Mythen und Legenden der Inuit
Der Glaube an Geister und Zauberei war früher tief in der Inuit-Kultur verwurzelt.Mythen und Legenden der Inuit (Bild: AndreaFriese / Pixabay)
Der Eisbär gilt als Krafttier, das sich allen Widrigkeiten anpassen kann
Viele Erzählungen basieren auch auf den religiösen Vorstellungen der Inuit. Sie glaubten, dass alle Dinge, Menschen, Pflanzen und Tiere eine Seele besaßen. Die Seele des Menschen galt als unsterblich. Nach dem Tod lebte sie weiter - im Himmel oder unter dem Meer. Gleichzeitig besaß sie die Fähigkeit, durch andere Menschen oder durch Tiere zu wandern.
Dieser Glaube spiegelte sich in vielen Mythen der Inuit wieder. Meistens ging es dabei um Liebesbeziehungen, bei denen männliche Tiere die Gestalt eines Menschen übernahmen und mit Frauen eine Partnerschaft eingingen. Viele Geschichten handeln auch von Nanuq, dem Eisbären. Er galt als Krafttier, das sich sogar den größten Widrigkeiten anpassen konnte. Außerdem stand er für Ausdauer und Furchtlosigkeit. Von allen Tieren nimmt der Rabe (Tulugaq) eine herausragende Stellung ein.
Die Legende von der Eule und dem Raben
Eine Legende erzählt davon, dass der Rabe und die Eule früher weiß gewesen sind. Als sich die beiden Tiere in der Tundra trafen, sagte der Rabe: "Du bist weiß, und ich bin weiß. Komm, bemalen wir uns gegenseitig." Die Eule stimmte zu, doch wollte sie zuerst bemalt werden. Der Rabe nahm aus der Ampel den Rest gebrannten Trans, riss sich eine lange Schwanzfeder aus und begann damit sorgfältig, die Eulenfedern zu bemalen. Auf jede Feder setzte er einen Farbtupfer, auf die Flügel mehr, auf Brust und Rücken weniger. Als er fertig war, lobte er sein Werk.
"Sieh an, wie hübsch ich dich gemacht habe. Schau selber."
Die Eule besah sich von der einen, von der anderen Seite und gab zu: "In der Tat, mit diesen Tupfen sehe ich sehr schön aus. Und jetzt mache ich dich so herrlich schmuck, wie du es dir nie hast träumen lassen."
Der Rabe drehte sich ins rechte Licht, kniff die Augen zu und hielt ganz still, damit die Eule ihn bequemer anmalen konnte. Die gab sich große Mühe. Der Rabe rührte sich nicht, denn es behagte ihm, von ihr so emsig verziert zu werden. Als die Eule mit ihrer Arbeit fertig war, betrachtete sie zuerst den Raben von allen Seiten, alsdann sich selber. Und da musste sie feststellen, dass er schöner geworden war als sie. Von Neid gepackt, griff sie nach dem Rest des abgebrannten Trans und begoss damit den Raben von Kopf bis zu den Füßen. Vollkommen schwarz stand er nun da. Die Eule machte sich davon. Der Rabe krächzte ihr nach: "Klauenbiest, was hast du angerichtet? Du hast mich schwarz gemacht. Jetzt kann mich jeder schon von Weitem sehen!"
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(Walfang in Amerika)
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