Auf der Reinkarnationsleiter ganz nach oben

Dass dies nicht ihr Glückstag sein würde, ahnt Star-Moderatorin Kim Lange, als ihr viel zu enges Kleid bei der Entgegennahme des Deutschen Fernsehpreises reißt. Noch schlimmer sollte es die Karrierefrau buchstäblich treffen, als das Waschbecken einer russischen Raumstation ihrem Dasein ein jähes und unwürdiges Ende bereitet.

Anstatt einfach nur tot zu sein, erscheint der in Trennung lebenden Mutter Buddha, der ihr freundlich klar macht, dass sie beileibe kein so guter Mensch war, wie sie dies angenommen hatte. Tatsächlich hat sie dermaßen viel mieses Karma angesammelt, dass sie auf der Reinkarnationsleiter auf dem Weg zum Nirvana ganz unten anfangen muss: Als Ameise.

Verständlicherweise gewohnt sich Kim nur langsam an ihr neues Dasein, hat aber trotzdem Glück: Sie lernt eine andere als Ameise wiedergeborene Seele kennen: Giacomo Casanova! Gemeinsam mit ihm schmiedet sie tollkühne Pläne, zu ihrer Familie zurückzukehren.

Doch nicht nur ihr winziger Körper stehen dem im Wege, sondern auch das Auftauchen einer verhassten Rivalin: Nina, einstmals beste Freundin, die sich an ihren Witwer heranschmeißt. Es gibt nur eine Lösung: Auf der Reinkarnationsleiter nach oben steigen, um es irgendwann Nina auszuwischen. Das Problem: Jede böse Tat bedeutet, mieses Karma zu sammeln. Folglich verwundert es nicht, nach diversen Missgeschicken, unter anderem wird sie ausgerechnet von Nina versehentlich verschluckt, dass Kim sich mühsam von der Stufe als Regenwurm wieder nach oben kämpfen muss …

Was wäre, wenn mieses Karma existierte?

Harmlose Unterhaltungsliteratur genießt im deutschsprachigen Raum bekanntermaßen nach wie vor keine allzu große Reputation. Literatur, so der Tenor der Kritiker, hat bedeutend und schwer zu sein. Folglich wird über Autoren wie Tommy Jaud ("Überman", "Resturlaub", "Hummeldumm") allenfalls die Nase gerümpft. Selbiges Schicksal teilt der Drehbuchautor David Safier, der sich 2007 mit seinem Debütroman "Mieses Karma" in den Olymp der Bestsellerautoren katapultierte. Freilich kann es ihm egal sein, kann er doch mittlerweile auf eine stolze Auflagenserie zurückblicken.

Seine Spezialität: Schräge Geschichten, die den Leser in "Was wäre, wenn …?"-Situationen versetzen. Im Falle von "Mieses Karma" lautete diese hypothetische Annäherung an eine andere Wirklichkeit: Was wäre, wenn es Reinkarnation tatsächlich gäbe und man sich mühsam gute Karma aneignen müsste, um kein belangloses Dasein als Ameise oder Regenwurm fristen zu müssen?

Adolf-Grimme-Preisträger David Safier

Venedig - Casanovas HeimatDieser Frage geht David Safier auf mitunter erstaunlich ernsthafte Weise nach. Nein, philosophiert wird in diesem Roman selten, dafür zieht "Mieses Karma" immer wieder eine überraschende Karte aus dem Ärmel, mit dem der Leser kaum gerechnet hätte.

Naturgemäß werden die Regeln immer wieder gebogen, muss der Zufall unablässig bemüht werden und handeln die Figuren oftmals "nicht logisch", wie sauertöpfische Rezensenten bemängeln. Ganz so, als wäre dies Voraussetzung für einen humoristischen Roman mit absurden Versatzstücken! Alleine der Umstand, dass Protagonistin Kim vom Waschbecken einer Raumstation erschlagen wird, sollte die augenzwinkernde Ironie des Plots deutlich machen.

Dass sie ausgerechnet den legendären Casanova als Unterstützung auf ihrem Rachefeldzug gegen Rivalin Nina gewinnt, setzt dem Ganzen natürlich die Krone auf und sorgt für die besten Gags des Buches, da Casanova jahrhundertelang im Körper von Ameisen gefangen war, seinen Sprachduktus und seine Kunst der Verführung dennoch niemals ablegte und für bizarre Slapstickmomente sorgt.

Der Bremer Autor David Safier, der unter anderem Drehbücher für die TV-Serien "Nikola" und "Die Camper" schrieb und für seine Mitarbeit an der Sitcom "Berlin, Berlin" den Adolf-Grimme-Preis erhielt, kommentiert die Geschicke oder vielmehr Missgeschicke der Karrierefrau Kim Lange mit scharfzüngiger Eleganz, der man die jahrelange Erfahrung im Genre anmerkt.

Gutes Karma, mieses Karma für Casanova

Mieses Karma: Als Ameise wiedergeborenErstaunlicherweise gibt es viele ernsthafte Passagen, welche die Figuren über ihr Leben reflektieren lassen und die anfangs klar abgesteckt scheinenden Grenzen aufheben. Die Hauptcharaktere leisten sich den einen oder anderen Ausrutscher, sind aber auch zu durchaus noblen Gesten und Taten fähig.

Dadurch vermeidet es "Mieses Karma", wie auf Schienen zu einem vorhersehbaren Happyend dahinzugleiten. Im Gegenteil: Immer wieder durchziehen Wendungen das Geschehen und münden in einem überraschenden Finale.

Geschickt drosselt und erhöht Safier das Tempo und sorgt dafür, den Leser stets bei der Stange zu halten und ihn zum Weiterlesen zu motivieren. Denn wer möchte nicht erfahren, ob es Kim in Ameisenform gelingen könnte, ihre beste Feindin Nina daran zu hindern, sich den trauernden Witwer zu schnappen? Oder ob Schwerenöter Casanova eben jene Nina zu erobern versteht, nachdem er sich vom ersten Moment weg in sie verliebte (nun gut: Er hatte schon jahrelang keine Menschenfrau mehr zu Gesicht bekommen), aber dummerweise ebenso als Ameise unterwegs ist?

David Safier liest aus "Mieses Karma"

Witzige Unterhaltung

Fazit: David Safiers "Mieses Karma" (das Buch, keine persönliche Wertung über den Autor) ist ein flott geschriebener Unterhaltungsroman für jede Gelegenheit: Ob am Strand, im Flugzeug oder abends im Bett; dieses Buch unterhält auf harmlose, aber doch ansprechende Weise und hält so manche Lacher parat, auch wenn die Gag-Quote nicht annähernd mit jener eines Tommy Jaud konkurrieren kann. Aber welcher andere Autor reicht schon an den Meister der frechen Kalauer heran …

Originaltitel: Mieses Karma

Autor: David Safier

Veröffentlichungsjahr: 2007

Seitenanzahl: 288 Seiten (Taschenbuchausgabe)

Verlag: Rowohlt

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