Vom Millionär zum Überman

Was für eine steile Karriere: Vom lustlosen Handy-Verkäufer über den arbeitslosen Ex-Handy-Verkäufer bis hin zum Millionär! Und dann: Der totale Absturz. Von einem Tag auf den anderen steht Simon Peters vor dem Nichts, und das nur, weil er so treudoof war, ausgerechnet einen Griechen seine Finanzen regeln zu lassen. Was also tun? Sich seiner bezaubernden Freundin Annabelle offenbaren? Nicht doch! Das würde sie nur unnötig beunruhigen.

Viel besser findet es der ehemalige Millionär auf dem Weg zum erneuten Vollidioten-Dasein, durch einen Wutausbruch den Wert seines Wagens zu minimieren und seine wenigen verbliebenen Freunde zu vergraulen. Das Schlimmste sind aber die Schulden beim Finanzamt: Zahlt er diese nicht ausgerechnet bis zum 21.12.2012, droht ihm der Knast. Der 21.12.2012, da war doch was? Richtig: Der Weltuntergang! Vielleicht kann Simon seine Haut ja noch dadurch retten, indem er aus dem angeblichen Weltuntergang Profit schlägt? Die Zeit drängt, weshalb er sich entschließt, zum "Überman" zu werden wie dereinst Leonardo da Vinci, der mit zwei Stunden Schlaf am Tag ausgekommen sein soll. Das Problem: Als Überman baut Simon noch mehr Scheiße als üblich...

Trifft Simon Peters der Weltuntergang 2012?

Es gibt Romane, die liebt oder hasst man. Tommy Jaud schreibt solche Romane, landet mit ihnen regelmäßig Millionenseller, während Kritiker nur angewidert die Nase rümpfen und ein ums andere Mal den Mario-Barth-Vergleich anstellen, der ebenso abgenudelt ist, wie Barths "Meene Froindiin"-Kalauer. Daran wird sich mit Jauds neuem Roman "Überman" nichts ändern: Hunderttausende werden das Buch kaufen und vermutlich ohnehin wissen, worauf sie sich einlassen, nämlich auf den mittlerweile bereits dritten Roman rund um "Vollidiot" Simon Peters, der in "Millionär" zu selbigem wurde.

Der kurz vor dem von Mayas und ihren Heilsteinen und magischen Schutzsprüchen verkaufenden Nachfahren in Deutschland prophezeiten Weltuntergang 2012 veröffentlichte Roman legt den Rückwärtsgang ein: Aus dem Millionär Simon Peters ist unvermittelt ein Habenichts geworden, dem auf Grund von Steuerschulden sogar die Inhaftierung droht.

Serienheld Simon Peters

Mit "Überman" mutiert Simon Peters endgültig zum Serienhelden – oder sollte man vielmehr von einem Anti-Helden sprechen? Der ehemalige Handy-Verkäufer ist schließlich ein egoistischer Zyniker, dem das Wohl seiner Mitmenschen am Allerwertesten vorbeigeht. Vielleicht erfreuen sich Tommy Jauds Romane gerade deshalb ungeheurer Beliebtheit: Viele Menschen erkennen sich zumindest ein Stückchen weit in Simon Peters wieder. Das macht ihn zwar nicht sympathisch, aber man kann seine Handlungen, Missgeschicke und Boshaftigkeiten zumindest nachvollziehen.  

Jedenfalls gilt dies für Tommy Jauds Debütroman "Vollidiot", in welchem Simon Peters mitunter grenzdebiles Verhalten auf spektakulär unspektakuläre Weise aufgelöst wurde: Nämlich gar nicht! Seine gleichgültige Einstellung zum Job und zu seinen wenigen Freunden mündete ebenso wie seine Balzbemühungen bei der "Starbucks-Maus" von gegenüber auf durchaus realistische Weise in einem antiklimaktischen Finale. Jaud verweigerte seinem Protagonisten in "Vollidiot" eine hollywoodreife Läuterung. Drei Jahre später gönnte er ihm jedoch einen märchenhaften – und nach Meinung des Rezensenten absurden – Aufstieg zum Millionär.

