Mario Monicelli - Die Komödie der Tragik
Am 16. Mai 2015 wäre der italienische Filmregisseur Mario Monicelli, Meister der realistischen Komödie, 100 Jahre alt geworden.Anfänge
Den Eintritt in die Filmwelt ermöglichte Monicelli der Erfolg eines Amateurfilms auf 16 mm, den er mit dem Freund Amberto Mondadori gedreht hatte und der in Venedig den ersten Preis gewann: "I ragazzi della via Paal" (1935) nach dem Roman "Die Jungen von der Paulstraße" (1906) des Ungaren Ferenc Molnár. Das verschaffte ihm die Arbeit als Regieassistent eines echten Films. "Eine meiner ersten Aufgaben bestand darin, die Zigarette des Regisseurs anzuzünden und ihm aus seinem Mantel zu helfen", erzählte er darüber. Er war nicht in die Filmwelt hineingeboren worden, der Vater und die beiden Brüder waren Journalisten.
Monicelli arbeitete zunächst vor allem als Drehbuchautor, aber auch als Regisseur schrieb er weiter für andere. Die ersten großen Erfolge hatte er durch die Zusammenarbeit mit dem "Steno" genannten Stefano Vanzina, der in Deutschland durch seine Plattfuß-Filme mit Bud Spencer bekannt ist. Die beiden arbeiteten als Regie- und Drehbuch-Duo an den verschiedensten Genres, aber besonders bedeutsam wurden die Filme mit dem legendären Komiker Totò, dessen Filmfigur sie mehr in der Wirklichkeit verankerten, als man es von dessen bisherigen Filmen und vor allem von dessen Bühnenpräsenz her kannte. In "Räuber und Gendarm" ("Guardie e ladri", 1951) freundet Totò sich als Gauner mit einem von Aldo Fabrizi gespielten Polizisten an, der ihn eigentlich hinter Gitter bringen soll, doch die beiden entdecken, dass sie angesichts der sozialen Situation ihrer Familien eine Menge miteinander gemeinsam haben. Nach und nach gingen die Interessen von Steno und Monicelli auseinander: Steno, der eine Familie zu ernähren hatte, verschrieb sich der kommerziellen Komödie, Monicelli wollte mehr. Aber schon vorher hatte die Art des Films darüber entschieden, wer jeweils die direkte Arbeit auf dem Set übernahm. Monicellis erster eigener Film "Totò e Carolina" (1953) musste dann gleich knapp 35 Änderungen durch die Zensur über sich ergehen lassen und kam erst 1955 zur Uraufführung.
Mario Monicelli (Bild: torre.elena / Flickr)
Mario Monicelli (Bild: screenweek / Flickr)
Klassiker der Commedia all'italiana
Ende der 50er und Anfang der 60er entstanden einige von Monicellis besten Filmen, die auch als seine größten Klassikern gelten. "Diebe haben's schwer" ("Big Deal on Madonna Street", "I soliti ignoti", 1958) ist eine Parodie auf den perfekten Raub, wie er in Jules Dassins berühmtem Film "Rififi" ("Du Rififi chez les hommes", 1955) gezeigt wird. Der spanische Titel des Films ist passenderweise "Rufufú". Die kleinen Gauner, die sich mit allen halblegalen und illegalen Mitteln durchs Leben schlängeln und nicht einmal ein Auto klauen können, ohne im Gefängnis zu landen, wollen echte Professionelle sein und eine Wand zu einem Pfandladen durchbohren. Dabei landen sie aber nur in einer Küche, wo im Kühlschrank jedenfalls ein Braten wartet, an dem man sich satt essen kann.
In "Man nannte es den großen Krieg" ("La grande guerra", 1959) schickt Monicelli zwei Strolche in den Ersten Weltkrieg, die es schaffen, sich vor jeder Schlacht zu drücken, dann aber eher durch Zufall und unglückliche Umstände einen echten Heldentod sterben, von dem niemals jemand erfahren wird. Es handelt sich um einen Antikriegsfilm ohne laute Töne, gezeigt wird einfach der schmutzige und absurde Alltag der Soldaten. Und wenn sie dann in den Schützengräben sterben, haben sie nie erfahren, wofür eigentlich. Wenn es denn überhaupt einen Grund gab.
Gar keine Komödie ist "Die Peitsche im Genick ("The Organizer", "I Compagni", 1963) über streikende Arbeiter in Turin um 1889. Es geht um die Anfänge der Arbeiterbewegung in Italien, die Zaghaftigkeit mit der zu den Zeiten noch um eine Verringerung der Arbeitszeit von 14 auf 13 Stunden gekämpft wurde. Monicelli zeigt das demütige Verhalten gegenüber den Arbeitgebern. Doch durch einen dazustoßenden Sozialisten auf der Flucht vor der Polizei wird ein zielstrebigerer Weg gewiesen. Und auch wenn der Streik am Ende scheitert, ist ein Anfang gemacht, die jüngere Generation hat dazugelernt. Der Film zeichnet nicht nur sehr realistisch eine Epoche nach, er ist auch voller kleiner, ironischer Details, die die Figuren des Films aber nicht lächerlich, sondern nur menschlicher machen.
