schnell in Befürworter und Gegner spaltet. Grauzonen scheint es nicht zu geben. Manche sehen Multi-Kulti als gescheitert an, andere glauben weiterhin die grünen Heilsversprechen von einem konfliktfreien Miteinander. Beide Seiten landen allerdings sehr schnell und sehr hart auf dem Boden der Realität, sobald sie hier in Deutschland tatsächlich einmal mit anderen Kulturkreisen in Berührung kommen. Vorurteile und Luftschlösser erweisen sich plötzlich als unhaltbar. Eine solche Begebenheit erzählt "Kückückskind": Es stellt sich heraus, dass viele Jahre zuvor im Krankenhaus ein deutsches Mädchen und ein türkischer Junge vertauscht wurden. Das Jugendamt regt nun an, dass sich beide Seiten kennen lernen und die Teenager auf Probe in ihre leibliche Familie zurückkehren. Traditionelle Werte, Waldorfpädagogik, Allesversteher und Deutschenhasser treffen nun ungebremst aufeinander, bis plötzlich eine mittlere Katastrophe eintritt und aufzeigt: Gemeinsam ist man stärker.
Nicht nur in Deutschland scheinen versteckte Vorurteile ein Problem zu sein, wie der französische Film "Monsieur Claude und seine Töchter" beweist: Ein Mann hat vier Töchter. Die ersten drei haben einen Chinesen, einen Moslem beziehungsweise einen Juden geheiratet. Monsieur Claude erträgt das alles tapfer und bemüht sich um Toleranz. Immerhin scheint ja die vierte Tochter alles "richtig" zu machen: Sie will einen Katholiken heiraten. Monsieur Claude ahnt noch nicht, dass dieser künftige Schwiegersohn eine schwarze Hautfarbe hat...

Große Politik, kleine Leute und tödliche Sorgen

Den Umgang mit Vorurteilen thematisiert ebenfalls sehr gekonnt der Streifen "...und dann kam Wanda". Ein allein erziehender Vater und Bauunternehmer steht kurz vor der Pleite. Verantwortlich macht er dafür vor allem die polnischen Billig- und Schwarzarbeiter. Um seinen vorerst letzten großen Auftrag erfüllen zu können, stellt der Mann nun ein Kindermädchen ein. Er ahnt zunächst nicht, dass die perfekt deutsch sprechende Frau eine polnische Mutter hat und wegen Schwarzarbeit auf den Fahndungslisten ganz oben steht...

Wie sehr auch inländische Mitmenschen von Vorurteilen und Ausgrenzung betroffen sind, zeigt der Film "Letzte Chance für Harry", der im weihnachtlichen Berlin spielt. Zwei großartige deutsche Schauspieler, Günther Pfitzmann und Harald Juhnke, verleihen der eigentlich simplen Ausgangssituation Format: Nach einem Unfall gelingt es dem Penner Harry, in die Rolle des schwerreichen Kanadiers Simon Spradow zu schlüpfen. Fortan versorgt er seine obdachlosen Freunde mit Lebensmitteln und anderen Notwendigkeiten. Alles natürlich mit dem Geld von Spradow. Dieser hingegen findet sich plötzlich in einer unangenehmen Situation wieder: Mit schäbiger Kleidung und ohne Geld oder Papiere kann er nicht in sein Luxushotel zurückkehren. Die Polizei glaubt ihm nicht und die kanadische Botschaft ist während der Feiertage geschlossen. Unterschlupf findet er schließlich bei anderen Obdachlosen sowie bei einer Hure, der er gegen ihren Zuhälter beisteht. Den wahrscheinlich sozialkritischsten Satz spricht der Penner Harry, als er eine Krankenschwester fragt: "Wieviel kostet denn bei Ihnen ein Menschenleben?"

Ähnlich aufrüttelnd geht es beim "Frühstück mit einer Unbekannten" zu, der im Umfeld des G8-Treffens 2007 in Heiligendamm spielt. Wirtschaftspolitische Vernunftargumente treffen auf reale Not. Höhepunkt der Geschichte ist eine Szene, bei der sich die Staatsoberhäupter gerade die Bäuche mit ausgesuchten Küchenkreationen füllen. Währenddessen erklärt die Hauptdarstellerin, dass alle drei Sekunden ein Kind verhungert. Sie sagt es nicht nur, sondern zählt diese Sekunden während ihrer kleinen Rede beständig herunter.... Eine ausführliche Rezension des Films lesen Sie hier.

Auf andere Weise berührend ist der Film "Now is good –jeder Moment zählt”. Eine todkranke 17 Jährige stellt eine Liste auf, was sie vor ihrem Tod noch alles tun will: Den ersten Sex haben, Drogen nehmen, einen Ladendiebstahl begehen, berühmt werden und so weiter... Nur eines steht nicht auf der Liste: Sich verlieben. Doch genau das passiert. Liebe und Tod liefern sich fortan ein Wettrennen. Wer wird gewinnen?
Der Streifen geht unter die Haut und lässt wahrscheinlich keinen Zuschauer kalt. Ob sich das Ende der Geschichte dramatisch zeigt oder ob die Liebe heilen kann, wird an dieser Stelle nicht verraten.

Donky, am 07.02.2016
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Bildquelle:
amazon (Sitcoms: Was waren die Kultserien der 90er?)

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