Songül A. arbeitet als Bankangestellte bei einer Wiener Bank. Ihre Eltern stammen aus einem Dorf, nahe Yüzgart und kamen in den 60er Jahren, mit einer der ersten Gastarbeiterwellen aus der Türkei nach Österreich. Kopftuch trägt Songül keines. Weder ihre Eltern, noch ihr Exmann hatten dies je von ihr gefordert. Sie selbst sieht sich in erster Linie als türkischstämmige Österreicherin, über ihre Religionszugehörigkeit definiere sie sich nicht. Sie glaube zwar an Gott, praktiziere aber den Islam, wie viele säkularen Türkinnen nicht. Songül A. ist geschieden, alleinerziehende Mutter von einem zwölf jährigen Sohn und führt ein selbstbestimmtes Leben. Ihren Sommerurlaub verbringt sie meistens in der Türkei, wobei sie eine Woche für Verwandtenbesuche einplant, um den Rest der Zeit in einem Club-Hotel mit ihrem Sohn zu entspannen. Das Leben von Songül A. unterscheidet sich kaum vom Leben ihrer autochthonen Altersgenossinnen. Ein Großteil ihrer Freundinnen sind auch Österreicherinnen ohne Migrationshintergrund.

Journey to Islam (Bild: David Michael Morris / Flickr)

Der Islam in Österreich

Songül zählt, obwohl sie sich selbst nicht als Muslima bezeichnet, zu der ungefähr 500.000 Menschen umfassenden Glaubensgemeinschaft der österreichischen Muslime. Der Hauptanteil der Muslime in Österreich stellt, vor den muslimischen Bosniern, die türkische Gemeinschaft. Der Islam ist in Österreich seit 1912 eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Um die 200 Gebetshäuser und Moscheen existieren in Österreich, wobei es sich großteils um einfache Gebetsräume die in Wohnungen untergebracht sind handelt. Die bekannteste Moschee, sie ist eine von den dreien, die auch vom Baustil einer klassischen Moschee entsprechen - also auch ein Minarett beinhaltet - ist die vom Bauherrn Richard Lugner errichtete Moschee in Wien Floridsdorf. Die öffentliche und rechtliche Vertretung aller in Österreich lebender Muslime obligt der "Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich", kurz IGGiÖ genannt. Als wohl bekanntester Vertreter aus den Reihen der IGGiÖ gilt, der in Bagdad geborene Omar Al-Rawi. In seiner Funktion als muslimischer Integrationsbeauftragter und SPÖ Politiker ist er gern gesehener Gast bei öffentlichen Diskussionsrunden rund um das Thema Islam

Abendland in Christenhand

Wahlplakate mit Slogans wie "Daham statt Islam", "Pummerin statt Muezzin" oder "Abendland in Christenhand", wie sie vor einigen Jahren von der FPÖ unter HC. Strache zum Einsatz kamen, tragen sicher sich nicht zu einem friedlichen Miteinander zwischen den Kulturen bei, glaubt Songül A. Die Empörung einer breiten Öffentlichkeit und vieler Organisationen konnte sie damals nachvollziehen, obwohl sie sich selbst nicht durch die Plakate provoziert fühlte.

Die FPÖ die seit Jahren, eine schleichende Islamisierung Österreichs ortet ist damit in bester Gesellschaft mit den meisten Rechtsparteien Europas. Man bedient sich christlicher Symbolik, erinnert mahnend an die historischen Türkenbelagerungen, schätzt die Mitbürger mit ex-jugoslawischen Migrationshintergrund ob ihres Integrationswillens und ihres Fleißes und unterstellt Immigranten aus dem islamischen Kulturkreis pauschal Unfähigkeit zur Integration. Als die FPÖ Abgeordnete Susanne Winter in einer Rede den Religionsgründer Mohammed als pädophil bezeichnete, zog dies im Jänner 2009 eine rechtskräftige Verurteilung wegen Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren nach sich. In der  ähnlich gelagerten Causa Elisabeth Sabaditsch-Wolff, kam es im Dezember 2011 zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Herabwürdigung religiöser Lehren. Frau Sabaditsch-Wolff hatte als Seminarleiterin an der FP-Akademie, ähnlich wie Frau Winter in ihrer Islamkritik über das Ziel hinaus geschoßen und dem islamischen Religionsgründer sinngemäß eine Affinität zu Kindern attestiert. Eine anwesende Undercover-Journalisten des Wochen Magazin News hatte daraufin die Staatsanwaltschaft informiert. Fau Sabaditsch-Wolff sieht sich jedoch ungerecht verurteilt und will das Urteil beim Obersten Europäischem Gerichtshof anfechten. Den Fall Sabaditsch-Wolf hat Songül A., obwohl sie regelmäßig Tageszeitung liest nur am Rande mitbekommen. Sie hofft auf mehr Besonnenheit in der, ihrer Ansicht nicht enden wollenden Islamdebatte und macht sich in der Straßenbahn auf den Weg in die Innenstadt um eine Freundin auf ein Glas Wein zu treffen. Als drei Türkinnen mit Kopftuch die Straßenbahn betreten und ein leicht betrunkener Mann " Scheiß Türkinnen" ruft, hört Songül es nicht. Sie hört Musik auf ihrem iPod.

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