Offener Brief an Menschen, die gerne Briefe schreiben

Liebe Freunde der Snail Mail!

Wisst Ihr noch, wie es war, als nicht nur Werbung und Geschäftspost Eure Offline-Briefkästen füllten? Erinnert Ihr Euch noch an das Glücksgefühl, das Euch durchfuhr, als Ihr den lang ersehnten Brief eines Freundes endlich in der Hand hieltet, oder eine Überraschungspost Euren Serotoninspiegel schlagartig in die Höhe steigen ließ? Oder als eine Postkarte von weit entfernt Eure Neugierde und Sehnsucht nach fernen Welten schürte?

Wisst Ihr noch... Wisst Ihr noch, wie das war? Wann ist es Euch das letzte Mal passiert? Seid ehrlich. Bestimmt ist es schon so lange her, dass Ihr die Tage nicht mehr an zwei Händen und Füßen abzählen könnt. Habe ich da gerade ein Seufzen gehört? Ja, es ist schade. Doch ich kann Euch trösten: Ihr könnt jederzeit wieder etwas daran ändern!

Wie das? Ganz einfach: Schreibt Briefe. An wen? Wem Ihr wollt. Ihr habt niemandem, dem Ihr schreiben könntet? Das glaube ich nicht. Und wenn Euch wirklich niemand einfallen sollte, dem Ihr eine liebevoll verfasste Schneckenpost zukommen lassen könntet, gibt es immer noch die Möglichkeit, sich eine Brieffreundschaft zu suchen. Stellt Euch vor, dass geht sogar über das Web! Die Zahl der Internetseiten, über die Brieffreundschaften geknüpft werden können, und ihre Resonanz sprechen Bände. Dies zeigt, dass Ihr mit Eurem Wunsch nach mehr persönlichem Briefkontakt keineswegs alleine dasteht.

Also, worauf wartet Ihr noch?

Brieffreunde einfach finden über das Internet

Brieffreunde
Auf dieser Seite könnt Ihr Brieffreundschaften auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Polnisch und Tschechisch finden. Es scheint eine sehr rege Community zu sein.

Letternet der Deutschen Post
Nach der Anmeldung bekommt man Vorschläge für Brieffreundschaften zugeschickt. Für Leute, die sich gerne überraschen lassen, ist dies vielleicht eine Option.

Postcrossing
Postkarten in alle Welt verschicken und für jede Postkarte im Gegenzug eine aus einem Land dieser Erde bekommen - so lässt sich das Prinzip von Postcrossing zusammenfassen. Im Forum werden auch Brieffreundschaften gesucht.

Briefe schreiben – Wie geht das noch mal richtig?

Ihr sitzt vor dem weißen Blatt Papier. Oder dem noch jungfräulichen Bogen hübschem Briefpapier, welches Ihr extra zur Einweihung Eures neuen oder wiedergewonnenen Hobbies, dem Briefe schreiben, erworben habt. Erwartungsvoll haltet Ihr den Stift in Startposition, sei es nun der lange nicht benutzte Lamyfüller oder ein gewöhnlicher Kugelschreiber. Möglicherweise wollt Ihr auch bunte Stabilo-Point-Stifte verwenden, da Ihr früher so gerne farbig geschrieben habt.

Doch nun, wo Ihr alles für Euer Snail Mail Briefschreibe-Projekt vorbereitet habt, fällt Euch nichts ein, womit Ihr anfangen könnt. Eben noch war der Kopf so voller Gedanken, und jetzt ist alles wie weggefegt. Blockade. Das hat Euch gerade noch gefehlt. Ausgerechnet jetzt, wo Ihr Euch so fest vorgenommen habt, einen Brief zu schreiben. Euch ist aber auch ein wenig mulmig dabei zumute. Ihr seid unsicher: "Was ist, wenn es den Empfänger gar nicht interessiert oder langweilt, was ich zu sagen habe? Was kann ich überhaupt schreiben, was nicht? Gibt es eine Art Knigge für das Briefeschreiben? Irgendwelche Fettnäpfchen, die man tunlichst unterlassen sollte?"

Um Euch zunächst zu beruhigen: Ihr könnt beim Schreiben von Briefen eigentlich nicht viel falsch machen. Und Ihr braucht Euch dabei auch nicht zu verbiegen oder gar über Themen zu schreiben, die Euch langweilen, nur weil Ihr denkt, es könnte den anderen interessieren. Schreibt einfach über das, was Euch gerade bewegt, womit Ihr Euch so beschäftigt, Eure Interessen und Hobbies... Ihr könnt dem Empfänger auch Fragen stellen, die Euch interessieren. So hat er ein paar Anhaltspunkte für seine Antwort.

