Markthalle IX in Berlin-Kreuzberg - Eindrücke
Markthalle IX in Berlin-Kreuzberg: was ist das für ein Ort? Lohnt sich ein Ausflug? Wir haben den Wochenmarkt besucht und wurden überrascht von Vielfalt, Qualität und Originalität.Warum ein Besuch in der alten Markthalle?
Der Sender RBB brachte einen Beitrag über diese Markthalle und wir dachten: "Da sollte man mal hin!" Schließlich faszinierten uns schon zahlreiche Markthallen in Lissabon, Porto, Madeira und andernorts. Und die vor der eigenen Haustür kennen wir nicht? Das geht nicht und sollte sich ändern. Also besuchten wir die Kreuzberger Markthalle am Sonnabend, den 2.März 2014, an einem ganz normalen Markttag und wurden mit kulinarischen Kostbarkeiten und einem Treiben belohnt, dessen Flair ansteckend ist und gute Laune macht.
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Zur Geschichte der Markthalle IX
Schon zuvor stöberte ich im Internet und konnte auf der Webseite zur Halle (markthalleneun.de) interessante Infos finden. 120 Jahre alt ist das denkmalgeschützte Gebäude. Rund 300 Marktstände fanden Platz in der Halle, was bedeutet, dass etwa drei bis fünf Wochenmärkte gleichzeitig an einem Ort und noch dazu wetterunabhängig, also überdacht stattfinden konnten. Genau 3296 Quadratmeter standen zur Eröffnung im Jahr 1891 zur Verfügung. Die Halle überlebte beide Weltkriege, wobei im Zweiten Weltkrieg die Fenster zum Schutz einen schwarzen Anstrich erhielten. Die ersten Jahre nach dem Krieg waren nicht leicht. Lebensmittelkarten und reges Markttreiben passen nicht zusammen. Schwarzhandel wurde betrieben. Mit dem Wiedererwachen der Wirtschaft und weiteren Friedensjahren entwickelte sich hier jedoch erneut ein Treffpunkt im Kiez, der gerne besucht wurde, bis 1971 Aldi einen Teil der Marktfläche übernahm. Neben Aldi folgten Drospa und zuletzt KIK. Immer mehr Händler zogen sich zurück. Als die Stadt die Halle zum Verkauf anbot, drohte deren Abriss und an gleicher Stelle der Neubau eines Einkaufszentrums. Die Kreuzberger waren sich offensichtlich einig: "Das brauchen wir nicht!" Ein solches hätte uns bestimmt nicht dazu verlockt, in die Eisenbahnstraße in Kreuzberg zu pilgern. Der jetzige Markt dagegen lohnt die Anreise und ist zu empfehlen.
Der Haupteingang zur Markthalle (Bild: Heike Nedo)
Drei rührige Betreiber bringen Leben unters Dach
Der Abriss des Gebäudes konnte verhindert werden. Drei Initiatoren begannen, Unterschriften zur Unterstützung ihres eigenen Konzeptes zur Wiederbelebung des Markttreibens zu sammeln. Sie fanden Zuspruch in Kreuzberg, bei den Bürgern und auch beim Senat. Dieser entschied sich nicht für den Meistbietenden, sondern für das bessere Konzept. Nach der notwendigen Sanierung wurde im Oktober 2011 die alte Eisenbahnhalle wieder eingeweiht. Aldi und KIK sind immer noch vorhanden, doch die verbleibenden 2850 Quadratmeter stehen wieder regionalen Händlern und Anbietern von Besonderheiten für den feinen Gaumen zur Verfügung. Jeden Freitag und Sonnabend findet ein normaler Markttag statt. Immer Donnerstags, von 17 bis 22 Uhr lädt der "Street Food Thursday" ein, sich von kreativen Köchen aus aller Welt verlocken zu lassen. Regelmäßig gibt es einen Naschmarkt für alle, die Süßes lieben. Eine Kinderkochschule und weitere Veranstaltungen beleben den großen Raum. Kantine, Bäcker und ein Café sind inzwischen täglich vor Ort. Doch wie normal ist das Markttreiben in der Halle?
