Neues Globe Theater: Kritik von "Hamlet" – Kai Frederic Schrickel
Premiere in der Klosterruine am Berliner Alexanderplatz. Eine Inszenierung mit viel Kampfszenen, gespielt ausschließlich von Männern.Sebastian Bischoff, Saro Emirze, Andreas Erfurth und Urs Staempfli (Bild: © Gerrit Wittenberg)
Kampf, Rache und Liebe
Die Inszenierung hat stellenweise den Charakter eines Mantel- und Degenfilms. Haufenweise Kampfchoreographien werden gezeigt, die auf ein langes Training schließen lassen. Hamlet (Saro Emirze) ist ein Heißsporn, der seine Energien in alle möglichen Richtungen verschleudert und seinen Wahnsinn nur vortäuscht. Bei Schrickel ist er mehr ein Taktiker, kein Zögernder, der angesichts eines Überangebots an Varianten gar keine wählt. Hamlet braucht die "Umschleierung durch eine Illusion" (Nietzsche), um überhaupt handeln zu können. Nicht nur, dass er seine Gefühle an die junge Ophelia (Thomas Kellner) geheftet hat – er hat auch eine innige Zuneigung zu Horatio (Till Artur Priebe) gefasst, die das Maß einer Freundschaft übersteigt und sich einem fleischlichen Verlangen nähert. Hier überschreitet Schrickel das Original und erzählt seine eigene Geschichte. Die Frauenrollen sind überbetont und werden von Thomas Kellner und Andreas Erfurth (Gertrud) übernommen. Letzterer tritt hauptsächlich in schmucken, für höhere Anlässe geeigneten Glitzerkleidchen auf, die im Verbund mit kokett hergezeigten Sandalen das Bild einer unverbesserlichen Salondame abgeben. Und Kellner treibt seine Feminisierung besonders voran, als wolle er das ewig lockende Weibliche darstellen. Saro Emirze hingegen lässt sich einmal dazu hinreißen, klobige High-Heels zu tragen, als habe eine Dorf-Domina Einzug in Helsingör gehalten.
Fehlendes Zeitmanagement
Eine der interessantesten Stellen in "Hamlet" ist das Zwiegespräch des dänischen Prinzen mit seiner Mutter Gertrud. Hamlet sieht abermals den Geist seines Vaters, aber Gertrud sieht nur Zimmerdekoration und Tapete. Der Staatsrat Polonius (Sebastian Bischoff), Agent von Claudius (Urs Stämpfli), wurde schon auf viele Weisen ermordet, hier wird er, hinter einem Flokati-Teppich lauernd, von Hamlets Pistole erdolcht. Und schon wird sein Sohn Laertes (Dierk Prawdzik) auf den Plan gerufen, um den Mord an seinem Vater zu vergelten, und groß und authentisch sind die Rachegelüste.
Dem Regisseur fehlt mitunter das Zeitmanagement, die Ökonomie. Das Zwischenspiel mit dem Theater im Theater gerät entschieden zu ausführlich und lang, zumal erst die langwierige Theaterprobe ausgehalten werden muss. Man fühlt sich an Faust-Abende erinnert, bei denen der Regisseur erst nach zwei Stunden bei Auerbachs Keller angelangt ist. Dazwischen liegen Verzettelungen und Details, auf die man auch großzügig verzichten kann. Schrickel schreitet Station für Station ab, immer darum bemüht, keinen Leerlauf entstehen zu lassen. Leider spielt er sich manchmal in ein Vakuum hinein. Letztlich lebt die Inszenierung von den Schauspielern, die sich mit Verve hervortun, allen voran Saro Emirze, der einen recht gut aufgelegten Hamlet abgibt und sein Spiel ausgewogen dosiert. Dieses forciert virile Theater ist kein großes Theater, aber unterhaltsam ist es allemal.
Hamlet
von William Shakespeare
übersetzt von Maik Hamburger und Adolf Dresen
Regie und Raum: Kai Frederic Schrickel, Kostüme: Hannah Hamburger, Kampfchoreographie: Kai Fung Rieck.
Es spielen: Saro Emirze, Urs Stämpfli, Andreas Erfurth, Sebastian Bischoff, Dierk Prawdzik, Thomas Kellner, Till Artur Priebe.
Premiere vom 23. Juli 2013
Dauer: 3 Stunden, 30 Minuten, eine Pause
© Gerrit Wittenberg
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)