Formal gesehen besteht ein privater Brief aus denselben Elementen wie andere Briefe auch: Anrede (in dem Fall Liebe X / Lieber Y – die Buchstaben bitte durch den jeweiligen Namen ersetzen), Text, Herzliche Grüße Z. Ein großer Vorteil bei der privaten Korrespondenz ist aber, dass man nicht so streng auf die Form achten muss und den Brief abgesehen von den grundlegenden Dingen wie persönliche Anrede und die Grüße zum Schluss frei nach dem eigenen Gusto gestalten kann. Ob Ihr Absätze macht oder den Brief in einem einzigen Fließtext verfasst, ist in diesem Fall völlig Euch überlassen. Hauptsache, der Inhalt wird vom Empfänger verstanden und ist nicht kryptisch. Denn wie sollte er auf etwas eingehen, das er nicht verstanden hat?

Einen freundlichen, respektvollen Ton solltet Ihr natürlich auch beim Schreiben privater Briefe beibehalten. Die Brieffreundin oder der Brieffreund will sich ja mit ihrer oder seiner eigenen Sicht der Dinge und mit ihren oder seinen individuellen Neigungen akzeptiert und ernst genommen fühlen. In einem positiven, angenehmen Gesprächsklima ist das nun mal am besten gewährleistet. Das hat nichts mit heiler Welt und "wir haben uns alle lieb" zu tun. Wenn sich im Verlauf der Brieffreundschaft Differenzen ergeben, dann ist das eben so. So etwas passiert im Leben; in einem positiven Klima kann man allerdings besser damit umgehen. Dann sind gelegentliche Meinungsverschiedenheiten kein Drama, sondern etwas, woraus beide letztlich wachsen können.

Die Themenvielfalt von Snail Mail Briefen ist schier unerschöpflich. Grundsätzlich könnt Ihr über alles in dem Brief schreiben, was Ihr wollt. Gerade zu Beginn einer Brieffreundschaft und wenn Ihr den Adressaten noch nicht so gut kennt, empfehle ich aber, lieber unverfängliche Themen zu wählen. Meist finden sich im Verlauf der Korrespondenz schnell gemeinsame Themen, die Euch beide interessieren. Später, wenn die Brieffreundschaft an Tiefe gewonnen hat, könnt Ihr Euch eventuell auch zu ernsteren Themen vortasten, je nachdem, wie gut die "Chemie" zwischen Euch stimmt und ob Ihr das möchtet. Also, wenn sich zum Beispiel herausstellen sollte, dass Ihr beide gerne nach Herzenslust kontrovers über Politik diskutiert, steht dem in den mit der Schneckenpost versandten Briefen nichts entgegen. Interessiert hingegen einem von Euch beiden dieses Thema überhaupt nicht oder will er nicht darüber diskutieren, solltet Ihr Euch lieber ein anderes Thema suchen, sofern die Brieffreundschaft Bestand haben soll.

Das ist vielleicht noch ein wichtiger Punkt, und genau darin liegt wohl auch ein großer Vorteil beim Briefe schreiben gegenüber der mündlichen Kommunikation: Niemand muss auf irgendeine Bemerkung oder ein Thema eingehen, wenn er das nicht will! Jede Äußerung kann gut überlegt werden, man wird nicht zu einer Antwort gedrängt und es läuft alles sehr entspannt ab. Deshalb ist die Kommunikation per Brief ja auch oft von so hoher Qualität. Was dort steht, hat Substanz. Beleidigungen oder Ähnliches haben in der Snail Mail hingegen keinen Platz.

Brief puristisch oder kreativ gestalten?

Manche von Euch mögen sich am liebsten ohne optische Ablenkungen auf das geschriebene Wort konzentrieren. Andere fühlen sich inspirierter, wenn sie nach Herzenslust den Brief mit gemalten Verzierungen oder Basteleien verschönern können. Auch Scrapbooking ist eine Möglichkeit des kreativen Gestaltens von Briefen. Ich habe es auch schon gesehen, dass ein Brief auf der Rückseite mit einer Collage aus Bildern verstärkt war. Das fand ich sehr originell, wenngleich diese Gestaltungsform den Nachteil hat, das eben nur halb so viel Platz zum Schreiben da ist. Ich persönlich muss zugeben, dass ich bei Briefen lieber möglichst viel Raum zum Schreiben habe. Ansonsten müsste ich die vielen Worte so sehr auf das Papier quetschen, dass es unleserlich würde. :-)

In der Vergangenheit habe ich auch verschiedene Ideen der Briefgestaltung ausprobiert. Am besten haben mir dabei gemalte, nicht übertriebene Verzierungen gefallen. Kleine Basteleien, so lange sie gut auf dem Papier haften und es danach noch in den Briefumschlag passt, sind auch ganz nett. Ebenso schöne Sticker. Bei Fotos ist es meiner Ansicht nach oft besser, sie lose mit hineinzulegen. Nichts ist für einen Briefempfänger ärgerlicher, als wenn er versucht, ein Foto vom Papier zu lösen und dabei unweigerlich das Briefpapier kaputt geht. Auch Glitzer aufzukleben ist nicht unbedingt eine gute Idee. Das Glitzer löst sich in der Regel allzu leicht vom Papier und verteilt sich dann überall. Abgesehen von diesen praktischen Umständen sollte der Phantasie beim Briefe gestalten jedoch keine Grenzen gesetzt sein.