Edelprodukte, Biolebensmittel und internationale Köstlichkeiten verlocken
Wir hatten einen Markt mit zahlreichen Obst- und Gemüseständen erwartet und staunten, dass diese zwar vorhanden aber lange nicht dominierend waren. Im Februar ist das regionale Angebot an frischen Produkten doch eher bescheiden. Dafür pilgerten wir an Ständen vorbei, die Internationales, Exclusives und vor allem Biologisches aus der Region und aller Welt anboten. Biobackwaren, Bio-Eis, Weine, selbstgebrautes Bier, Tee für alle Geschmäcker, Blumen, Marmeladen, Käse in verschiedensten Varianten, Bio-Fleisch und auch seltene Waren, wie echte Kakaobohnen oder Trüffel sowie Trüffelprodukte stehen zum Verkauf. Unsere Entscheidungsfreude wurde ehrlich auf die Probe gestellt. Essen wir spanisch? Trinken wir Wein, Bier oder den Matcha? Soll es das Holzbrett mit dem Fleisch vom Grill sein, die Pizza oder eine spanische Linsensuppe? Selbst Veganer konnten sich hier verköstigen. Die vegane Kugel Eis kostete 1,50 Euro. Und damit bin ich bei den Preisen, die es teilweise in sich hatten.
Eine Schale Matcha und in Knoblauchöl gegrillte Mini-Paprika (Bild: Heike Nedo)
Food-Erlebnisse plus Aldi - unsere Eindrücke
Vor einem Stand lasen wir "Spanischer Kartoffelsalat mit Ei und Thunfisch" für 3,50 Euro. "Ok, den nehme ich." und war überrascht, dass es ein kleines Schälchen war. Der Matcha-Tee, liebevoll zubereitet und dabei erklärt, kostete 4 Euro, Bio-Rindfleisch vom Feinsten hätten wir für 8,90 Euro pro 100 Gramm erwerben können. Für das Fleisch eines glücklichen Rindes ist das nicht zu viel, aber für den Geldbeutel vieler Kunden nicht denkbar. Bio-Möhren für 4 Euro pro Kilogramm fand ich etwas happig, dafür war das Bio-Eis, die Kugel 1,20 Euro, ausgesprochen lecker und bezahlbar. Was man selbst bereit ist, für regionale Produkte von hoher Qualität auszugeben, kann jeder selbst bestimmen. Wir hatten den Eindruck, hier ein interessantes, aber eher besser verdienendes Publikum zu finden. So setzen wir uns hin und beobachteten überwiegend junge, hippe Leute, viele mit kleinen Kindern, für deren Eltern die Frage, ob Bio oder nicht Bio auf den Tisch kommt, keine finanzielle Entscheidung sondern eine der Einstellung ist. So schreibt eine Autorin im Tagesspiegel vom 14. Februar 2014 zu Publikum des "Street Food Thursdays" folgendes: "Unter den Besuchern viele Fleischesser, ironisch getragene Pelzmäntel und über viele Jahrzehnte erkennbar kostspielig gecremte Gesichter aus anderen Stadtteilen." Am kulinarisch angesagten Donnerstag soll das Leben in der Kreuzberger Markthalle toben. Dann stimmt der Umsatz und offensichtlich auch das Publikum zum Angebot. Wir selbst haben das Markttreiben an einem Sonnabend genossen, wissen aber, dass es mit einem Markt wie wir einen solchen verstehen, nicht ganz vergleichbar ist, was nicht heißt, dass das Angebot schlechter oder gar langweiliger ist. Eher nicht, es ist für einen einfachen Marktgänger vielleicht etwas abgehoben, dafür aber hochinteressant. Und zum Kosten verschiedener Spezialitäten lässt sich hier auch der kleine Geldbeutel verführen. Laut dem oben erwähnten Artikel ist gerade die Kombination von Aldi und erlesenem Marktangebot unter dem Dach einer architektonisch sehenswerten Halle eine Mischung, die Begegnungen möglich macht und die dazu anregt, über Lebensmittel und deren Wert nachzudenken. Die Markthalle IX in Kreuzberg ist sehenswert, wegen ihrer Architektur und Geschichte, wegen ihres Angebotes und nicht zuletzt wegen des Publikums und der Atmosphäre.
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Bildquelle:
Heike Nedo
(Warum sind Schwedens Häuser rot?)