Verpflichtungsgespräche: Die versüßte Offizierslaufbahn

Bereits die jüngsten DDR-Bürger sollten möglichst frühzeitig vom Militär fasziniert werden. Dazu dienten entsprechend illustrierte Kinderbücher ebenso wie das einschlägige Sortiment der Spielzeugläden. Ab dem achten Schuljahr wurden die jungen Menschen dann schon intensiver bedrängt: Die Mehrzahl der Jungen musste zu sogenannten "Verpflichtungsgesprächen" erscheinen. Ein Gremium aus Parteifunktionären, Pädagogen und Militärs leistete dann "Überzeugungsarbeit" mit dem Ziel, den Teenager zu drei, zehn oder sogar 25 Jahren Militärdienst zu verpflichten. Wer die angebotene Offizierslaufbahn akzeptierte, konnte auf inoffizielle Belohnung hoffen: Regelmäßig verbesserten sich die Schulnoten der Willigen auf wunderbare Weise ganz erheblich... Eine unvorsichtig formulierte Ablehnung der Offerte hingegen war gefährlich und konnte schnell als staatsfeindliche Einstellung gebrandmarkt werden.

Vormilitärische Ausbildung: Wie der Krieg geübt wurde

Doch auch Schüler mit zivilen Zukunftsplänen lernten das Soldatenleben kennen. Im neunten und zehnten Schuljahr stand das Fach "Wehrerziehung" auf dem Unterrichtsplan. Der theoretische Unterricht schloss allerdings keine echten Bildungslücken. Interessanter waren da schon die praktischen Übungen: Am Ende des neunten Schuljahres durften die Jungen in sogenannten "Wehrlagern" endlich lernen, wie man einen Menschen tötet. Ein halbes Jahr später sowie während der Berufsausbildung folgten entsprechende Wiederholungen.

Die Mädchen wiederum verblieben in dieser Zeit zwar meist an ihrer angestammten Schule, doch sie erhielten eine zweiwöchige Unterweisung in sogenannter Zivilverteidigung: Uniformiert übten sie dabei so wichtige Disziplinen wie Marschieren, Geländebeobachtung und Anschleichen. Immerhin verfügten wenigstens die Ausbildungseinheiten "Katastrophenschutz" und "Medizinische Ersthilfe" über einen zivilen Nutzwert. In niederster Rangordnung durften auch jene Jungen an den Übungen der Zivilverteidigung teilnehmen, welche eine bewaffnete Ausbildung im "Wehrlager" ablehnten.

Kampfgruppen: Die (un)heimliche Armee gegen das eigene Volk

Ab einem Mindestalter von 25 Jahren hatten Männer und Frauen die Möglichkeit, den "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" beizutreten. Als Belohnung winkte eine höhere Altersrente. Die zuletzt rund 200.000 Mitglieder dieser paramilitärischen Organisation rekrutierten sich aus Angestellten staatlicher Betriebe und Bildungseinrichtungen. Angehörige der Kampfgruppen übten an Wochenenden und Feiertagen in freier Natur das Spiel vom großen Kampf gegen den "Klassenfeind". Theoretische Aufgabe der schwer bewaffneten Kämpfer war es, im Fall einer feindlichen Invasion direkt vor Ort Widerstand zu leisten. In der Praxis hielten sich die Kampfgruppenmitglieder unter anderem fit, indem sie desertierte Soldaten der russischen Besatzungsmacht jagten, den Bau der Berliner Mauer 1961 absicherten und 1989 gegen Demonstranten vorgingen. Wenige Wochen später begann glücklicherweise die Entwaffnung und Auflösung dieser Organisation...

Militär light: Die GST

Eine paramilitärische Organisation für Jugendliche stellte die "Gesellschaft für Sport und Technik" (GST) dar. Doch der anfängliche Wehrsport-Charakter der GST trat recht bald in den Hintergrund. Stattdessen fanden in der Vereinigung viele Technikbegeisterte eine Heimat, denn hier bot sich die Möglichkeit, an Fahrzeugmotoren zu basteln oder Funkgeräte zu nutzen. Zudem bestand die Chance, ohne mehrjährige Wartezeit die Fahrerlaubnis (das Wort "Führerschein" war zeitweise politisch stigmatisiert) zu erwerben.

Kein Studium ohne Militärzeit

Von zukünftigen Studenten erwartete das DDR-Regime besondere Staatstreue, denn diese staatlich finanzierte Intelligenzschicht des Landes sollte natürlich möglichst systemkonform sein. Wer sich als männlicher Studienbewerber daher nicht für mindestens drei Jahre Militärdienst verpflichtete, hatte meist keine Chance auf Zuteilung eines Studienplatzes. Einzige Ausnahme: Ein Studium der Theologie. In der Realität allerdings gab es immer wieder Schlupflöcher, denn längst nicht jeder SED-Entscheidungsträger war so borniert, wie es die leninistisch-marxistische "Fachliteratur"von ihm verlangte. Auf diese Weise konnten manchmal tatsächlich auch fähige Andersdenkende ihren Wunschberuf erlangen.

Bausoldaten: Der Kompromiss zwischen Staat und Kirche

Als 1962 in der DDR die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, standen praktizierende Christen vor einem Dilemma: Es gab kein Grundrecht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen und auch keine Möglichkeit zum Zivildienst. Zwei Jahre später wurde jedoch ein Kompromiss zwischen Kirchenvertretern und der Regierung ausgehandelt: Die sogenannten Bausoldaten waren zwar Angehörige der Nationalen Volksarmee NVA, durften ihren Dienst jedoch waffenlos versehen. Allerdings wurde der Kontakt zu anderen Armeeteilen weitestgehend unterbunden. Bausoldaten sahen sich oftmals zahlreichen Schikanen ausgesetzt. So verfügten Bausoldaten - im Gegensatz zu den bewaffneten Pionier-Bataillonen - in der Regel nur über wenige technische Hilfsmittel. In den letzten Jahren der DDR wurden Bausoldaten zunehmend auch in Produktionsbetrieben oder im sozialen Bereich eingesetzt.

Ironie der Geschichte: Als letzter Verteidigungsminister der gewendeten und bereits untergehenden DDR fungierte der Pfarrer und ehemalige Bausoldat Rainer Eppelmann.

Donky, am 17.11.2016
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