Zu viel "Überman"-Klamauk

In seinem neuen Roman "Überman" drückt Tommy Jaud zunächst den Reset-Button, findet aber nicht auf die "Vollidiot"-Spur zurück: Viel zu überdreht und albern wirken Handlung und Figuren. Immer wieder werden Witze und Kalauer unnötigerweise erklärt, etwa jener, ausgerechnet von einem griechischen Finanzberater geleimt worden zu sein. Die Anspielungen sind klar und bedürfen keiner näheren Erklärung. Durchaus gelungen sind die Seitenhiebe auf den Hype rund um den angeblichen Weltuntergang 21.12.2012; ganz im Gegensatz zum steigenden Irrsinn des Protagonisten.

Mag dieser auch den psychischen Auswirkungen des Schlafmusters "Überman", bei dem man mit zwei Stunden Schlaf am Tag auskommen soll, geschuldet sein: Das Szenario, mit dem Simon Peters Gutes tun bzw. Geld verdienen möchte, verliert sich leider in völlig absurden Klamauk. Konsequenterweise endet Tommy Jauds neuer Roman "Überman" abrupt und analog zu "Millionär" wenig überzeugend.

"Überman" bleibt hinter "Vollidiot" zurück

Überhaupt drängt sich der Verdacht auf, der Roman sei auf Wunsch des Verlags oder der Fans geschrieben worden. Uninspiriert schlängelt sich die Geschichte durch viel Klamauk, über den man zwar lacht, der kurz darauf aber wieder vergessen ist. Das ist zwar amüsant und unterhaltsam zu lesen, hinterlässt aber literarische Leere. Ganz im Gegenteil zu "Vollidiot", der zwar gleichfalls keine große Literatur darstellte, dafür jedoch erinnerungswürdige Simon-Peters-Aktionen wie das Wegfuttern der Geburtstagstorte von Rudi Assauer, lustige Spanischkurs-Abende oder peinliche Abfuhren bei hübschen Frauen bot.

Als reine Pflichtübung funktioniert "Überman" gut, auch wenn bei weitem nicht alle Gags zünden, denn Tommy Jaud weiß, wie man eine Geschichte aufzieht, falsche Fährten legt und immer wieder überraschende Wendungen einbaut. Verglichen mit den vier Vorgängerbüchern ist der neue Roman "Überman" jedoch eine kleine Enttäuschung.

Zumal das humoristische Potenzial der liebgewonnenen Nebenfiguren wie dem dicken Flick, dem unsympathischen und leider erfolgreichen Angeber Phil Konrad oder der leicht verhuschten Putzfrau Lala  nicht ansatzweise abgerufen wird. Als Einsteigerbuch in Tommy Jauds Oeuvre eignet sich "Überman" nicht: Zum einen wird der neue Leser nicht alle Anspielungen verstehen können, zum anderen handelt es sich um das bislang schwächste Werk des ehemaligen "Ladykracher"-Autoren.

Hörbuch: Tommy Jaud, statt Christoph Maria Herbst

Das (gekürzte) Hörbuch wird vom Autoren Tommy Jaud selbst gelesen. Obwohl dieser sein eigenes Werk durchaus pointiert und leidenschaftlich vorträgt, kann er mit Christoph Maria Herbst nicht mithalten, der "Vollidiot" und "Millionär" zum Hörerlebnis machte.

Natürlich ist es unfair, die beiden miteinander zu vergleichen. Trotzdem gibt es keinen Zweifel daran, dass der Schauspieler Christoph Maria Herbst einfach der bessere Sprecher ist. Wer die von ihm vertonten Tommy-Jaud-Romane gehört hat, wird sich etwa über die Neuinterpretation von Simon Peters Beziehungsexpertin Paula wundern, die von Jaud eine unweiblich tiefe Stimme verpasst bekam. 

Es kann einfach nur einen Simon-Peters-Sprecher geben: Christoph Maria Herbst!

Tipp: Das Hörbuch "Überman" von Tommy Jaud kann auf www.audible.de sofort gedownloadet werden.

Kostenlose MP3: Das "Kopfsteinplasterlied"

Nettes Feature: Auf Tommy Jauds Website wird das "Kopfsteinplasterlied" als kostenloser Download angeboten! 

Eckdaten "Überman" von Tommy Jaud

Originaltitel: Überman

Autor: Tommy Jaud

Veröffentlichungsjahr: 2012

Seitenanzahl: 368 Seiten (Taschenbuchausgabe)

Verlag: Scherz Verlag

Hörbuch: Gelesen von Tommy Jaud

Laden ...
Fehler!