4. Skizze – Metrostation Ledru Rollin in Paris, 12. Arrondissement.

Ich halte in einem einfachen Kaffee an, so wie man sie immer seltener findet, jene deren Dekor noch aus Zeiten von Doisneaus Schwarz-Weiß Fotos sein könnten.  Ich habe ein Rendezvous eine Straße weiter und bin eine gute halbe Stunde zu früh. Solche Momente sind sehr selten, das muss ich betonen. Das Kaffee riecht nicht mehr nach Rauch, so wie es vor ein paar Jahren noch der Fall war. Die Möbel und die Dekoration sehen abgenutzt aus. An der Theke steht kein Kunde, eine chinesische Frau verkauft ein paar Zigaretten oder Lottoscheine an Passanten. Ich warte einen Moment, denn ich muss mal auf die Toilette. Draußen ist schönes Wetter und ich möchte mich lieber dorthin setzen, denn auf der Terrasse kann ich rauchen. Ja, das Stück Bürgersteig mit Stühlen und winzigen Tischchen vor dem Kaffee nennt sich Terrasse.

Es gibt nur eine winzige Toilette mit einem Schild, das darauf hinweist, das dieser Ort sowie für Damen als auch für Herren vorgesehen ist. Ein asiatischer Herr zwängt sich aus der schmalen Tür hinaus, murmelt ein ‚Pardon‘, so wie das fast jeder beim unmittelbaren Vorbeigehen tut. Die Toilette ist nicht sauber, aber ich will nicht unter irgendwelchen drängenden Bedürfnissen beim Rendezvous erscheinen. Also – Augen zu und durch! Ich habe es mir in den vergangenen 16 Jahren abgewöhnt, zimperlich zu sein.  Da steht etwas auf die Tür mit schwarzen, wasserfesten Marker in einer gepflegten, weiblichen Schrift geschrieben: " Wir müssen jeden Tag Schritte tun, doch ist jeder Schritt nur wichtig, wenn er zu einem gewissen Ziel führt."  Etwa so, frei übersetzt. Es war so finster in diesem schmierigen Raum, ich konnte den Text mit meinem einfachen Handy nicht fotografieren und wollte mich dort auch nicht länger als unbedingt nötig aufhalten. Aber diese Zeilen lasen sich fast philosophisch, poetisch, nachdenklich. Ich kann mich an unanständige, manchmal obszöne Schmierereien auf Toiletten an Autobahnraststätten und in Schulen erinnern. Aber hier ist das anders…

Mein Cappuccino schmeckt köstlich, die Zigarette auch. Ich rauche doch so selten, alleine, ohne Kinder und Nichtraucher in der Nähe, mit einem Buch, einem Notizbuch,  fast nur zu besonderen Angelegenheiten, wie zum Beispiel diesen Moment, nachdem ich die anonymen Zeilen, einer nachdenklichen Person gelesen habe.

Wir werden alle älter, ob wir wollen oder nicht und suchen nach unserer öffentlichen Identität. Bei meiner Körpergröße ist dieses Unternehmen fast von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Eine dünne Frau, die lässig das ein Meter achtzig Limit sprengt, wird von vorneherein von Mitmenschen in Kategorien eingestuft, gegen die ich nichts habe, in denen ich mich aber nicht aufhalte, mit denen ich eigentlich nichts zu tun habe oder besser, die mir gleichgültig sind – Model, Tänzerin, Prostituierte, Transsexuelle, Homosexueller, bizarres Nachtwesen aus der Unterwelt der neuen Modebranche … öhm, nö, bin nur stolze Mama von zwei reizenden Mädchen, Zwillingen, die ich übrigens auf natürliche Weise empfangen habe, von meinem Ehemann, mit dem ich seit über 16 Jahren zusammen lebe – komisch nicht wahr? Aber so ist es – Prost!

... et Commercial Man? C'est qui?

Bonjour et bienvenue!


Mon axe de travail porte plus sur les émotions et les impressions un peu comme le peintre qui heure après h


eure ajoute, supprime, superpose des petites touches de couleur et de formes avec ses instruments.

...à partager avec vous!

Wer ist SteffEinhorn?

