Alte Bekannte, ehrgeizige Michael Phelps-Nachahmer und "(k)nackige" Cristiano Ronaldos.

Es ist schon ein Phänomen, irgendwie. Eigentlich bin ich gar nicht so sehr darauf aus, im Schwimmbad Konversation mit anderen zu betreiben. Schließlich suche ich das Freibad auf, (manchmal widerwillig, weil das Wasser so verflixt kalt ist), um mich ein wenig sportlich zu betätigen, allenfalls um mich danach noch ein bisschen von der Sonne aufwärmen zu lassen. Aber nach Jahren mit immer den gleichen Liegenachbarn, deren Plätze mit zentimetergenauen, unsichtbaren Pflöcken abgesteckt sind (auch unserer), genieße ich es trotzdem, mal "Hallo" und "Wie geht's?" zu sagen und ein paar Worte mit dem ehemaligen Hausmeister des Gymnasiums oder den Eltern einer alten Schulfreundin zu wechseln. Wenn man sich übers Jahr außerhalb der Freibadsaison begegnet, ruft man sich immerhin mal kurz zu: "Wir sehen uns ja spätestens wieder im Freibad!"

 

Beinahe hätte es dieses Jahr nicht geklappt, denn das Bad hat - offenbar aufgrund wirtschaftlicher Krisen - rapide die Eintrittspreise erhöht. Meine Jahreskarte, die ich bisher ermäßigt erworben hatte, kostete mich schlappe € 50,--, und dabei benutze ich so gut wie nie die beiden gigantischen Rutschbahnen, den Volleyballplatz oder die Spielweise. Und nein, es gibt keinen Wellnessbereich.  Aber dennoch. Unser Schwimmbad ist was Besonderes. Nicht nur wegen der freundlichen Leute dort und dem Imbissbudenbesitzer, der auf Wunsch sogar Pommes ohne dieses scheußliche Geschmacksverstärkersalz zubereitet. Die gönne ich mir aber nur hin und wieder mal. Dummerweise befällt mich nach zwölf Bahnen im Olympiabecken regelmäßig ein solcher Heißhunger, dass ich mich zwingen muss, standhaft zu bleiben. Und das, obwohl ich kein Fritten-Fan bin.

Apropos Olympia: hier wäre ein kleiner Kritikpunkt angebracht: zwar heißt das große Becken so, aber muss es gleich bedeuten, dass sich jeder ehrgeizige Aspirant, der Googles besitzt und vielleicht noch einen Neoprenanzug, sämtliche Schwimmer über den Haufen mähen muss, ohne nach links, rechts oder geradeaus zu schauen? Merkwürdigerweise fällt mir diese Rücksichtslosigkeit dieses Jahr gerade bei Herren in reiferem Alter auf, und ich fühle mich an meinen sportiven, aber äußerst resoluten Opa erinnert, der bis über Achtzig schadenfroh die gemütlich vor sich hindümpelnden Wochenendschwimmer aus der Bahn geworfen hat.

Ich möchte doch nichts weiter als meine Bahnen ziehen, und das möglichst unbehelligt und nicht unter Wasser gedrückt und japsend vor Anstrengung, den Phelps-Kopien auszuweichen und dabei statt gute 600 Meter zwei halbe Weltreisen zurückzulegen. Meist hilft es nur, an den Rand zu hechten und zu warten, bis der pensionierte, aber passionierte Olympionike prustend, fontänenaufspritzend und um sich schlagend meine persönliche Ein-Meter-Zone hinter sich lässt, nicht ohne zuvor an meinen Fuß oder Ellenbogen zu grapschen.

 

Erstaunlicherweise immer noch ein Thema sind die aalglatt rasierten Jungs zwischen achtzehn und zwanzig, die wir letztes Jahr scherzhalber als Cristiano Ronaldos der Liegewiese bezeichnet haben und die sich allgemein als Latinos etabliert hatten, weil der rassige Latin Lover à la Antonio Banderas der Vergangenheit angehört. Ein bisschen Metrosexualiät muss schon erlaubt sein, auch für die Kleinen. Heuer tragen sie allerdings die Haare, die noch am Körper sein dürfen (also die auf dem Kopf) im Justin Bieber-Look. Da ich an dem außer seiner Frisur nichts wirklich kenne, ist es schwer, darüber Rückschlüsse zu ziehen. Aber sie reden immer noch in einem Slang, der entweder ein Revival erlebt oder einfach nicht kaputtzukriegen ist. "Ey, Alter, bring mir mal Pommes, aber nich' mehr ohne rotweiß, so ungeil, ey!" Überhaupt sprechen sie meist mit Ausrufezeichen oder ihrem Handy, wenn nicht gerade Ronaldo II respektive Justin II verfügbar ist. Meist treten sie nämlich in Rudeln als mehr oder weniger laute Alphamännchen auf, um ihre Bedeutsamkeit zu unterstreichen. Aber mir sind sie tatsächlich lieber als die Phelps-Rudel im Wasser - dort sieht man sie so gut wie nie, denn Schwimmen könnte ja die sorgsam in Form geföhnte Tolle ruinieren.

Zur Gefahr werden sie jedenfalls nicht. Aus dem Alter, in dem man mich mit einem "Ey du (wahlweise "Sie") wie wär's mit 'nem Kaffee?" und einer penibel rasierten Hühnerbrust beeindrucken kann, bin ich immerhin raus. Und jetzt gehe ich noch ein bisschen radeln. Auf der Straße ist mehr Platz als in einem Olympiabecken...

 

 

Sollten Männer sich überall rasieren?
Autor seit 13 Jahren
77 Seiten
Laden ...
Fehler!