Die Lage und Landschaft des Orinoco Delta

Im Nordosten Venezuelas verbindet sich der 2140 Kilometer lange Orinoco mit seinem unzähligen Wirrwarr von Flussarmen mit dem Atlantik. Das Sumpfgebiet dieses 40.000 Quadratkilometer großen Deltas bildet den Lebensraum einer kaum überschaubaren Fülle tropischer Tier- und Pflanzenarten. Neben Kapuziner- und Brüllaffen, die sich durch das sattgrüne Dickicht des Regenwaldes hangeln und dabei theatralisch schreien, beleben auch krächzende bunte Papageien ebenso wie nach Beute jagende fauchende Großkatzen die unberührte Natur. Leisere Töne wie das Flügelschwirren von Kolibris, das Surren schillernder Libellen zwischen Orchideen sowie das Dauersirren überall umherirrendender Mücken untermalen die Geräuschkulisse dieses Dschungels. Während die tierische Landbevölkerung auf den Flussinseln zumeist mit sich selbst und der Befriedigung ihrer Instinkte beschäftigt ist, befassen sich die Bewohner des Wassers mit genau demselben Thema. In den sich wie ein Labyrinth durch Mangroven, üppiges Farn und verwitterten Riesenbäumen schlängelnden Flusswegen tummeln sich rosa Delfine, gesellige Fischotter und auch knabberfreudige Piranhas. Letztere gelten allerdings im Orinoco Delta als schmackhafte Nahrung und landen daher eher selbst auf dem Teller, als dass sie ein Stück Fleisch ergattern. – Fressen und gefressen werden: Das Ökosystem in diesem Garten Eden Venezuelas ist bislang von der Zivilisation noch relativ unbeeinflusst, sodass sich die dortige Natur in voller Pracht entfaltet.

Die Warao Indianer- Einwohner des Orinoco Delta

Ein Leben in von allen Seiten einsehbaren Pfahlbauten inmitten der Wildnis des Orinoco Deltas? Das ist nicht jedermanns Sache, doch für die rund 30.000 dort beheimateten Warao Indianer Alltag. Unter dem Druck kriegerischer Eroberer, missionarischer Prediger und moderner Lebensformen hat sich dieses indigene, also einheimische Naturvolk immer weiter in die Abgeschiedenheit der Sümpfe zurückgezogen. Verteilt auf rund 250 kleine Dörfer haben die Warao Indianer am Ufer des Orinoco einfache Pfahlhütten errichtet, die aus Palmholz und Schilf gefertigt sind und in denen bis zu drei Familien wohnen. Die offene Bauweise dieser Unterkünfte ist ein Hinweis auf das Lebensgefühl dieser Gemeinschaft, das auf einem vertrauensvollen und friedlichen Miteinander basiert. Auch drückt sich hier das Bestreben der Waraos aus, im Einklang mit der Natur zu leben. Sie ernähren sich von allem, was der Dschungel an essbaren Pflanzen, Wurzeln und Knollen bereitstellt, oder gehen mit Blasrohren, Harpunen und Angeln auf die Jagd oder zum Fischfang. Die Hängematten, in denen sie schlafen, flechten sie aus den Fasern der Moriche-Palme, die ihnen ebenfalls als Nahrung und zur Herstellung von Palmwein dient. Mit dem Bau einiger Palmherz-Fabriken und Sägewerke im Orinoco Delta, der Suche nach Ölvorkommen sowie der zunehmenden Erschließung dieses Gebiets für den Tourismus setzte jedoch schon vor längerer Zeit ein langsamer Wandel der isolierten Lebensweise der Indianer ein. Und nicht alle von ihnen fanden sich in dieser neuen, ganz anderen Form des Dschungels zurecht, wurden ausgebeutet oder verloren den Halt zu ihren Ursprüngen. Doch viele arrangierten sich mit den Veränderungen und hielten daneben an ihrer Tradition bescheidener Naturverbundenheit fest.

Warao Indianer

Fortbewegung im Orinoco Delta

Wenngleich die Bedeutung des Ausdrucks "Warao" des im Orinoco Delta lebenden Indianer-Stammes nicht eindeutig geklärt ist, wird er häufig mit "Bootsleute" übersetzt. Angesichts der 80 Haupt- und unzähligen kleineren Seitenarme des viertgrößten Flusses der Welt ist diese möglicherweise nicht korrekte Begriffsdeutung dennoch vertretbar, da das einzige Fortbewegungsmittel durch dieses Sumpfgebiet das Boot ist. Wie für viele indigene Völker typisch nutzen auch die Warao Indianer das Einbaum-Kanu, das auf den insgesamt mehreren Tausend Kilometer langen Wasserwegen mehrere Vorteile aufweist. Zum einen lassen sich mit ihnen auch verschlungene, kleinere Kanäle befahren und zum anderen bietet ihr lautloses Gleiten beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Fischfang. Zur Herstellung ihrer Kanus verwenden die Indianer meistens den Stamm der so vielseitig nutzbaren Moriche-Palme, den sie aushöhlen und zur Härtung vorsichtig ausbrennen. Die handwerklich begabten Waraos benötigen für die Fertigstellung dieses für ihre Existenz unverzichtbaren Fortbewegungsmittels rund drei Wochen. Nachdem der Individualtourismus peu à peu diese einzigartige Naturlandschaft für sich entdeckt hat, verkehren inzwischen aber auch Motorboote auf den Wasserstraßen, die Naturbegeisterte und Dschungelabenteurer zu ihren Lodges bringen. Auch die Warao Indianer haben sich dem Vorteil moderner Technik nicht verschlossen und teilweise ihre Boote mit Motoren ausgestattet, die auf diese Weise als bequemes Transportmittel etwa für Nahrung genutzt werden können. In seiner grundsätzlichen Philosophie hat sich der Indianer-Volksstamm jedoch nicht von den industriellen Errungenschaften überrollen lassen und lebt nach wie vor ein einfaches Leben in Harmonie mit dem farbenprächtigen Dschungelparadies des Orinoco Deltas.

Kanus im Delta

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