Lakeside Burghotel Strausberg: Kritik von "Der Zinker" – Matti Wien
Das Berliner Kriminal Theater präsentiert Open-Air einen Klassiker von Edgar Wallace. Im Amphitheater kann man eine neue Version miterleben.Das Ensemble beim Tanz (Bild: © Berliner Kriminal Theater)
Die Presse wird aktiv
Das Bühnenbild ist schlicht und spartanisch, auf einer geteilten rot-weißen Wand steht in großen Buchstaben "Scotland Yard", daneben eine ebenfalls rote Telefonzelle, an der sich vor allem der Reporter Joshua Harras (Gert Melzer) zu schaffen macht, der nach Art eines Detektivs zugleich Aufklärungsarbeiten zu leisten sucht. Die Macht der Presse ist nicht unerheblich, doch in diesem Stück wird ihr zu viel Gewicht beigelegt, als sei die Presse ein Kollaborateur der Polizei. Bezeichnend ist, dass der in Mehrfachrollen agierende Oliver Gabbert als Zeitungsjunge immer wieder die neuesten Meldungen über den Zinker anpreist. Das Schlangengeschäft aus dem Original wurde durch ein Büro ersetzt, in dem der gerne delegierende Patriarch und Geschäftsführer Frank Sutton (Matti Wien) seinen Machtstandard auskostet. Die von Jutta Schröder gespielte Firmeninhaberin ist eine schrille, exaltierte Matrone und hat einige ansprechende Auftritte, bei der sie stellenweise den Hysterie-Modus erklimmt. Die Sekretärin Millie Trent ist lebensgierig und schwer einschätzbar: Maria Jany, die sich einige Extravaganzen herausnimmt, spielt sich wegen ihrer Souveränität locker in den Vordergrund, laut, wortgewaltig und affektiert. Kaum bodenständiger ist die Krimischreiberin Beryl Steadman (Jenny Löffler), die nach der Falsch-Inhaftierung von John Leslie (Max Gnant) ihre Gefühle notgedrungen auf den Ersatz Sutton konzentriert.
Marie Jany, Jenny Löffler
© Berliner Kriminal Theater
Das Netz zieht sich zu
Der mit dem Fall beauftragte Inspektor Elford (Mario Krüger), erst nach der Pause richtig zur Geltung kommend, nähert sich den vermuteten Verdächtigen prinzipiell mit einem militärischen Stechschritt. Doch hinter dieser rustikalen Attitüde lauern Kombinationslust und Cleverness, und so gelingen Krüger einige geistig erfrischende Szenen. Für die amüsant-trottelige Abteilung sorgt Tom Deininger, der sich als Kellner äußerst devot gebärdet und sich am Ende als Mitaufklärer entpuppt. Klar, das Netz um den Zinker spinnt sich immer enger, zumal er aufgrund geistiger Unzulänglichkeit seine eigenen Spuren hinterlassen hat. Am Ende wird der selbstverliebte, klebrige Sutton, der sich gerade anschickt, Beryl in einer Spontanaktion pompös zu heiraten, als Zinker entlarvt: Ein Kleinkapitalist arbeitet en passant im kriminellen Milieu – das ist durchaus aktualitätsbezogen. Der Regisseur Matti Wien, der sich im Gespräch heftig gegen die Behauptung ‚Boulevardtheater' wehrt, kann in der Inszenierung nicht blass anlaufen, weil seine für den Knast fällige Figur bereits clownesk weiß gefärbt ist. Ob das nun Boulevard ist oder nicht, lässt sich nicht genau feststellen. Jedenfalls liefert das Berliner Kriminal Theater eine flüssige Unterhaltung, die die alten Wallace-Filmerlebnisse in lebendiger Weise wieder auffrischt.
Der Zinker
von Edgar Wallace
für die Bühne bearbeitet von Maria Jany
Regisseur: Matti Wien, Ausstattung: Manfred Bitterlich.
Mit: Maria Jany, Mario Krüger, Jutta Schröder, Matti Wien, Max Gnant, Jenny Löffler, Gert Melzer, Tom Deininger, Oliver Gabbert.
Premiere war am 12.Juli 2015
Dauer: 2 Stunden, eine Pause
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)