Künstliche Intelligenz - was wir aus der Vergangenheit lernen können
Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. (George Santayana)Erste KI-Euphorie: Naive Begeisterung
Die erste KI Euphorie war bereits in den 1960 Jahren in der Zeit des Kalten Krieges, als die US Militärs über nahezu unbeschränkte Budgets verfügten und eine geradezu naive Technikbegeisterung herrschte. So berichtete die New York Times im Jahr 1960, dass die US Navy den Entwurf eines Computers vorstellte, der in der Lage sei "zu gehen, sprechen, sehen, schreiben, sich selbst zu reproduzieren und sich seiner eigenen Existenz bewusst zu sein".
(Bild: New York Times, 1960)
Ein wichtiges Teilgebiet der KI war damals schon die maschinelle Übersetzung. Die Amerikaner wollten besser verstehen, was die Russen im Schilde führten, und im Vergleich zur ebenfalls geplanten Mondlandung erschien diese Aufgabe vergleichsweise einfach. Wie sich jedoch herausstellen sollte, hatte man die Komplexität der Aufgabe grandios unterschätzt. Als das Pentagon 1968 eine Zwischenbilanz zog, waren die erreichten Ergebnisse katastrophal schlecht. Berühmt wurde die miserable Übersetzung eines Bibelzitats vom Englischen ins Russische und zurück:
Nach diesen ernüchternden Resultaten strich das Pentagon die meisten Forschungsgelder und die KI-Forschung fiel in einen Dornröschenschlaf.
Zweite KI-Euphorie: Wissensbasierter Ansatz
Die zweite KI-Euphorie begann Mitte der 1980er Jahre. Diesmal war der Auslöser in Japan. Das damals mächtige japanische Wirtschaftsministerium MITI (Ministry of International Trade and Industry) stellte sein "Fifth Generation Computer Project" vor. Das ehrgeizige Ziel war, die bisherige Vormachtstellung der USA durch die Entwicklung einer neuen Generation von Supercomputern mit KI-Fähigkeiten zu brechen. Dazu mussten die Beschränkungen der damals vorherrschenden Computersprachen überwunden werden. Der neue Ansatz bestand darin, das Wissen menschlicher Experten zu extrahieren und mittels logikbasierter Programmiersprachen wie PROLOG in eine Wissensdatenbank zu überführen. War das extrahierte Wissen einmal im Computer, dann konnte es mit einer Inferenzmaschine abgefragt und auch für neue Problemstellungen erfolgreich genutzt werden.
Dieser wissensbasierte Ansatz galt als derart vielversprechend, dass in Japan, USA und Europa viele Forschungsgelder in den Aufbau und die Entwicklung von Expertensystemen flossen.
Wissensbasierter KI-Ansatz
So entstanden umfangreiche Expertensysteme in vielfältigen Bereichen wie medizinische Diagnostik, Erdbebenvorhersage, Erdölexploration und Computerlinguistik. Eine neue Generation von Übersetzungsprogrammen wurde entwickelt, die mittels einer tiefen linguistischen Analyse Texte wesentlich präziser übersetzen konnten.
Trotz teilweise beeindruckender Ergebnisse konnten sich die Expertensysteme jedoch nicht auf breiter Front durchsetzen. Hauptgrund waren die enormen Entwicklungskosten: Die Extraktion des menschlichen Wissens und die Überführung in eine Wissensdatenbank erforderte einen hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand für Computerexperten, der sich für die Entwicklung breiter Anwendungen nicht lohnte. Und so endete auch die zweite KI-Euphorie in einem Dornröschenschlaf.
Dritte KI-Euphorie: Datenbasierter Ansatz
Die dritte KI-Euphorie begann ab 2010 und wir sind aktuell mittendrin. Diesmal verfolgt man einen völlig anderen Ansatz: Anstatt zu versuchen, das menschliche Wissen mit teuren Computerexperten zu extrahieren, soll die Maschine selbst in die Lage versetzt werden zu lernen, indem sie große Datenmengen analysiert. Das Zauberwort dabei heißt DNN (Deep Neural Networks). Um solche neuronalen Netze zu trainieren, braucht es neben riesigen Trainingsdaten auch Zugriff auf enorme Rechnerkapazitäten.
Die Erkennung und Klassifizierung von Bildern war einer der ersten Bereiche, in dem die künstlichen neuronalen Netze ihre Überlegenheit gegenüber den klassischen Verfahren der Mustererkennung unter Beweis stellten. In den letzten Jahren konnte man eine bemerkenswerte Verbesserung in der Genauigkeit bei der Bildersuche von Suchmaschinen beobachten. Inzwischen schaffen es solche Systeme sogar, die menschliche Urteilsgenauigkeit zu übertreffen. Bei dem jährlich stattfindenden ILSVRC-Wettbewerb ("ImageNet Large Scale Visual Recognition Challenge") lag die Fehlerrate eines neuronalen Netzes im Jahr 2015 erstmals unter der von menschlichen Testpersonen.
