Was ist Intelligenz?

Vorbild für die Entwicklung der KI ist naturgemäß die Intelligenz und damit die geistige Leistungsfähigkeit des Menschen, genauer: die Fähigkeit des menschlichen Geistes, Zusammenhänge zu erkennen und Probleme zu lösen. Etwas ausführlicher könnte man hier auch von der Fähigkeit sprechen, sich in neuen Situationen durch Einsicht zurechtzufinden und Aufgaben durch Denken zu lösen. Dabei muss man in Anlehnung an den amerikanischen Persönlichkeitspsychologen Raymond Bernard Cattel von einer Zweiteilung der Intelligenz ausgehen, nämlich in kristalline und fluide Intelligenz. Und zwar werden als kristalline Intelligenz die Erfahrungen bezeichnet, die ein Mensch im Laufe seines Lebens macht, sowie die Fakten, die er erlernt, während die fluide Intelligenz die Fähigkeit darstellt, sich überhaupt Wissen anzueignen.

Demnach kann man die kristalline Intelligenz als eine Art persönlichen Besitz betrachten und die fluide Intelligenz als das Werkzeug, das man braucht, um sich diesen Besitz aneignen zu können. Man kann auch sagen: Ebenso wenig wie man ohne Werkzeuge etwas erschaffen kann, kann man sich ohne fluide Intelligenz Fähigkeiten oder Wissen aneignen. Nur wer fluide Intelligenz besitzt, kann sich also schnell in unbekannten Situationen zurechtfinden, neue Fähigkeiten erwerben und Neues lernen.

Künstliche Intelligenz (Bild: geralt/pixabay.com)

Künstliche Intelligenz (Bild: geralt/pixabay.com)

Was versteht man unter Künstlicher Intelligenz?

Technische Artefakte wie Computer oder Roboter können logischerweise dann als intelligent bezeichnet werden, wenn es ihnen gelingt, Aufgaben zu lösen, die auch von intelligenten Menschen gelöst werden könnten. Folglich geht es dabei um die Nachbildung von Prozessen, die im menschlichen Gehirn ablaufen. Das heißt: Alle Entwickler von künstlichen Intelligenzen setzen bei der Programmierung auf neuronale Netzwerke, versuchen also, ein künstliches Gehirn zu schaffen, das durch digitale Neuronenverbindungen funktioniert.

Die künstlichen neuronalen Netze, die die Funktion des menschlichen Gehirns nachahmen, sollen mit anderen Worten dafür sorgen, dass Roboter wie Menschen lernen können und folglich in der Lage sind, Handlungsanweisungen und Wissen aus vielen, verschachtelten Datenbanken ständig neu miteinander zu verknüpfen, damit sie auch wie Menschen eine Situation immer wieder neu bewerten und damit Probleme adäquat lösen können. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass, wenn in Roboter-Gehirnen eine sich ständig verändernde, neue Bewertung von Situationen stattfindet und diese Situationen gleichzeitig mit gespeichertem Wissen abgeglichen werden, eine Art "Ich" und damit eine Meta-Ebene entsteht, die dem menschlichen Geist bzw. Bewusstsein nahekommt.

Vom Nutzen "intelligenter Maschinen"

Roboter mit Bewusstsein könnten – so die Hoffnung – mit den Menschen kommunizieren und kooperieren und dadurch zu ihren Partnern werden. Sie könnten als Serviceroboter beispielsweise bei der Pflege alter oder kranker Menschen helfen. Ferner könnten Roboter dort eingesetzt werden, wo es für den Menschen zu gefährlich ist, etwa bei Chemie- und Atomunfällen oder bei der Räumung von Minen.

Vorstellbar sind auch direkte Kopplungen von Mensch und Maschine, von denen vor allem schwer chronisch Kranke wie Querschnittgelähmte profitieren könnten. So ist bereits ein Fall publik geworden, in dem einer gelähmten Frau ein Gehirnimplantat in den motorischen Kortex des Gehirns eingepflanzt wurde, mit dessen Hilfe sie Kraft ihres Willens den Arm eines Roboters steuern und nach einer kurzen Übungsphase den Roboterarm verwenden konnte wie einen menschlichen Arm. In diesen Kontext gehört auch das "Exoskelett", eine Art Ganzkörper-Prothese, die den Körper von außen abstützt, so dass sogar Gelähmte wieder laufen können, und zwar indem sie den Computer, der mit dem Exoskelett verbunden ist, ebenfalls durch ihre Gehirnwellen steuern.