Lesen und Schreiben zum Zeitvertreib oder zum Entdecken und Formen von neuen oder alten Ideen? Fragen und Erinnerungen in Worte setzen und ihnen Farbe verleihen -

– warum nicht? Geschichten und Erlebtes vermischen sich mit Fantasie und Traum. 


Eine Entwicklung zum Menschlichen, eine Art auszudrücken, dass Träume nicht dazu da sind, vergessen zu werden. 

Mord bei Guy Moquet - 1. Skizze aus einem Tag in Paris

« Die Metrostation ist geschlossen, es kam dort zu einem c.r.i.m.e. », erklärte uns eine junge Frau. Jung, obwohl so jung war sie gar nicht mehr. Ihre kleine Tochter saß auf der blanken Mauer um den Metroeingang und sollte das buchstabierte Wort nicht verstehen. Crime, auf Deutsch: ein Verbrechen. Ok, ein paar Meter wurde eine Frau in einer Reiseagentur abgestochen …

Ein gefährliches Viertel, dort kann alles passieren – oder nichts. Einfach Glück gehabt, wenn man da ungeschoren durchgekommen ist. Die Leute unterhalten sich über dieses Verbrechen in der Nachbarschaft, beinahe so wie vor ein paar Tagen über die beißende Kälte. Ein paar Tage wird das anhalten, es wird zu neuen Vorfällen kommen und der Alltag geht weiter.

Ein Mann mittleren Alters und aufgedunsenen, bleichen Gesicht beobachtet uns, verfolgt uns, betrachtet mich herausfordernd.

"Sind Sie Journalisten?"

"Nein, und sie?", erwidert mein Mann zu meiner Seite.

"Nein, wäre ich gerne geworden, aber dazu habe ich keine Zeit gehabt, wegen der Arbeit … "

Blablabla – wird sind am Ort unserer Verabredung angekommen, schieben die Tür auf und rufen an.

"Ich mag keine Leute, die einen einfach auf der Straße anquatschen.", knurrt mein Mann.

"Sehen wir etwas wie Journalisten aus?"

"Das kann uns doch egal sein…"

Alles wird unwichtig, unsere eigentliche Verabredung ist nur eine Abhandlung, höflich, formvollendet, eine alte, längst abgekühlte Geschichte wird beendet. Wir reden von einer möglichen Einladung zu einem Diner bei uns zu Hause, dabei spüren wir alle drei die allgegenwärtige Müdigkeit des Tages oder unserer Jahre, wer kann das so genau schon sagen?

 Paris ist voll geworden, Menschen überall, neben dir, hinter dir, vor dir, man muss Acht geben, nicht auf die Fersen anderer zu treten, sich entschieden einen Weg bahnen, im Rhythmus zischender Kopfhörer anderer. Das Paris, welches wir auf den Fotos von Doisneau bewundern können, diese Idylle scheint endgültig überwunden zu sein.

 Wie fühle ich mich an diesen Tag?

Verraten, genutzt für Begebenheiten, für die ich wohl über ein gewisses Talent verfüge, doch für die ich keine Anerkennung habe. Ich erinnere mich an eine stinkreiche Kundin von mir, die sich immer freute, wenn ich sie anrief und mit ihr plauderte. Ich war ihre Lieblingsverkäuferin. Mit mir war sie in der Lage, an einem Nachmittag drei Mal mein Monatsgehalt für modische Klamotten auszugeben. Nur weil ich über die Gabe verfüge, ihr die Sachen zu finden, die wenigstens einmal tragen wird. Jeder Fummel bekam von mir eine kleine maßgeschneiderte Geschichte in der Intimität der luxuriösen Umkleidekabine, mit der sie sich identifizieren konnte – eine merkwürdige Verkaufsstrategie, aber die kann mir keiner meiner Kollegen nachmachen.

Für mich war sie eine angenehme Kundin, amüsant, nett, gar nicht so dumm, unwesentlich älter als ich.

Eines Tages nannte sie mich ihre Freundin. Warum sie das getan hat, habe ich bis heute nicht begriffen.

Als ich krank war, konnte sie mich nicht besuchen, weil ich zu weit weg wohne.

