Wurzeln und Flügel - einfach aufbrechen

Es ist nicht einfach, sich zu befreien - sei es aus dem Job, einer Beziehung, von den eigenen Ängsten oder vom Übergewicht.

Ich war nie richtig ängstlich sondern aufgeschlossen und lernbereit. Deshalb habe ich mich auch gegen ein Studium entschieden und "nur" einen Beruf erlernt.  Jahre später war der schon wieder Geschichte, denn danach kam ein zweiter Beruf hinzu, ein kleines bisschen Seefahrt und irgendwann war ich wieder mal unruhig, unzufrieden  und auf dem Sprung in ein neues Abenteuer.

Mobbing am Arbeitsplatz? Entscheidungen treffen!

Ich lag nach einem Arbeitsunfall  im Krankenhaus, mit gebrochenen Fingern, einem angeschlagenen Rücken und voller Zweifel, denn in diese Situation war ich durch das Mobbing am Arbeitsplatz meines Chefs gekommen. So verletzbar war ich nie gewesen und so unsicher, was jetzt werden sollte. Aber in diesem Bett, umgeben von netten Ärzten, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und als ich nach zwei Monaten das erste Mal wieder auf Arbeit vorbeischaute, war ich bereit zu einer Auseinandersetzung mit "dem Feind".Kurz und gut - ich entkam dem Job, der mir eigentlich viel Spaß gemacht hat, das Unternehmen zahlte - mit ein wenig Druck, denn Ämter finden Mobbing gar nicht lustig - eine gerechte Abfindung und ich war frei. Und nun?

Von meinem ersten Abenteuertrip auf dem "Traumschiff"  MS Berlin - einem achtmonatigen Knebelvertrag mit Sklavenlohn  - waren viele Kontakte zu guten Ships Agents geblieben und so begann bald  meine persönliche "Reise ins Ich",  der "Aufbruch zu neuen Ufern", in "ein neues Leben" ( würde ein Schriftsteller jetzt jubeln)  …. Quatsch, mir war elend, denn ich hatte weder in einem US Vertrag auf einem Luxusschiff gearbeitet, noch eine Idee, ob mein Englisch ausreichen würde und ich fühlte mich schon gar nicht wohl, denn durch meine Krankheit war ich echt dick geworden und wog satte 92 kg. Hinzu kamen die Bedenken von meinen Eltern: "Willst Du wieder weg? Du wohnst dich hier so schön und findest sicher einen neuen Job. Hier ist doch Deine Welt"

Die Flügel ausbreiten…

Ich, die dicke Frau, flog um die halbe Welt, um in Neuseeland mein neues Abenteuer zu beginnen. Auf einem echten Traumschiff, mit echten Traumrouten und echter, harter Arbeit.

Auf so einem Schiff zählten nur zwei Dinge: die Gäste und das Team. Niemand interessierte sich für mein Gewicht oder meine Herkunft. Ich war Alex, ein Teil eines Teams, deren Mitglieder aus 27 Ländern kamen und die alle die gleichen Regeln befolgten.

Eine neue Erfahrung! Nach dem ersten Monat, in dem ich zu schüchtern war, um in die Crew Bar zum Tanzen zu gehen, schlich ich abends ins Fitness Studio, um auf dem Laufband zu gehen oder den Hometrainer zu quälen. Das wurde zur lieben Gewohnheit und bald konnte ich die sechs Decks zu Fuß herauflaufen, ohne tot umzufallen.

Irgendwann war das Schnaufen weg, wenn ich unterwegs war, die Uniform passte besser und ich ging einfach mal mit zur Latino Nacht. Dort habe ich dann gelernt, dass ich viel Rhythmus im Blut habe, wurde zur Samba Queen gekrönt und fand mich später sogar als DJane in der Crew Bar wieder. Wir –Menschen aus allen Ecken der Welt – saßen dann nächtelang auf den Gängen des Crewdecks, haben über das Leben und den Tod diskutiert, die Welt zusammen gesehen und Freundschaften für 's Leben geschlossen.

 

Als ich nach sechs Monaten das erste Mal nach Hause kam, zeigte meine Waage satte 16 kg weniger an, mein Selbstbewusstsein war wieder hergestellt und ich konnte die Flügel ausbreiten - ohne meine Wurzeln auszureißen.

Kleiner Nachtrag: Ich bin danach noch 4 x für einen Sechs –Monats-Vertrag auf "mein" Schiff zurückgekehrt und es war immer wieder wie "nach Hause kommen".

Autor seit 13 Jahren
15 Seiten
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