Millionär: Tommy Jaud schlägt wieder zu
Dritter Roman, dritter Bestseller. Mit "Millionär", dem Nachfolger zu "Vollidiot", gelingt Tommy Jaud erneut ein literarischer Volltreffer.Wird der Vollidiot Millionär?
Seine Versuche, die Welt mit absurden Beschwerden bei Produkthotlines zu verbessern, führen immerhin zu einer zarten Bande mit der Callcenter-Mitarbeiterin Annabella, die allerdings irgendwo in Holland weilt. Immerhin: Näher als Indien, wo Simon anfangs den Sitz des Callcenters vermutet hatte.
Nach einem demütigenden Schlüsselerlebnis steht für den Kölner fest: Er muss es allen zeigen! Freilich: So einfach ist es denn doch nicht, Erfolg zu haben. Den gilt es sich zu erarbeiten, etwa mit einem gewagten Projekt, das er gemeinsam mit Shahin, dem Besitzer eines Internet-Cafés ausheckt, um endlich Millionär zu werden...
Bestsellerautor Tommy Jaud
Zugegeben: Schöngeistige Literatur ist es nicht gerade, was der ehemalige Gagschreiber und einer der Produzenten der SAT1-Hitshow "Ladykracher" ungefähr alle zwei Jahre abliefert. Aber Tommy Jaud weiß, wo die Lachmuskeln sitzen und legt seinen Finger mit schier traumwandlerischer Sicherheit eben dort drauf. Folglich spaltet er die Leserschaft in zwei Gruppen: Jene, die seine Romane auf die Bestsellerlisten ganz nach oben hieven, und jene, die alleine bei der Nennung seines Namens zu schreien beginnen und eilends zur Abwehr des Literaturmonsters ein Kruzifix aus Goethes "Faust" und Thomas Manns "Tod in Venedig" basteln. Kurzum: An Tommy Jaud scheiden sich die Geister, was dem Kölner allerdings egal sein dürfte, verkauft sich doch jeder seiner Romane wie Tickets zu einem Fußball-WM-Finale mit deutscher Beteiligung.
Dabei erweist sich seine Schreibe dem amerikanischen Mainstream verwandt. Rasch und ohne Schnörkel erfolgt der Einstieg, die Protagonisten werden ebenso kurz, aber knackig umrissen und auf den jeweils rund 300 Seiten schreitet die Handlung flüssig voran. Berührungsängste vor Kalauern oder politisch unkorrekten Äußerungen kennt Jaud ebenso wenig, wie die offenbar in deutschsprachiger Literatur verpflichtende Geißelung des Lesers mit schwermütigen Passagen oder den meist unausweichlichen Drittes-Reich-Ausflügen.
Kalauer und viel Situationskomik
Simon Peters, Protagonist in "Vollidiot" und dem Nachfolger "Millionär", ist von berückender Mittelmäßigkeit. Kein Genie, aber auch kein intellektuelles Trockengebiet. Mitunter blitzen brillante Ideen oder spontane Einfälle auf, doch meist regiert die hohe Kunst des Versagens. Und worüber können Leser mehr lachen, als über die Missgeschicke eines im Grunde liebenswerten Losers? Um auch bei "Millionär" ausgiebig lachen zu können, muss man den Vorgänger nicht gelesen haben. Allerdings bereiten die Verweise auf "Vollidiot" für Kenner des Buches Spaß.
Mitunter wünscht man sich, Jaud hätte den schillerndsten Nebenfiguren seines ersten Bestsellers mehr Platz eingeräumt, etwa dem wunderbar lethargischen, stets pessimistischen Flick, oder dem unsensiblen Angeber Phil Konrad. Denn die neuen Charaktere wie Shahin oder der einen Hummer fahrenden "Königin der Unterschicht" ein Stockwerk über ihm vermögen nicht den Unterhaltungswert der "Vollidiot"-Crew zu erreichen.
Freunde gepflegter Kalauer, schräger Situationskomik und scharfer Wortwitze kommen in "Millionär" voll auf ihre Kosten. Über die Plotwendung im letzten Viertel des Romans kann man durchaus geteilter Meinung sein, erscheint sie doch arg konstruiert und mündet in einem seltsam abgeschnitten wirkenden Schluss. Wenn der Humoranteil und die leicht zu verfolgende Handlung das ausschlaggebende Kriterium bei der Auswahl eines Romans sind, kann der Leser mit "Millionär", aber auch den weiteren Jaud'schen Werken "Vollidiot", "Resturlaub" und "Hummeldumm" nichts falsch machen.
Christoph Maria Herbst liest "Millionär"
Äußerst empfehlenswert ist das von Christoph Maria Herbst gelesene Hörbuch. Seine nuancierte Sprache passt sich den jeweiligen Situationen und Charakteren perfekt an und verleiht sogar schalen Witzeleien oder ernsthafteren Passagen ungemein viel Witz. Für den "Stromberg"-Darsteller dürfte es ein Genuss gewesen sein, in "Millionär" eine winzige Rolle zugewiesen zu bekommen, die natürlich im Hörbuch nicht fehlen darf.
Da es sich um eine gekürzte Lesung handelt, sollte man auf die Vorlage keinesfalls verzichten - man würde um den Genuss zahlreicher, urkomischer Witze kommen. Ein herber Verlust, gibt es doch angesichts der meist niederschmetternden Weltnachrichten ohnedies wenig zu lachen.
Übrigens empfehlen sich Jauds Romane nicht nur, aber auch deshalb als Geschenke für mürrische Zeitgenossen.
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)