Seit ich nicht mehr in Paris arbeite, ruft sie mich auf meine Anrufe hin nicht mehr an – komische Freundin…

Ich begreife meine Welt nicht, je mehr ich sie mit offenen Augen beobachte, desto unverständlicher erscheint sie mir.

Ein Wort zum Beispiel: Menschenrechte, ein tolles Wort, doch was für eine Bedeutung beinhaltet dies eigentlich?

Man könnte meinen, heutzutage, wo alles vermarktbar werden soll, sind solche Rechte unwillkürlich an das Einkommen, das Vermögen, die Anerkennung jedes Menschen gebunden. Wie eine Rechnung – je wohlhabender, desto mehr Menschenrecht.

Denn jemand, dessen Einkommen gesichert sind, die Wohnung, das Haus bezahlt, das Vermögen vorhanden, braucht nicht auf daher gelaufene Menschen Acht zu geben. Ihm sind deren Talente oder Ideen völlig gleichgültig. Er hat seine Freunde, ebenso mächtig und einflussreich wie er (oder sie), mit denen kann er sich austauschen und seine Projekte realisieren – nichts einfacher als das.

Doch die anderen, die schweigende Masse, die sich nicht richtig ausdrücken kann, der man nicht zuhört, klammern sich an jeden noch so winzigen Hoffnungsschimmer, regelrechte Schimären, komischen Wesen, unbegreiflich, bereit die absurdesten Lügengeschichten überhaupt zusammen zu spinnen, alles für ein offenes Ohr. Denn bei mittellosen Menschen ist Güte, Wohlwollen und Vertrauen noch gratis geblieben, weil sie einfach nicht über die Möglichkeit verfügen, sich selbst zu vermarkten.

Was für eine Zeitverschwendung, was für eine Verschwendung menschlicher Energie.

 

 P.S. In den Nachrichten am Abend im Fernsehen erkannten mein Mann und ich den umangenehmen Ansprecher in der Nähe von Guy Moquet wieder – ein hohes Tier der Pariser Kriminalpolizei, der hat uns wohl tatsächlich für Journalisten gehalten … 

Rotwein zu Mittag macht mich schrecklich müde - 2. Skizze aus Paris

Was einem in einer merkwürdigen Stadt wie Paris widerfahren kann, eine Stadt, die sich ständig verändert und dennoch sie selbst bleibt. Oh, das hört sich ja fast wie eine menschliche Qualität an!

Wir brauchten nur die Metro Linie 1 zu nehmen und schon hatte ich wieder meine besondere Begebenheit. Zu diesem Zeitpunkt des Tages war die Luft wohl besonders kreativ geladen, gegen Mittag, die ersten denken schon ans Essen, andere arbeiten noch, Touristen sind ohnehin in ihrem Tagesablauf gestört.  Die Metro ist vollgeladen mit Menschen, unwillkürlich weichen wir der geöffneten Tür aus und wenden  uns der nächsten zu, denn dahinter wird Musik gespielt und zwei leicht bekleidete junge Männer führen sich merkwürdig auf. Künstler eben. Sie tragen schwarze Shortys mit dem Metroplan als Muster abgedruckt, schwarze Tanktops und einen gelockerten Schlips. Offenbar haben die beiden eine Art von Striptease vorgeführt. Junge Schauspieler, deren die Aufträge fernbleiben und die Geld brauchen. Also ziehen sie sich vor den Leuten in der Metro aus. Im Vergleich zu den üblichen, schlecht riechenden Bettlern haben die beiden mehr Erfolg. Die Leute geben bereitwillig ein paar Münzen. Mit fällt ein dick eingemummter Mann auf, schwarzer Mantel, schwarze Hut, schwarzer Bart, auf seiner Wange thront der Name ‚Fabienne‘ mit dunkelblauer Tinte tätowiert, er gibt den Künstlern auch etwas.

