Eine Eingebung mit Folgen

An einem schönen Herbstnachmittag mache ich eine Autofahrt in die Berge. Plötzliches Erschrecken: Neben zwei am Straßenrand abgestellten  Mülltonnen liegt ein überfahrenes Katzenbaby auf der Straße. Ein zweites liegt im Strassengraben. Beim Vorbeifahren und erschrecktem Sehen steigt eine Vermutung auf: wo zwei Katzenbabies waren, könnten doch auch drei oder noch mehr sein? Dieser dringende Gedanke lässt mich das Auto am Straßenrand parken und zurücklaufen zu den Mülltonnen. Vorsichtshalber rufe ich "Katzi, Katzi", ein allgemeingültiger Katzenname. Nichts ist zu sehen oder zu hören. Schon will ich wieder gehen, da piepst es aus einem Haufen Grünzeug, der neben der Mülltonne abgelegt wurde. Das Piepsen kommt aus abgeschnittenen Kakteenstücken. Und wer sitzt da? Eine kleine Siamkatze, halb so groß wie meine Handfläche. Ganz allein. Ein Griff, und der Kleine ist geborgen auf meinen Armen. Im Jeep wird er in die Mittelkonsole gesteckt mit geschlossenem Deckel und ab nach Hause. Schon nach wenigen Kilometern hebt sich der Deckel nach oben und der kleine Miezekater klettert heraus. Klein, aber ein Überlebenskünstler. Wenn er doch nur sprechen könnte. Was ist geschehen? Hat jemand drei kleine Kätzchen neben der Mülltonne abgeladen, in der Hoffnung jemand findet sie und nimmt sie mit nach Hause? Hat der Kleine gesehen, wie sich seine Geschwister aufgemacht haben, die Strasse zu überqueren? Musste er mit ansehen, wie sie einem Auto zum Opfer fielen? Und war er klug genug, daraus zu lernen? Hatte er beschlossen, sich im Grünzeug zu verstecken und abzuwarten? Auf mich? Hat er telepathisch versucht auf sich aufmerksam zu machen? Wieso sonst hatte ich plötzlich das dringende Gefühl, ich müsste anhalten und nachschauen gehen?

Der kleine Siamkater zieht bei uns ein.

Wir geben ihm den Namen Brezel und er ist bei seinem Einzug so klein, dass sein Gesicht noch nicht einmal richtig ausgebildet ist, er hat noch eine Plattnase. Schätzungsweise ist er zwei bis drei Wochen alt, weiß aber schon ganz genau, was Fressen ist. Nur nicht, dass Trinken auch wichtig ist. Und aus dem Fläschchen trinken ist auch nicht so der Hit. Was dann insgesamt zu zwei Tierarztbesuchen führte, Frauchen dachte, Kätzchen ist krank, aber nein, er trank nur zuwenig. Selbstständig gar nichts. Das alles wurde erst nach zwei Monaten besser, seitdem ein Tropf mit Ringerflüssigkeit im Haus ist, für den Notfall. Seitdem trinkt Brezel selbstständig, alles ist besser, als unter die Haut gepiekst zu werden.

Brezel sucht einen Mutter-Ersatz

Am Anfang hat er sich auf alles gestürzt, was Haare hat, auf der Suche nach einer "Mama". Unsere Terriermischlingshündin und auch die betagte Hütehundedame mussten abwechselnd herhalten zum Schmusen und Kuscheln und Zitzen suchen. Bei dem Hütehund reichte dafür schon der schwarze, langhaarige Schwanz aus, groß genug als Mama-Ersatz. Bald war Brezel auf dem Gourmettrip angekommen. Bis heute bevorzugt er gekochtes Fischfilet oder Fleisch. Wenn der Kühlschrank aufgeht, sitzt Brezel davor und miaut.Mittlerweile ist er ein wunderschöner Teenager-Siamkater, der ganz nach Teenagermanier seine erwachsenen Katzenkollegen nervt durch anschleichen und anspringen. Und, wie gesagt, er trinkt unaufgefordert Wasser. Vorbei ist die Zeit mit Fläschchen geben, Katzenmilch und laktosefreie Milch kaufen, mit Engelszungen auf Brezel einreden, damit er doch endlich anfängt, eigenständig zu trinken. Mittlerweile entdeckt er die Außenwelt, schläft aber immer noch sehr gern nachts im Bett bei seinen Menschen, um hin und wieder in einem schnurrenden Schmuseanfall unter die Bettdecke zu kriechen und sich einzukuscheln. Und er ist gut Freund mit allen anderen Mitbewohnern, auch mit Pipa. Die Geschichte hat an dieser Stelle ein Happy-End. Und wir hoffen, wir werden noch viele und lange Jahre mit unserem Siamkater, dem Überlebenskünstler, zusammenleben. 

Tipps zum Aufziehen kleiner, ausgesetzter Katzen

Wer, wie ich in dieser Geschichte, das Glück hat, eine oder mehrere kleine ausgesetzte Katzen zu finden, sollte einige Dinge beachten. Zuerst ist ein Besuch beim Tierarzt unbedingt empfehlenswert, hier sollte ein Bluttest klären, ob eventuell ansteckende oder schwerwiegende Krankheiten vorliegen. Das Kätzchen muss ausserdem entwurmt und der Allgemeinzustand überprüft werden.

Zuhause sollte eine sichere Unterkunft - vor allem für nachts - gefunden werden. Das kann auch eine Transportkiste sein, die ausgestattet ist mit einer Wärmeflasche (als Mutterersatz). Die Kiste sollte verschliessbar sein, damit nachts kein Unglück geschieht und nicht zu gross, der Katzengrösse angemessen. Am allerbesten steht diese Nachtunterkunft in hörbarer Nähe des eigenen Bettes. Hat die kleine Katze tagsüber genug gespielt und gefressen, wird sie nachts sicherlich müde sein und dankbar auf schönen Decken mit einer Wärmeflasche darunter, einschlafen.

Wie in meiner Geschichte kann es schwierig sein, kleinen Katzen genug Flüssigkeit zuzuführen. Können sie schon allein fressen, am besten immer Dosenfutter geben, da hier auch Flüssigkeit enthalten ist. Dieses Dosenfutter kann auch mit etwas Wasser vermischt werden. Oder mit laktosefreier Milch, die Katzen in der Regel viel besser vertragen als normale Kuhmilch. Und zum selbstständig Trinken lernen, immer wieder interessante Flüssigkeiten anbieten, am besten auf einem kleinen, flachen Teller, wie Brühe von gekochtem Fisch oder gekochten Huhn. Kann das Kätzchen noch nicht allein fressen, bekommt es sowieso Fläschchennahrung mit katzentauglicher Aufzuchtmilch und darüber genügend Flüssigkeit.

Noch mehr Brezel-Fotos

Brezel und Maggie (Bild: Sabine Kranich)

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