Warum Märchen für Kinder so wichtig sind
Kinder brauchen Märchen, behaupten Pädagogen und Psychologen. Sie machen stark, machen Mut, machen selbstbewusst - und Märchen können noch viel mehr bewirken!Was ist ein "Märchen"?
Warum Märchen Kindern so gut tun - 10 überzeugende Argumente
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Das Erzählen oder Vorlesen bringt Kinder zur Ruhe und lässt sie gleichzeitig aufmerksam und konzentriert werden.
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Das Märchenerzählen schafft eine Atmosphäre der Sicherheit und Geborgenheit. Die Bindung zur Bezugsperson (Mama oder Papa, Großeltern oder Erzieher,...) wird gestärkt.
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Märchen zu hören ist gezielte Sprachförderung: Besonders die klare und bildhafte Sprache, die wir z.B. aus den Grimmschen Märchen kennen, eignet sich gut für Kinder.
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Märchen sind für Kinder erster wichtiger Kontakt zur Literatur.
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Durch Märchen lernen Kinder die Fähigkeit zur Abstraktion: Sie lernen wie man Unwahres von Wahrem unterscheidet. Besonders faszinierend sind Märchen für Kinder in der sogenannten "magischen Phase", der Vorschulzeit, in der die Kinder den Glauben an Zauber und Zauberwesen noch nicht abgelegt haben.
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Eine "Urkraft" schreibt man den Märchen zu, ein "Urvertrauen" erzeugen sie beim Kind: Schließlich sind Märchen unsere Verbindung zur Vergangenheit und zu den Vorfahren. Jede Kultur kennt Märchen und jede Kultur hat Märchen erzählt.
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Märchen sind "Mutmachgeschichten":Das Vorlesen oder freie Erzählen von Märchen regt die Fantasie an: Kinder können sich ihre eigenen inneren Bilder zur Geschichte machen.
- Märchen haben fast immer ein gutes Ende.
- Märchen zeigen wie man Ängste überwindet und Herausforderungen bewältigt.
- Märchen lehren, dass es Hilfe und auch Glücksfälle gibt, die einen weiterbringen können, wenn man es alleine nicht schafft.
- In Märchen werden Träume wahr und Wünsche erfüllen sich.
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Märchen helfen Kindern dabei, Probleme im Alltag besser zu bewältigen und Märchen regen zum Gespräch an: Über Märchen und Geschichten können Eltern auf sanfte und doch effektive Weise herausfinden, was ihr Kind bedrückt oder ihm Kummer macht.
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Die klare Symbolsprache der Märchen ist für Kinder gut zu verstehen und bietet ihnen eine sichere Orientierung: Held und Schurke, Gut und Böse, Träume und Wünsche, Ängste und Gefahren,...
Fazit der Experten: Märchen sind Lern- und Lebenshilfe für Kinder
Märchen sind heilsam für die Kinderpsyche.
Nach Kinderpsychologe Bruno Bettelheim sind Märchen für Kinder "die großen Tröster", besser als jeder Trost, den Erwachsene ihnen bieten könnten. Märchen, so Bettelheim, sind für Kinder vertrauenswürdig und überzeugend, weil sie mit dem kindlichen Weltbild übereinstimmen.(Bettelheims Theorien sind heute allerdings nicht ganz unumstritten.)
Neurobiologe Gerald Hüther bezeichnet Märchen als "Superdoping für Kindergehirne", denn Märchen aktivieren die emotionalen Zentren im Gehirn auf optimale Weise.
Die Pädagogin und professionelle Märchenerzählerin Sabine Lutkat schreibt: "Märchen vermitteln Hoffnung und Lebensmut, helfen bei der Persönlichkeitsentwicklung und bei Problemen, aber nur, wenn sie ohne moralischen Zeigefinger eingesetzt werden."
Gerne zitiert wird auch der Schriftsteller Johann Gottfried Herder: "Ein Kind, dem nie Märchen erzählt worden sind, wird ein Stück Feld in seinem Gemüt behalten, das in späteren Jahren nicht mehr angebaut werden kann."
Sind Märchen für Kinder zu grausam?
Dass viele Märchen für Kinder zu grausam sind, dieses Argument hört man immer wieder. Schon den Gebrüdern Grimm wurde im 19. Jahrhundert vorgeworfen, ihre "Kinder- und Hausmärchen" seien ganz und gar nicht kindgerecht.