Briefmarke nicht vergessen!

Falls es auch nur ein Argument gegen das analoge Briefe schreiben gibt, dann dieses: Für Snail Mail gibt es leider keine Flatrate! Mit anderen Worten, wenn der Brief wirklich beim Empfänger ankommen soll, müsst Ihr jedes Mal ein Briefporto entrichten und oben rechts auf den Briefumschlag kleben. Darunter kommt die Adresse, an welche die Post gesendet werden soll. Oben links oder auf der Rückseite schreibt Ihr schließlich Eure Absenderadresse.

Aber wieviel kostet so ein Brief überhaupt?

Liebe Briefeschreiber, das kommt ganz auf den Umfang des Briefes an und darauf, wohin er geschickt wird.

• Normale Briefe (bis 20 g) innerhalb Deutschlands kosten aktuell 0,58 €, Postkarten 0,45 €.
• Normale Briefe (bis 50 g) und Postkarten ins Ausland kosten aktuell 0,75 €.
• Briefe über 50 g kosten deutschlandintern 0,90 € und ins Ausland 1,50 €.

Weitere Preise könnt Ihr recht einfach mit dem Deutsche Post Portokalkulator ermitteln.

Mist! Ich habe gerade keine Briefmarke zur Hand und es ist Sonntag!

Auch in diesem Fall gibt es kein Problem. Heutzutage ist man nicht einmal mehr auf eine Postfiliale angewiesen, um Briefmarken zu kaufen. Ich selbst habe es mir zur Gewohnheit gemacht, die kleinen Papierrechtecke zum Frankieren von Briefen online zu erwerben. So lange mein Server und mein Drucker mitspielen, hat die E-Filiale rund um die Uhr für mich geöffnet, wenn ich eine Internetmarke brauche. Und für Euch auch!

Sicher, die verfügbaren Motive sind für Briefmarkensammler nicht so schön wie die Sondermarken früher. Aber das ist eben der Preis für den Komfort. Und mal ehrlich: Wieviele Menschen sammeln heute noch Briefmarken im Vergleich zu früher? Außerdem sieht es gerade bei Postkarten eher hässlich aus, wenn da eine Briefmarke ausgeschnitten ist. Also, mir persönlich wäre die schöne Postkarte dafür zu schade. Und auch Briefumschläge mag ich irgendwie nicht zerschnippeln.

Und ab geht die Snail Mail Post!

Ich hoffe, ich konnte in Euch ein wenig die nostalgischen Erinnerungen an die gute alte Schneckenpost wiedererwecken. Vielleicht habt Ihr jetzt Lust bekommen, in Euren alten Briefen zu stöbern. Oder Ihr wollt am liebsten gleich loslegen und mal wieder nach langer Zeit einen Brief von Hand schreiben. Anfangs wird das vielleicht ungewohnt sein. Möglicherweise habt Ihr inzwischen Mühe, einigermaßen leserlich zu schreiben. Doch keine Sorge: Mit der Zeit und Übung wird Eure Handschrift wohl nicht mehr ganz so krakelig sein, sofern Ihr Euch wirklich Zeit lasst und nicht hektisch etwas dahinkritzelt. Es sei denn, Ihr seid Arzt! :-)

Spaß beiseite. Tatsächlich lässt sich die Handschrift bis zu einem gewissen Grad optimieren. Es bleibt dabei natürlich immer noch Eure. Und je öfter Ihr übt, langsamer zu schreiben, desto wahrscheinlicher wird auch der Krampf im Arm ausbleiben. Ansonsten macht Ihr halt eine Pause. Das Tolle am Briefe schreiben ist doch, dass man in seinem eigenen Rhythmus schaffen kann. Niemand treibt einen an – es wird sowieso einige Tage dauern, bis der Empfänger den Brief lesen kann. Da kommt es auf eine Stunde mehr oder weniger auch nicht an.

Ich würde mir wünschen, dass jeder ab und zu auch mal einen Brief von Hand schreiben würde. Für die Zukunft der Snail Mail wäre es außerdem vielleicht wünschenswert, dass eine Flatrate für Briefporto angeboten würde. Das wäre für alle bequemer, und der größer werdende arme Anteil der Bevölkerung hätte keine Entschuldigung mehr, keine Briefe zu schreiben. So könnten auch die, die jeden Cent fünfmal umdrehen müssen, eventuell noch mehr Freude daran haben. Briefe schreiben ist schließlich kein Luxus, es ist ein Menschenrecht! :-)

Herzlichst

Eure Karin