 Die Metro hält und die leichtbekleideten Jungs steigen aus, um sich wieder anzuziehen. Einer von den beiden steigt auf die roten Plastiksitze, die vor Jahren die bequemen Bänke abgelöst haben und tanzt beinahe anmutig, verzweifelt, beinahe komisch. Auf einem Werbeplakat hinter ihm eine einfach Zeichnung von einer schwangeren Frau, mit einem Herzchen auf ihren dicken Bauch, darunter steht mit ungewöhnlich sauberer Schrift geschrieben: Melinda t'aime aussi, Papa.( Melinda ist wahrscheinlich der Name des zukünftigen Babys… )

 Eine Liebeserklärung auf einem Werbeplakat, zwei moderne Gaukler, provokant und verloren in der Masse eilender Menschen.

 Mein Mann und ich finden uns bei einem Freund ein, schleppen den ganzen Tag schon den schweren Kasten mit einer Gitarre drin mit uns herum, weichen Menschen damit aus und geben Acht, nirgendwo anzustoßen.

Er soll mit drei verschiedenen Mikrophonen singen und anschließend seine Meinung über die Tonqualität abgeben, dabei wird er gefilmt. Das soll auf die Webseite vom Anbieter des Materials kommen, sein Foto und Lebenslauf in den entsprechenden Katalog als Beweis für die gute Qualität der Dinger (-glücklicherweise sind die wirklich gut-), als Entschädigung bekommt er selbst Material, welches er sich aussuchen kann. Nach den Aufnahmen gehen wir mit der gesamten Bande zu Mittag essen. Der Geschäftsmann lädt alle ein, in einem richtigen Pariser Restaurant, eng, rot angestrichene Wände, laut und voll. Es gibt Ente, Rindfleisch, Hamburger und Rotwein. Wir haben Übung damit, uns in solchen beengten Räumen aufzuhalten. Jeder gibt seine Anekdoten zum Besten, es wird laut gelacht und der Wein schmeckt herrlich.

 Am Nachmittag erfahre ich, dass ich einen neuen Job bekommen kann – nur dass ich mit dem fast halb soviel verdiene wie vor etwa zwei Jahren. Sarkozy droht damit, dass alle Geschäfte jeden Sonntag aufbleiben können, was natürlich nicht mehr doppelt bezahlt wird, wie früher. Doch alles ist teurer geworden, allein die Gas und Strompreise sind um 30% im letzten Jahr angestiegen. Welche Wahl haben wir? Das Land verlassen? Unser Haus verkaufen?

Ich fühle mich müde, dabei bin ich davon überzeugt, dass ein Ernährungsjob ertragbar sein kann, wenn man eine Idee von dem hat, was man künstlerisch leisten kann.

Doch damit auch noch Geld verdienen zu wollen, ist wohl ein absoluter Wunschtraum, wieder eine Schimäre. Das Geschäft überlassen wir eben anderen, ich schrieb bereits davon…

 Bescheidenheit, Zufriedenheit, Wohlbefinden, mehr für weniger arbeiten, dabei seine Kinder alleine lassen – nun ja.

 Alles im allen war dies ein guter Tag, interessant, kreativ, berührend, bewegend, wahr und wirklich, konkret. Ich freue mich allein an der Tatsache, meinen Mann zwischen den anderen Künstlern anerkannt und aufgenommen zu sehen. ‚Comme un poisson dans l'eau.‘ Wie ein Fisch im Wasser. Niemand braucht zu wissen, dass wir mit schlechten Gewissen wieder in sein Büro verkriechen, ich mich um unsere Internetpräsenz kümmer und er sich mit seinem Ernährungsjob als kaufmännische Fachkraft beschäftig.

 C'est la vie.

3.Skizze Illusionen – Irritationen - Oder: wie man mit Kräutertee trotzdem vorwärts kommt

Zu schreiben,  wie man mit Kräutertee seine Ziele erreicht, wäre verfrüht, denn ich mag nun mal Tatsachen, Dinge, die geschafft wurden und existieren, alles andere ist nur Wind und kaum erwähnenswert.

Nun ja, ich erinnere mich an eine ehemalige Arbeitskollegin, die mir zeitweise das Leben als Verkäuferin bei Gucci zur Hölle machte, denn sie war sehr eingenommen von ihrer Person. Sie war bestimmt zwanzig Jahre älter als ich und bildete sich viel auf ihre wertvolle Erziehung in einem Schweizer Internat ein. Angeblich käme sie aus gutem Hause, für sie war es nur natürlich, zum Sommerschlussverkauf bei Dior sich etwas zu gönnen, die Sonntag in ihrem Häuschen bei Deauville zu verbringen, eine Putzfrau von ihren Eltern bezahlt zu bekommen, jede Woche zur Maniküre zu gehen und sich frisieren zu lassen.