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Das Drehbuch als Zentrum
Für Monicelli waren die Story und das Drehbuch das Entscheidende. Und so konnte er in Perfektion mit großer Vorliebe seine Geschichten von Gruppen erzählen, die eine Unternehmung starten, die am Ende fehlschlägt. Auch von Familien mit ihren vielen Mitgliedern erzählte er gerne und gekonnt. Er hatte die Fähigkeit, Handlung und individuelle Charakterisierung im Gleichgewicht zu halten. Er selbst sagte, er könnte keinen Film ohne Drehbuch machen. Dabei waren die Drehbücher oft eine kollektive Angelegenheit, nicht das persönliche Werk eines Einzelnen. Man hatte sich ja schon Ende der 40er in den Bodegas getroffen, gemeinsam gearbeitet und Ideen ausgetauscht. Ein persönlicher, wiedererkennbarer visueller Stil war ebenfalls nie Monicellis Ziel, was allerdings nicht bedeutet, dass er nicht fähig war zu eleganten, aussagekräftigen oder ökonomischen Lösungen. Doch niemals zeigte er schöne, emotionale oder expressive Kameraeinstellungen um ihrer selbst willen. Dem Kollegen Pietro Germi warf er einmal dessen Einstellungen aus Untersicht mit dem Himmel im Hintergrund vor. Von Germi stammte dann das Drehbuch einer der bekanntesten Film Monicellis, "Ein irres Klassentreffen ("Amici mei", 1975), in dem alternde Männer in einem aussichtslos-heroischen Kampf gegen die Ödnis des Alltags und die Angst vor dem Tod nichts als dumme Streiche im Kopf haben. Germi selbst war für die Arbeit zu krank gewesen und starb kurz nach Beendigung der Aufnahmen.
Eine lange Karriere
Monicelli drehte im Laufe seiner Karriere etwa 60 Filme und schrieb an gut 90 Drehbüchern mit. Das bei solch einer Menge innerhalb einer kommerziellen Industrie nicht nur Meisterwerke entstanden, ist selbstverständlich. Aber immer war er sowohl ein Chronist der individuellen menschlichen Unzulänglichkeit als auch eines Italiens, dessen Demokratie von der extremen Linken und Rechten, wirtschaftlichen Problemen, der Mafia oder dem Vatikan bedroht war. Immer wieder spiegelt sich das soziale und politische Klima in Familiendarstellungen wieder. Unsentimental wird der Zerfall der bürgerlichen Familie gezeigt, ob in den ernsteren Literaturverfilmungen "Caro Michele" (1976) und "Un borghese piccolo piccolo" (1977), wo ein Vater den Mörder seines Sohnes zu Tode foltert, oder in einer bissigen Komödie wie "Stille Nacht, tödliche Nacht" ("Parenti spirenti", 1992), wo die Kinder eines alten Ehepaares ihre Eltern loswerden wollen, als diese bei einem von ihnen einziehen wollen. Ein neuer Gasofen soll die Sache richten, nachdem man in den Nachrichten gesehen, was für eine tödliche Explosion ein solcher auslösen kann. Monicelli drehte mit all den großen Schauspielern und Schauspielerinnen Italiens: Marcello Mastroianni, Alberto Sordi, Vittorio Gassman oder Anna Magnani, Sophia Loren, Monica Vitti. Doch war er vor allem ein Männerregisseur. 1985 allerdings entstand mit "Hoffen wir, dass es ein Mädchen wird" ("Speriamo che sia femmina", 1985) ein Film über eine fast rein weibliche Gruppe in einem toskanischen Landhaus, die gar keine Männer mehr braucht. Was ihn immer auszeichnete war, dass er die Ironie der Sentimentalität vorzog, aber bei aller Kritik und Satire an unhaltbaren sozialen Zuständen und menschlichen Schwächen nie in den Nihilismus oder Zynismus abglitt. "La rose del deserto", seinen letzten Spielfilm, drehte er 2006. Der Monicelli-Experte Lorenzo Codelli sieht in den drei Hauptfiguren dieses Films die drei Phasen im Leben Monicellis wiedergespiegelt: die satirische Vehemenz der 40er und 50er, die utopisch-reformerische der 60er bis 80er und schließlich die soziale und moralische Desillusion ab den 90ern.
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Mario Monicelli (Bild: torre.elena / Flickr)