Pointenschlacht und blasses Blümchen

Gleich zu Beginn verfolgt das Publikum einen eindeutigen SMS-Chat zwischen Nathalie und Oliver, Julias Mann. Die beiden haben ein Verhältnis. Und Nathalie zumindest ein schlechtes Gewissen Ihrer Freundin gegenüber. Schließlich ist es ihre beste Freundin. Andererseits hat sie sich ernsthaft in Oliver verliebt. Dennoch geht sie in die angesagte Bar in der Schanze und trifft sich mit ihren Freundinnen Julia und Birgit. Sie reden über Sex und Männer. Desillusioniert geben sie sich Weisheiten wie "Lieber viermal gestöhnt, als eine Nacht lang reden" hin. Dabei ist Birgits Mann eigentlich prima, nur kann er ihren Kinderwunsch nicht erfüllen. Die Affäre mit Blowing Bärbel hat sie ihm dafür längst verziehen.

Ex-Blümchen Jasmin Wagner spielt diese abgeklärte, kühl wirkende Birgit. Sie klagt darüber, dass sie einen BMI von 22 niemals erreichen wird. Sie jammert über Figurprobleme, die fürs Publikum unsichtbar bleiben, denn Jasmin Wagner hat eine durchaus schlanke und ansehnliche Figur. Sieht Regisseur Andreas Kaufmann das vielleicht anders? Hört er die zahlreichen falschen Betonungen Wagners nicht, oder führt er sie sogar genau dort hin? Tatsächlich scheint seine Protagonistin mit dem schnellen Schlagabtausch, den sich die drei Freundinnen liefern, überfordert. Emotionslos feuert sie ihre Texte ab. Laut ist sie dabei, deutlich spricht sie, aber ihre Figur bleibt ohne jegliche Konturen. Natürlich lebt von Kürthys Komödie vom Tempo, natürlich jagt eine vorhersehbare Pointe die nächste. Zeit für Gefühle und Kunstpausen, sollte man sich dabei dennoch nehmen. Dann könnten die "Liebeslügen" so spritzig wie ein Glas Prosecco sein. 

 

Treue ist auch keine Lösung

Julia hat einen vierjährigen Jungen, der sie voll im Griff hat, aber dafür ist ihre Ehe eingeschlafen. Caroline Kiesewetter spielt diese übermüdete, aber "untervögelte" Familienmutter mit hoher Authentizität und Leichtigkeit. Man glaubt ihr die gestresste Mutter, die permanent am Babyphone hängt.

Nathalie indes ist das Single-Dasein schon lange leid und will nach unzähligen Affären endlich einen Lebensabendbegleiter. Sie hätte da auch schon einen im Auge, dummerweise ist der verheiratet und hat einen kleinen Sohn… Statt über die neuesten Babybrei-Rezepte zu diskutieren, posiert sie lieber in bester Fifty-Shades-of-Grey-Marnier vor ihrem Lover. Und der bemerkt es noch nicht einmal. Beine spreizend und völlig unbekümmert erzählt sie ihren Freundinnen von ihren Männern, und wie gerne sie das alles gegen ein bisschen mehr braven Familienalltag eintauschen würde. Echte Emotionen bleiben aber auch bei ihr auf der Strecke.

Regisseur Andres Kaufmann täte gut daran, seinem Ensemble dahingehend etwas mehr Zeit zu geben. Viele Feinheiten gehen in dieser Pointenschlacht verloren und verlieren so häufig ihre Wirkung. Das eigentliche Drama, welches sich unter dem Mantel der Komödie versteckt, wird hier vollkommen überdeckt. Schade, denn von Kürthys Liebeslügen haben durchaus mehr Feuer, als man auf den ersten Blick meinen könnte.  Indes, nicht alles ist bei ihrem Text ganz stimmig. Beinahe zwei Stunden lang ergießt sich Birgit in ihrem Elend darüber, wie gerne sie doch Kinder hätte, es aber einfach nicht funktioniert. Um dann, fast aus Versehen, die Bombe platzen zu lassen: Sie ist schwanger.

"Liebeslügen oder Treue ist auch keine Lösung von Ildikó von Kürthy ist noch bis zum 20. April 2016 im Ernst Deutsch Theater Hamburg zu sehen. 

Laden ...
Fehler!