Auch in der medizinischen Diagnostik werden diese Verfahren mit wachsendem Erfolg eingesetzt. Vor einem Jahr wurde an der Stanford Universität in Kalifornien ein neuronales Netz zur optischen Erkennung von weißem und schwarzem Hautkrebs anhand von 130.000 Aufnahmen trainiert. Das System erzielte eine Vorhersagegenauigkeit, die der einer Referenzgruppe von 21 erfahrenen Dermatologen entsprach.
Aufnahmen von krankhaften Hautveränderungen (Bild: Nature, International Journal of Science, Feb 2017)
Mittlerweile hat KI seine Leistungsfähigkeit in zahlreichen weiteren Gebieten unter Beweis gestellt und die Liste von Erfolgsmeldungen wächst laufend. Eine bemerkenswerte neue Anwendung ist mittels KI generierte Musik. Das Komponieren musikalischer Werke gilt gemeinhin als Kunst und nicht Wissenschaft, wofür eher Kreativität als Verstand benötigt wird. Nun, es sieht so aus, als könnte sich diese Einstellung bald ändern. Im Forschungsprojekt DeepBach wurde ein neuronales Netz anhand von 400 Choralwerken von Johann Sebastian Bach trainiert. (Neue Bach-Choräle aus dem Computer,
Deutschlandfunk, 16.01.2017).
Die Ergebnisse sind beeindruckend: Das System ist in der Lage, vierstimmige Choräle im Stil von Bach aus dem Stand zu generieren. Um ehrlich zu sein: Trotz mehrjähriger Musikausbildung wäre ich nicht annähernd imstande, etwas Vergleichbares zu liefern.
Wo geht die Reise in der KI künftig hin? Nicht überraschend, gibt es dazu sehr konträre Meinungen. Die Technik-Optimisten glauben, dass die KI gerade erst begonnen hat, unsere Welt zu erobern. Was wir bis heute sehen, sei bestenfalls eine "schwache KI", die immer noch viele Trainingsdaten erfordert und sich gerade mal für sehr spezielle Aufgaben eignet. In Zukunft werden wir eine "starke KI" bekommen, die in der Lage ist, selbstständig zu lernen und vielfältige Tätigkeiten übernehmen kann. Einige Forscher erwarten sogar, dass solche Systeme selbst reflektieren können und sich ihrer eigenen Existenz bewusst sind. Das erinnert in verblüffender Weise an die naive Vorhersage der US Militärs im Jahr 1960 (siehe Artikel aus der New York Times weiter oben) – und man irrte sich damit gewaltig!
Vorsichtigere Experten gehen davon aus, dass die gegenwärtige KI-Euphorie ein ähnliches Schicksal erleiden wird wie in den beiden vorangegangenen Phasen. Die enorme Erwartungshaltung, die sich bei der KI aufgebaut hat, könnte in eine ähnlich große Enttäuschung münden. Das soll nicht heißen, dass die KI langfristig keine Erfolgsgeschichte sein wird. Für die nahe Zukunft aber mag es eine gute Idee sein, sich darauf vorzubereiten, was wir bereits früher erlebt haben: nämlich dass KI wieder einmal in einen Dornröschenschlaf fällt.
Wo geht die Reise in der KI hin?
Prognosen sind bekanntlich schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. So überrascht es auch nicht, dass es dazu sehr konträre Meinungen. gibt. Die Technik-Optimisten glauben, dass die KI gerade erst begonnen hat, unsere Welt zu erobern. Was wir bis heute sehen, sei bestenfalls eine "schwache KI", die immer noch viele Trainingsdaten erfordert und sich gerade mal für sehr spezielle Aufgaben eignet. In Zukunft werden wir eine "starke KI" bekommen, die in der Lage ist, selbstständig zu lernen und vielfältige Tätigkeiten übernehmen kann. Einige Forscher erwarten sogar, dass solche Systeme selbst reflektieren können und sich ihrer eigenen Existenz bewusst sind. Das erinnert in verblüffender Weise an die naive Vorhersage der US Militärs im Jahr 1960 (siehe Artikel aus der New York Times weiter oben) – und man irrte sich damit gewaltig!
Vorsichtigere Experten gehen davon aus, dass die gegenwärtige KI-Euphorie ein ähnliches Schicksal erleiden wird wie in den beiden vorangegangenen Phasen. Die enorme Erwartungshaltung, die sich bei der KI aufgebaut hat, könnte in eine ähnlich große Enttäuschung münden. Das soll nicht heißen, dass die KI langfristig keine Erfolgsgeschichte sein wird. Für die nahe Zukunft aber mag es eine gute Idee sein, sich darauf vorzubereiten, was wir bereits früher erlebt haben: nämlich dass KI wieder einmal in einen Dornröschenschlaf fällt.