Nach Ansicht des Robotik-Querdenkers Hans Moravec könnten schon Mitte dieses Jahrhunderts generell viele technische Implantate den vergänglichen menschlichen Körper leistungsfähiger machen. In diesem Zusammenhang zeichnet sich auch die Möglichkeit ab, Knochen und Organe einfach mit dem 3-D-Drucker ausdrucken zu können.

Künstliche Intelligenz als Bedrohung des Menschen

Inzwischen werden unter Experten aber auch immer mehr Stimmen laut, die durch die Weiterentwicklung der KI erhebliche Gefahren für die Menschheit sehen. So werden nach Ansicht des KI-Vordenkers Raymond Kurzweil intelligente Maschinen schon Ende dieses Jahrhunderts den Menschen als Krone der Schöpfung ablösen und unseren Alltag beherrschen. Andere Experten, allen voran Nick Bostrom und Stephen Hawking, halten es sogar für möglich, dass sich die intelligenten Maschinen irgendwann vom Menschen "emanzipieren" und ihre Weiterentwicklung "selbst in die Hand nehmen", was zur Folge hätte, dass die Menschen den intelligenten Maschinen im Konkurrenzkampf unterliegen und deshalb allmählich aussterben. Für denkbar wird auch gehalten, dass die intelligenten Maschinen eines Tages die Abschaffung des Menschen "beschließen" und dann unsere Zivilisation auslöschen. Als Menetekel für solche verhängnisvollen Entwicklungen auf dem Gebiet der KI gilt gemeinhin die Niederlage des Schachweltmeisters Garri Kasparow gegen den Supercomputer "Deep Blue" 1996.

Fast "harmlos" klingt demgegenüber die Befürchtung von "Unheilspropheten", dass die intelligenten Maschinen den Menschen die Arbeitsplätze wegnehmen und damit eine Massenarbeitslosigkeit ungekannten Ausmaßes herbeiführen. Ein anschauliches Beispiel dafür – das unser Autorenkollege "Schreibspass" in seinem Artikel http://pagewizz.com/was-sind-kreative-ideen-fur-die-arbeit-der-zukunft-33816/ schildert – wäre die Ersetzung des Golfballtauchers durch einen Teichroboter.

Insgesamt wird die Weiterentwicklung der KI dann als bedrohlich empfunden, wenn man die Entwicklung von Maschinen für möglich hält, die intelligenter sind als Menschen, da in diesem Fall die Menschen die Kontrolle über die Maschinen verlieren würden. Man fühlt sich hier unwillkürlich an Goethes Ballade vom "Zauberlehrling" erinnert, in der ja auch ein Schöpfer die Kontrolle über sein Geschöpf verliert.

Die Grenzen Künstlicher Intelligenz

Bleibt die Frage, ob die Angst vor der KI wirklich berechtigt ist, ob hier die Möglichkeiten, die mit dieser Technologie verbunden sind, nicht völlig falsch eingeschätzt werden. Vor allem ist zu fragen, ob es sich bei der KI wirklich um Intelligenz handelt, die der Komplexität der menschlichen Intelligenz entspricht. So sind nach Expertenmeinung die bisherigen Erfolge der KI nicht zu leugnen, aber diese würden nicht daraus resultieren, dass da eine überragende Intelligenz am Werk ist, sondern daraus, dass die Rechenvorgänge immer schneller und die Datenbasen immer umfangreicher werden. Was wir also hätten, seien Maschinen mit imitierter Intelligenz, die immer besser würden.

Nach Ansicht eines anderen Experten war auch der Sieg des Computers "Deep Blue" über Garri Kasparow kein Zeichen von Intelligenz, da Intelligenz letztlich weit mehr sei als reines Wissen, das abgerufen werden könne. Um wirklich "intelligent" handeln zu können, müssten Menschen Hunderte von Impulsen aus der Umgebung verarbeiten oder Gefühle bewerten. Maschinen dazu in die Lage zu versetzen, sei ein gigantischer Aufwand. Bisher sei es den Forschern auch noch nicht gelungen, dem Computer das Lernen beizubringen – was ja der zentrale Bestandteil der Intelligenz ist - und dieser Misserfolg sei auch nicht verwunderlich, da man dem Computer nicht alle jene Details einspeichern könne, die ein Mensch im Laufe seines Lebens lernt. Ferner würden wir trotz aller Forschungen bis heute nicht komplett wissen, was im menschlichen Gehirn genau passiert, wenn wir bestimmte Informationen speichern oder Emotionen verarbeiten. Es sei immer noch unklar, welche Neuronen hier miteinander kommunizieren, welche Synapsen aktiv sind und warum das so ist.