Neben so einer Glitzerwitwe konnte man sich nur erbärmlich fühlen (-ihr Mann war nämlich an einem Herzinfarkt gestorben-). Aber ich habe nie begriffen, warum sie es nie weiter gebracht hatte als eine Verkäuferin bei Gucci? Mit dem Elternhaus, den Ansprüchen und den Verbindungen.

Wahrscheinlich war da auch allerhand Schwindel dabei, wieder ein Trugbild!

Wenn wir jungen Dinger mal übel drauf waren, gab sie uns gutgemeinte Ratschläge, wir sollten uns doch mal was Teures gönnen, oder uns von einem reichen Mann zum Mittagessen in einem schicken Restaurant einladen lassen.

Unser Gehalt brauchten Verkäuferinnen wie ich zum Bezahlen unserer Mieten und unseres Unterhalts, nicht für die neuste Handtasche.

"Dein Mann sollte dich mal ausführen, damit du auf andere Gedanken kommst.", meinte sie.

Doch ich dachte im Traum nicht daran, auch nur ein Wort darüber zu verlieren, wie mein Mann und ich unsere freien Tage verbrachten. Er am komponieren und aufnehmen von neuen Liedern und ich am Schreiben auf einer veralteten Schreibmaschine oder in Hefte, denn das Geld für einen Computer hatte ich einfach noch nicht zusammen. Es wurde erst einmal für eine Waschmaschine gespart.

Und abends machten wir uns Kräutertee, während mein Nagellack trocknete, damit ich wenigstens etwas Glänzendes an mir hatte in meiner schwarzen Uniform als Verkäuferin in diesem Luxusladen.

 Manchmal fand ich meine Lage schon sehr deprimierend. Andere junge Frauen in meinem Alter schienen sich viel mehr zu amüsieren, gaben ihr Geld aus, ohne darüber nachzudenken, weil Eltern oder Boyfriend für den Rest sorgten.

Doch wie eigensinnig und ergriffen ich trotz allem von meinen Träumen war und bin, hat sich gezeigt, indem ich einfach Schritt für Schritt weiter gegangen bin.

Ein paar Jahre später rief mich die glitzernde Superfrau mal auf meinem Handy an. Ich war gerade in einem Hypermarché, einem Riesensupermarkt, wie das hierzulande üblich ist, Auchan, Porte de Bagnolet,  um genau zu sein, denn dort gab es günstige Windelpakete und Sonderangebote für Babykost mit einer Kundentreuekarte. Dienstagabend gab es zusätzlich 10% Preiserlassung auf diverse Produkte, das ermöglichte mir die Lieferung des Rieseneinkaufs in unsere 50 Quadratmeter Wohnung im vierten Stock (ohne Aufzug!). Denn mittlerweile waren wir Eltern geworden, mein Mann und ich arrangierten unser Leben neu um unsere Zwillingstöcher. ‚Les petites Soleils‘ – Die kleinen Sonnen, so nannten wir unsere Babys…

Der Grund des Anrufs meiner ehemaligen Arbeitskollegin war eine Frage, ob ich nicht für sie am Arbeitsgericht aussagen wollte, denn nach der 11. September Krise sind einige Elemente aus dem Team gefeuert worden. Der Umsatz war mit den ausbleibenden Touristen drastisch runter gegangen, so entledigte man sich allen unangenehmen Personen, die wenig einbrachten – Glitzerweibchen gehörte dazu. Sie hielt mich für doof genug, gegen meinen Arbeitgeber etwas Falsches auszusagen, damit sie Geld damit verdienen könnte … tolle Vorstellung.

Höflich und seifig, so wie das hier üblich ist, habe ich diese Geschichte im Sand verlaufen lassen, sie hatte ihren Prozess verloren und ich habe nie wieder von ihr gehört. Ähnlich eine andere Kollegin, die nie am Samstag arbeiten wollte, weil sie zwei Pferde besaß und an Reitturnieren teilnahm. Jetzt sind sie ja arbeitslos und können von den Vermögen ihrer Familien oder angeheirateten Männer zehren.

