Peter Beard

Peter Beard (Bild: Taschen Verlag)

Der Fotograf posiert in einem toten ...

Der Fotograf posiert in einem toten Krokodil (Bild: Peter Beard)

Nashorn

Nashorn (Bild: Peter Beard)

Janice Dickinson in Kenia

Janice Dickinson in Kenia (Bild: Peter Beard)

Als Zehnjähriger begann der Sproß aus reichem Haus – sein Urgroßvater James J. Hill war ein Eisenbahnmagnat, der mit der Great-Northern-Strecke, deren Hauptstrecken ab 1879 von Minneapolis und St. Paul nach Portland und ins kanadische Vancouver führten -, den Grundstein für seine geradezu exzessiv betriebenen Aufzeichnungen zu legen: Er schnitt Haare aus den Schwänzen von Pferden, sammelte Objekte aus der Natur und klebte sie in ein kleines Notizbuch. Zuvor hatte er bereits die Fotografie als Hobby entdeckt. Was lag es da für ihn näher, die Bilder mit den Objekten zu verknüpfen, die sein Interesse erregten?

Die Menschen sind die Krankheit

Unbelastet von finanziellen Sorgen und im Bewusstsein, niemals Geld verdienen zu müssen, begann Peter Beard, Jahrgang 1938, in Yale ein Medizinstudium. "Doch bald wurde mir schmerzlich bewusst, dass die Menschen selbst die Krankheit waren, sodass ich mich spontan für die Kunst entschied." Er besuchte Kurse unter anderem bei dem deutschstämmigen Maler Josef Albers. Bald schon spezialisierte er sich auf die Fotografie, wobei er dank seines Jetset-Lebens die berühmtesten "In-People" seiner Zeit vor die Linse bekam: Truman Capote, Mick Jagger, Veruschka Gräfin von Lehndorff, den Maler Francis Bacon. Von hier aus war es nur noch ein kleiner Schritt zu den Modefotos, die er für die Zeitschrift "Vogue" machte.

Ein Schlüsselerlebnis hatte er bei der Lektüre von Karen Blixens Erinnerungen "Jenseits von Afrika". "Es weckte in mir den Wunsch, auf ihren Spuren zu wandeln", bekannte er in einem Interview. Und das tat er fortan ausgiebig. Der dunkle Kontinent wurde Peter Beards Passion. Aber er dokumentierte weniger die urtümlichen Schönheiten Afrikas, sondern die Spur der Verwüstung, die die Menschen hinterließen: Kadaver von gewilderten Zebras und Löwen, Elefanten mit abgebrochenen Stoßzähnen oder aufgeschlitzten Leibern.

Blutspuren auf Papier

Die Bilder verfremdete er mit Blut oder dunklen, erdigen Farben, die er über die Papierabzüge strich, ehe er sie in seine Sammlungen aufnahm. 2008 veröffentlichte er die Dokumente, zum Teil Collagen aus briefmarkengroßen Bildern, auf denen neben Zeitungsausschnitten auch die Promis seiner Jetset-Tage zu sehen sind, in einem zweibändigen Band, der im Kölner Taschen Verlag erschien. Der Preis war seinerzeit ebenso opulent wie die Ausstattung. Jetzt ist eine einbändige, preisgünstigere "Volksausgabe" auf den Markt gekommen.

Beim Blättern erlebt der Betrachter ein Wechselbad der Gefühle. Fotos der Zerstörung und Verwesung wechseln ab mit Porträts stolzer Eingeborener und arrangierten Szenen, in denen etwa eine Bikinischönheit auf dem Rücken eines toten Krokodils posiert, Bianca Jagger mit hochfliegendem Röckchen über den Flughafen von Montauk stöckelt oder eine barbusige Janice Dickinson in der kenianischen Steppe mit einem Löwen kuschelt.

Zwischen Kadaver und Steifftieren

Schockbilder von blutverschmierten Leichen, Menschen ebenso wie Tiere, sind zu bizarren Stillleben arrangiert, und zwischen den Dokumenten der Furchtbarkeiten stößt man unvermittelt auf eine Doppelseite mit zwei Hochglanzakten für den Pirelli-Kalender. Wie in einem chaotischen Zettelkasten sind die Themen und Motive kühn gekoppelt, eine manchmal rätselhafte Verbindung, mitunter als binnenthematische Querverweise auf Beards Sujets. Dazu Hunderte von schriftlichen Anmerkungen des Fotografen, mit denen er die Bilder katalogisiert oder kommentiert.

Und immer wieder: Tiere. Elefanten, die majestätisch auf den Fotografen zuschreiten, eine zum Angriff aufgestellte Speikobra, trabende Giraffen, zwei Gepardenkinder in Steifftier-Pose. Wie ein geradezu manisch Besessener scheint der mittlerweile 75-Jährige, der heute in New York lebt, seine Collagen zusammengewürfelt zu haben. Immerhin lassen sie die majestätischen Schönheiten des dunklen Kontinents durch ein Meer der Verwüstung und Zerstörung durchschimmern.

"Wir sind blind", resümiert Beard die Gleichgültigkeit vieler Zeitgenossen gegenüber der Missachtung der Natur. "Unkontrolliertes Bevölkerungswachstum (…), Rohöl und brutale politische Methoden (…) Prestigekonsum, der bewusste Tritt in die demografische Falle, indem sich alle zehn Jahre eine Milliarde mehr Menschen auf der Erde winden (…)" Und mit fatalistischem Zynismus fordert er dazu auf: "Lasst uns das einfach alles willkommen heißen und dokumentieren, während die Welt sich selbst zerstört."                                                                                  © Rainer Nolden

 

Peter Beard, hrsg. von Nejma Beard, Owen Edwards und Steven M. L. Aronson, Taschen Verlag Köln, Deutsch, Englisch und Französisch, 770 Seiten, 49,99 Euro.

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