Können Maschinen überhaupt ein Bewusstsein entwickeln?

Die Skepsis, ob es jemals möglich sein wird, künstliche Gehirne zu konstruieren, die ebenso gut oder noch besser funktionieren wie das menschliche Gehirn, beruht nicht zuletzt darauf, dass der menschliche Geist, das menschliche Bewusstsein, immer noch ein ungelöstes Rätsel ist. Das heißt: Solange mir nicht wissen, wie im Menschen Geist, Wille und Gefühl zusammenwirken, können wir auch keine künstlichen Gehirne bauen, die über die mentalen Erlebnisqualitäten verfügen, wie sie für das menschliche Bewusstsein typisch sind. Als unüberwindliches Hindernis könnte sich dabei das Phänomen der sogenannten Qualia erweisen, also der Umstand, dass bestimmte Hirnaktivitäten im menschlichen Körper als rein subjektive Qualitäten erlebt werden. Um ein Beispiel zu nennen: Wir wissen, dass jemand, der blind ist, nichts sieht. Und dieses Wissen können wir dem Computer übermitteln. Aber wir können nicht nachempfinden, was ein Blinder fühlt, wenn er nichts sieht. Folglich können wir dies auch dem Computer nicht "beibringen". (S. dazu meinen Artikel: http://pagewizz.com/die-besonderheiten-des-menschlichen-bewusstseins-33758/)

Maschinen könnte nur dann – so die Schlussfolgerung - Bewusstsein zugeschrieben werden, wenn man annimmt, dass es verschiedene Formen von Bewusstsein gibt. Das heißt: Man könnte Bewusstsein generell als Prozess der Verarbeitung bzw. Integration von Informationen definieren und eine Abstufung nach dem Grad der Komplexität vornehmen. Maschinen mit künstlicher Intelligenz würden hier natürlich einen hohen Level erreichen und würden deshalb als Systeme mit Bewusstsein gelten. Da es jedoch vermutlich niemals möglich sein wird, Maschinen mit subjektiven Erlebnisqualitäten zu bauen, also beispielsweise Maschinen, die beim Anblick der Farbe "blau" bestimmte Empfindungen haben, bliebe die höchste Komplexitätsstufe dem Menschen vorbehalten. (S dazu meinen Artikel: http://pagewizz.com/die-bedeutung-von-geist-und-materie-aus-sicht-des-33657/)

Es bleibt festzuhalten, dass der Mensch in Maschinen nur die geistigen Vorgänge erzeugen kann, die er selbst bereits durchschaut hat, und hier sind die bisherigen Erfolge allen anderslautenden Meldungen zum Trotz doch recht bescheiden. Das Schüren von Ängsten vor einer zukünftigen Übermacht der künstlichen Intelligenz ist deshalb Unsinn.

"Lieber" Roboter? (Bild: Nemo/pixabay.com)

"Böser" Roboter? (Bild: Camus/pixabay.com)

Vermenschlichung und religiöse Überhöhung

Für die irrationale Angst vor der KI sind nach Expertenmeinung zwei Faktoren verantwortlich, nämlich zum einen die Neigung des Menschen, Computerprozesse zu vermenschlichen, also Sprachsoftware oder Roboter als Personen zu betrachten und so mit ihnen umzugehen, als wären sie menschlich, und zum anderen die Hochstilisierung von intelligenten Maschinen zu gottähnlichen und damit allwissenden und allmächtigen Geschöpfen. De facto seien es aber niemals Maschinen, sondern Menschen, die ihre Mitmenschen beherrschen wollen, sie töten und vielleicht sogar die ganze Menschheit auslöschen. Hier könnte man hinzufügen, dass sich die Menschen dabei der intelligenten Maschinen bedienen, aber dass diese dennoch nur Werkzeuge sind und dies auch bleiben, also nicht zu Akteuren werden. Man könnte auch noch anmerken, dass es bei Maschinen, falls sie doch einmal "bösartig" werden sollten, ganz einfache Mittel gäbe, um sich ihrer zu erwehren, nämlich abschalten, zur Sicherheit noch den Stecker ziehen bzw. die Batterien herausnehmen und im äußersten Notfall verschrotten.