Mein Mann und ich, wir gehen unseren Weg mit unseren Töchtern weiter, unbeirrbar und idealistisch. Unsere enge Wohnung im 20. Arrondissement haben wir gegen ein altes Haus mit dicken Mauern in der Gegend von Fontainebleau eingetauscht. Wie so viele andere Pariser Familien auf der Suche nach den eigenen vier Wänden. Egal, irgendwie verfolgen wir unsere Träume, lassen Lieder, Melodien, Geschichten, Legenden, Abenteuer existieren, verdienen Pfennige daran und traben weiter hin zu unseren Ernährungsjobs. Verkaufen, lächeln, gut drauf sein, Umsatz machen, leben.

Trugbilder lassen wir lieber hinter uns, doch ich erinnere mich gerne an sie, um sie nicht zu vergessen.

Auch erinnere ich mich an einen Traum von mir als junges Mädchen bei einem Konzert von Angelo Branduardi in der Frankfurter Oper. Ich sagte zu mir, ich wollte mit einem Künstler leben, einem Musiker, und selber schreiben.

Naja, so ist es schließlich auch gekommen. 

Ein paar Zeilen für das Buch 'Blutschwert'

"Claudia lebt alleine und zurückgezogen mit ihrem achtjährigen Jungen Klaus in einer kleinen Stadt in der Gegend von Fontainebleau. Nach dem Tod ihres Ehemannes, einem idealistischen Fotoreporter, hält die junge Frau sich weitgehend fern vom allgemeinen Geschehen der Welt. Sie bevorzugt einsame, ausgiebige Spaziergänge in einem sagenumwobenen, geheimnisvollen Wald. Doch als sie an einem Nachmittag eine völlig unerwartete, beängstigende Begegnung in der wilden Natur machen muss, fragt sie sich selbst: wie unvorsichtig sie ist, sich allein als Frau an so einem verlassenen Ort aufzuhalten? Ihre neue Bekanntschaft veranlasst sie, völlig unvernünftige Entscheidungen zu treffen, ihre Freunde zu belügen, aus Wissbegierde oder Vorahnung auf etwas Unerklärliches. Doch jedes weitere Abenteuer verlangt einen hohen Preis, den ihr neuer Verbündeter zu zahlen bereit ist. Ich widme dieses Buch meinem geliebten Ehemann Jean-Luc und allen grauen Mäusen, die ihre geheimen Träume, vielleicht sogar ihre lebenswerten Momente hinter Notlügen verbergen, um nicht ausgelacht oder verachtet zu werden."


