Piper tritt in unser Leben

An einem sonnigen und sehr warmen Samstagnachmittag vor zwei Wochen kommt bei uns die nahe liegende Idee auf, den portugiesischen Sommer bei einem Strandbesuch abzukühlen. Die Idee ist gut, aber dann kommt alles ganz anders. Auf dem Weg nach Fuzeta, dem von uns aus nächstgelegenen Strand, sehe ich schon von weitem einen kleinen schwarzen Körper ausgestreckt mitten auf der Fahrbahn liegen. Ein entgegenkommender Autofahrer weicht geistesgegenwärtig aus und in mir macht sich Trauer breit über eine kleine überfahrene Katze. Als ich mit unserem Auto auf gleicher Höhe mit ihr bin, hebt sie plötzlich ihr schwarzes Köpfchen und sieht mich an. Den Rückwärtsgang einlegen, die Warnblickleuchte anmachen, stoppen, auf die Strasse springen und den kleinen Wicht am Kragen ins Auto heben, sind fast schon reflexartige Abläufe. Ich lege die kleine Katze meinem Beifahrer zwischen die Beine, wo sie sogleich in seinen Oberschenkel beißt. Sie steht unter Schock, ein Auge ist blutunterlaufen und sie zittert, schaut auf den ersten Blick aber ansonsten erstaunlich gut aus.

Statt an den Strand fahren wir jetzt in die nächstgelegene 24-Stunden-Tierarzt-Klinik. Die kleine Katze wird am Empfang abgegeben und nach einer Stunde Wartezeit, in der sie untersucht wird, steht die Diagnose fest: es ist ein ungefähr drei Monate altes Katzenmädchen, das vermutlich von einem Fahrrad überrollt wurde. Im Grossen und Ganzen geht es ihr gut, wenn da nicht ein gravierendes Problem wäre, ein Nerv zwischen den Schultern hat einen  großen Schaden abbekommen. Die kleine schwarze Katze hat kein Gefühl mehr in ihrem linken Vorderbein. Eine Regenerierung des Nervs ist unwahrscheinlich, wahrscheinlicher dagegen ist eine mögliche Amputation des Vorderbeins. Wir haben schon eine Katze mit drei Beinen, die seit Jahren prima zurechtkommt und wenn es denn so sein soll, werden wir eben noch eine weitere bekommen. Die Kleine bekommt einstimmig den Namen Piper.

Überlegungen über eine Vermittlung

Regelmäßig Antibiotika und Augentropfen geben, daneben Futter und Streicheleinheiten, sind kein Problem. Unsere anderen erwachsenen Katzen sind anfangs - wie immer bei einem Neuzugang - erstmal beleidigt, verbringen die Tage lieber draußen und kommen nur zum Fressen heim. Nur Siamkater Brezel kann sich anscheinend noch an seine willkommene Aufnahme bei uns erinnern und gibt sich mit Piper ab. Er legt sich auf einen Stuhl und lässt seinen Schwanz runterbaumeln, damit Piper ein bewegtes Objekt zum Spielen hat oder er angelt selbst mit den Pfoten von oben nach unten. Und manchmal leckt er der Kleinen auch den Kopf. Alles läuft gut und trotzdem erschreckt mich die Vorstellung einer möglichen Amputation.

Leo, unser anderer dreibeiniger Kater, hat nur ein Hinterbein. Er kann damit sogar auf Bäume klettern. Eingeschränkter ist allerdings die Beweglichkeit bei Katzen mit nur einem Vorderbein. Sie können nicht so leicht vor eventuellen Gefahren fliehen. Und Piper bei uns als Wohnungskatze zu halten, ist schlicht unmöglich. Im Süden sind offene Türen normal.

 

 

Deswegen wende ich mich an einen Tierschutzverein mit der Anfrage, ob sie vielleicht helfen können, ein Zuhause zu finden, das behüteter ist. Die Antwort, die ich erhalte, erstaunt und entsetzt mich. Eine behinderte, schwarze Katze hat keinerlei Vermittlungschance, da selbst gesunde schwarze Kätzchen oft kein neues Zuhause finden können. Schwarze Katzen sind in vielen Haushalten schlicht und einfach nicht willkommen. Daran hätte ich im Traum nicht gedacht!

Der Aberglaube über schwarze Katzen

Dieser Aberglaube ist schon Jahrhunderte alt. Und seltsamerweise auch heute noch bei vielen Menschen zu finden. Harmlos sind noch Aussagen wie "eine schwarze Katze, die von links nach rechts über die Strasse läuft, bringt Unglück" oder "hüte Dich davor, wenn eine schwarze Katze unter Deiner aufgestellten Leiter durchläuft". Wer etwas nachforscht, wird erstaunliche Annahmen über schwarze Katzen finden. Die Bandbreite reicht im Extremfall bis zu der Aussage, dass sich schwarze Katzen in einem bestimmten Alter in Hexen verwandeln. Wäre das bei Piper der Fall, würde sie dann auch nur einen Arm haben? Diese ganzen haarsträubenden Ansichten über schwarze Katzen haben in mir die Überzeugung geweckt, dass Piper bei dem richtigen vorbeifahrenden Auto den Kopf gehoben hat. Und da fällt mir noch ein, wir hatten im Laufe der letzten 20 Jahre schon zweimal einen schwarzen Kater. Dafür geht es uns eigentlich immer noch recht gut. Denn im Gegenteil finden wir schwarze Katzen sehr schön und anmutig. Und damit sind wir offensichtlich nicht allein. Denn warum sonst hätte Rudyard Kipling in seinem Dschungelbuch Bagheera geschaffen, den schönen, schwarzen Großkatzen-Panther? Oder wie antwortete so treffend ein brasilianischer Bekannter, auf meine Frage, ob er Angst vor schwarzen Katzen habe? "Nein, ich habe nur Angst vor den Menschen, die Angst vor schwarzen Katzen haben."

 

 

 

 

Über unsere Tiere und unser Leben
Von der Autorin, für Tier- und Portugal-Liebhab...
Schwarze Katze als Poster

Neugierde (Bild: Jon Bertelli)

sally, am 01.07.2012
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Bildquelle:
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Autor seit 12 Jahren
101 Seiten
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