In einem Artikel (PDF) der Märchenstiftung Mutabor heißt es:
Im Grimmschen Original von «Schneewittchen» wird die Stiefmutter gezwungen, in rot glühenden Eisenschuhen zu tanzen, bis sie tot umfällt. Im Märchen «Die Gänsemagd» wird eine betrügerische Kammerjungfer nackt ausgezogen und in ein Fass gesteckt, das innen mit spitzen Nägeln gespickt ist.
Für die nächste Ausgabe der Grimmschen Märchen mussten die beiden Brüder deshalb brisante Stellen entschärfen, die Märchen wurden "kinderfreundlicher".
In diesem informativen Artikel nehmen Märchenfachleute Stellung zur Frage: "Sind Märchen (zu) grausam?" (PDF)
Wie man das richtige Märchen auswählt
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Märchen eignen sich für Kinder etwa ab dem 4. Lebensjahr.
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Wichtig: Das Märchen sollte ein positives Ende haben und das Gut-Böse-Prinzip verdeutlichen - damit wird es für Kinder verständlich, weil es dem kindlichen Denken gleicht.
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Das Märchen sollte möglichst an einem Stück vorgelesen oder erzählt werden: Besonders bei spannenden Geschichten die Auflösung nicht verschieben.
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Das Märchen sollte zur Jahreszeit passen.
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Das Märchen sollte zur Stimmung des Kindes passen.
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Das Märchen kann zu einer Problemsituation passen, die das Kind gerade erlebt, sollte aber niemals "mit moralischem Zeigefinger" vorgelesen werden.
Wichtig: Die Atmosphäre muss stimmen
Wer Kindern Märchen vorliest oder erzählt, der sollte auf die Atmosphäre achten: Wichtig ist, dass Kinder sich beim Zuhören - vor allem bei "aufregenden" Geschichten - immer sicher und geborgen fühlen. Es sollte keine Angst entstehen.
Eine gute Idee ist es, aus dem Märchenerzählen ein ganz besonderes Erlebnis oder ein schönes Ritual zu machen.
In seinem Artikel zum Thema "Weshalb Kinder Märchen brauchen - Neurobiologische Argumente für den Erhalt einer Märchenerzählkultur" weist Hirnforscher Gerald Hüther darauf hin, dass technische Hilfsmittel wie DVD-Player oder Kassettenrekorder die Rolle des Erzählers nicht ersetzen können und sollten, denn sie können sich nur unzureichend auf die Gefühle der kleinen Zuhörer einstellen.
Der passive Medienkonsum verhindert auch, dass Kinder aktiv am Gestalten ihrer Welt mitwirken. Es ist wichtig, dass Kinder beim Zuhören ihre eigenen, ganz persönlichen Bilder zur Geschichte entwickeln können.
Ein schöner Nebeneffekt: Beim freien Erzählen entstehen immer wieder neue Varianten einer Märchengeschichte.
Man sollte nicht ungeduldig werden, wenn Kinder ihr Lieblingsmärchen immer wieder hören möchten: Wiederholung ist eine wichtige Lernmethode für Kinder, Wiederholung stärkt und macht sicher.
Eine Märchenecke einrichten
Wer die Möglichkeit hat, in der Wohnung eine kleine "Märchenecke" einzurichten, der kann den positiven Effekt des Märchenerzählens noch verstärken.
Dazu braucht man nicht viel:
- einen bequemen Teppich oder eine weiche Decke
- ein "Märchenzelt" (ein Moskitonetz ist eine günstige Alternative)
- eine "Märchenkerze" oder "Märchenlaterne"
Als originelle, schöne und pädagogisch wertvolle Geschenkidee eignet sich außerdem ein Gutschein für das "Geschichtenkino" - welches sich ganz leicht zum "Märchenkino" umgestalten lässt.
Bildquelle:
M. Steininger - Die Persönliche Note
(Die Gebrüder Grimm feiern Jubiläum: 200 Jahre Grimmsche Märchen)
M. Steininger - Die Persönliche Note
(15 Gründe, warum man Kindern mit Vorlesen so viel Gutes tun kann – ...)
M. Steininger - Die Persönliche Note
(Kinderbücher, die Kindern auch in 100 Jahren noch Spaß machen werden)