Wie kam ich auf eine Geschichte wie ‘Blutschwert'?
Zu mal die Idee bei einem Spaziergang im Wald von Fontainebleau mit meinen Töchtern
wuchs.
Ich hatte mir kurz davor zum wiederholten Male den Film ‚Solomon Kane‘ angeschaut,
wobei mir aufgefallen war, dass diese Story gut aufgebaut und durchdacht war. Nichts
einfacher als mal wieder die alten originalen Geschichten aufzugreifen…
Bekannte meinten damals, weil ich Fan von Robert E. Howard bin, müsste ich ähnliche Geschichten schreiben, doch die Werke eines Meisters zu lesen, bedeuten noch lange nicht, zwangsläufig versuchen, ihn kopieren zu wollen.
Aber die Ideen hinter seinen Geschichten berührten mich. Ein dunkler, einsamer Krieger,
brutal, der unzähligen Männern das Leben nahm und sich bewusst ist, dass sein eigenes
Leben nicht mehr viel wert ist. Er nimmt all die Qualen und Gefahren auf sich, um
eine Idee von Unschuld zu retten – Meredith, ein völlig unverdorbenes Mädchen, noch
keine Frau und doch voll Vertrauen in das Leben.
Gut, einfach herrlich.
Aber was ist mit uns?
Unserem normalen Leben?
Bei meinem Waldspaziergang versuchte ich mir die Welt aus einer anderen, vergangenen
Zeit vorzustellen, wild, gefährlich. Dort hätte ich nicht ohne weiteres mit meinen
Töchtern spazieren gehen können, denn sogar heute ist Wachsamkeit und Vorsicht angeraten.
Wie würde ein Mensch von heute auf eine Begegnung mit einem ‚Unhold von damals‘
reagieren?
Meiner Meinung nach überhaupt nicht komisch oder amüsant, wie es in den meisten
Filmen oder Geschichten mit Zeitreisen beschrieben wird.
Im Gegenteil, ich denke, die potenzielle Gefahr eines vollbewaffneten Auftragsmörder
aus einer Zeit wie dem Hundertjährigen Krieg, zum Beispiel, würde selbst unsereins augenblicklich
klar werden.
Erst wollte ich die Begegnung einer Familie mit Ottmar erzählen, doch ich entschied
mich rasch, die Kinder erst einmal aus dem Spiel zu lassen, da mir die Situation zu gefährlich
erschien. Außerdem war mir wichtig, dass die Person von heute alleine ihre
Entscheidungen trifft, denn jeder verhält sich anders, alleine oder in Begleitung.
Oft werde ich dafür belächelt, weil ich ‚nur‘ Liebesgeschichten schreibe. Aber wahrscheinlich
ist mir das wichtig, weil die meisten Liebesgeschichten, die ich gelesen oder
gesehen habe, irgendwo im Ablauf der Handlung hängen bleiben, für mich unlogisch
sind, oder irgendwelchen heuchlerischen, puritanischen Regeln folgen – was weiß ich.
Allein die Idee, ein Superheld begegnet einer Superfrau, sie finden einander toll und es
passiert – nichts. Sehr witzig! Ich sehe ein, dass solche Begebenheiten natürlich nicht in
jede Geschichte passen. Die Charaktere der verschiedensten Helden sind auch oft zu
kompliziert, sei es in Geschichten aus heutiger Zeit oder im fantastischen Bereich.
Mir gefiel die Idee, dass zwei Menschen aus so entfernten Epochen sich eigentlich nicht
verstehen können, es sei denn sie legen die festgefahrenen Regeln ihrer Gesellschaft,
ihres normalen Umfeldes ab. Ich denke, in so einer Situation bleibt ihnen nichts anderes
übrig.
Um der Geschichte mehr Tiefe zu geben, musste ich mir eine Vorgeschichte von Claudia
ausdenken, deutlich machen, dass sie sich von der Normalität des alltäglichen Wahnsinns
so weit wie möglich zurück hält. Daher ihr nachdenklicher Moment beim Warten
an der Kasse im Supermarkt. In gewisser Weise hat sie auch eine Art von Unschuld und
einen Glauben an das Leben und die Menschen nicht aufgegeben, denn sie schenkt einer
Unbekannten ein Lächeln, welche ihr es nicht erwidert.
Ottmar ist ein Mann, sein Leben ist zum Tode verurteilt und er akzeptiert diese Tatsache.
Vieles kann er nicht verstehen und ich denke, er ist im Grunde nicht in der Lage, in
unserer Gesellschaft zu leben. Aber er sieht Dinge, die wir gerne übersehen, oder nicht
wahrhaben wollen. Zum Beispiel erkennt er in Christoph sofort einen möglichen Rivalen
bezüglich dieser sonderbaren Frau. Weder Christoph noch Claudia scheinen sich darüber
im Klaren zu sein … so läuft es heutzutage doch oft zwischen Menschen oder? Auf
diese Weise können sich unausgesprochene Situationen über Jahre ziehen und in Vorwürfen
und Unverständnis enden.
Helden haben diese Probleme wenigstens nicht.
Ich hoffe, ich enttäusche meine geduldigen Leser mit dieser recht einfachen Geschichte
(nur eine Liebesgeschichte) nicht, selbst wenn ich mich dazu bekenne, dass die Figur
Solomon Kane der Auslöser dieser Idee war.
Vielleicht gibt es noch andere mutige Schreiber, die sich von Werken alter Meister beeinflussen
lassen, und sich das Gedankenspiel erlauben, was wäre wenn – ich eine Geschichte
auf meine Art und Weise erzähle?


_________________Leseprobe__________________________

 

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