Die "Maschinisierung" des Menschen

Ein Artikel von Wolfram Klingler und Hannes Grassegger auf "Zeit-Online" beleuchtet einen weiteren bedrohlichen Aspekt der engen Koexistenz von Mensch und intelligenter Maschine, nämlich die zunehmende Orientierung unseres gesamten Denken und Handelns, ja sogar unseres Fühlens, an den Prinzipien der Nutzenmaximierung und der linearen Vorhersagbarkeit. Das heißt: Nach Ansicht der beiden Autoren machen wir uns immer mehr die Logik zu eigen, nach der die intelligenten Maschinen funktionieren, und werden ihnen damit immer ähnlicher. Ihrer Meinung nach besteht die größte Gefahr also darin, dass wir selbst zu Maschinen mit Künstlicher Intelligenz werden und dadurch all das verlieren, was uns zu Menschen macht – man könnte auch sagen: was uns menschlich macht.

Schlussfolgerungen

Dass die Entwicklung von Maschinen mit Künstlicher Intelligenz einer der wichtigsten Fortschritte in der Geschichte der Menschheit darstellt, ist unter den Experten unstrittig. Manche schwärmen regelrecht von den enormen Möglichkeiten der Verbesserung der Lebensqualität, die uns Hochleistungsrechner und Service-Roboter bescheren könnten. Andere möchten die Euphorie bremsen und warnen vor den Gefahren, die ihrer Meinung nach von Maschinen mit menschenähnlicher Intelligenz ausgehen könnten. Dreh- und Angelpunkt der Debatte um die KI ist also die Vorstellung von einer "Menschenähnlichkeit der Maschinen".

Zunächst wäre hier zu fragen, ob die Gehirne von Maschinen wirklich genauso funktionieren können wie die Gehirne von Menschen. Und dies führt zu der weiteren Frage, wie das Gehirn und das Bewusstsein des Menschen überhaupt funktionieren. Und auch an dieser Frage scheiden sich die Geister. So ist für die Anhänger eines reduktiven Materialismus Bewusstsein nicht mehr als die Summe unserer Hirnfunktionen und könnte deshalb auch bei intelligenten Maschinen erzeugt werden.

Bewusstsein aber impliziert - so der bisherige Erkenntnisstand - die Erzeugung von Absichten und Wünschen, von Intentionen, und damit auch die Bestrebungen, diese in die Tat umzusetzen. Nun ist es aber möglich, dass diese Intentionen "böse", also darauf ausgerichtet sein können, Schaden anzurichten. Wenn man also bei intelligenten Maschinen tatsächlich menschenähnliches Bewusstsein erzeugen könnte, müsste man auch befürchten, dass diese Maschinen irgendwann bösartig werden und den Menschen bedrohen.

Hier kommt nun die Gegenposition zum reduktiven Materialismus ins Spiel, nämlich die Vorstellung, dass das Bewusstsein eine den Hirnfunktionen übergeordnete Seins-Ebene mit eigenen Qualitäten darstellt, dass sich also Bewusstsein nicht auf Hirnfunktionen zurückführen lässt und auch nicht aus diesen hervorgeht. Wenn die Anhänger dieser Position recht haben – und Vieles spricht dafür - lässt sich menschliches Bewusstsein in intelligenten Maschinen nicht nachbilden. Folglich müssen wir uns vor intelligenten Maschinen auch nicht fürchten. Wir können uns ganz entspannt zurücklehnen und uns an den Segnungen, die uns die intelligenten Maschinen bescheren, erfreuen.

Noch eine Anmerkung zum Thema "Arbeitslosigkeit": In der Debatte um die KI war ja auch davon die Rede, dass die intelligenten Maschinen den Menschen massenhaft die Arbeitsplätze wegnehmen könnten. Solche Diskussionen begleiten die Industrialisierung seit ihren Anfängen und kommen immer dann auf, wenn infolge neuer Erfindungen Arbeitsplätze wegfallen. Das heißt: Die Einführung von neuen Maschinen wurde bisher immer als Katastrophe und nie als Bereicherung empfunden. Und das ist natürlich verständlich, wenn Erwerbsarbeit die Lebensgrundlage darstellt. Eine andere Sichtweise wird sich folglich erst dann durchsetzen, wenn sich ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel – weg von der traditionellen Erwerbsarbeitsgesellschaft – vollzieht.

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