Politiker halten nie, was sie versprechen

Auch wenn das Wahlkampftheater einen gewissen Unterhaltungswert besitzt, sollte es nicht als alleinige Grundlage für die Bewertung von Politik herangezogen werden. Die Erfahrung lehrt uns, dass Wahlslogans durch Kürze statt Tiefgang glänzen und die Versprechen nicht zwangsläufig mit der Realität kompatibel sein müssen. Viel eher lohnt sich ein Blick auf die jeweiligen Grundsatzprogramme beziehungsweise auf die Webseiten parteiloser Politiker, denn diese bieten echte Inhalte – oder sollten es zumindest.
Im besten Fall enthält ein Programm nicht nur nette Ideen und Forderungen, sondern auch Pläne für die Umsetzung. Je konkreter die Überlegungen, desto durchdachter und Erfolg versprechender das Programm. Ein positiver Nebeneffekt: Konkrete Schritte lassen sich leichter verfolgen und bewerten als das bloße Versprechen einer besseren Welt. Wie? Das zeigen die nächsten Punkte.

Politik findet im Geheimen statt

Unbestritten: Es gibt Meetings, Verhandlungen und Abstimmungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dennoch findet der Großteil dessen, was Politiker machen, nicht im Geheimen statt.

Eine bequeme Möglichkeit, um das politische Geschehen live zu verfolgen, bietet das Parlamentsfernsehen. Auf folgender Seite wird erklärt, wie es kostenlos empfangen werden kann: https://www.bundestag.de/mediathek/parlamentstv/empfang. Wer seinen Fernseher in die Verbannung geschickt hat, kann das Parlamentsfernsehen auch im Internet streamen oder mittels App verfolgen.
Für diejenigen, die sich nicht nach Sendezeiten richten möchten oder können, gibt es ebenfalls eine Lösung: https://www.bundestag.de/mediathek. In der Mediathek können alle Plenar- und Ausschusssitzungen seit 2009 angeschaut werden. Weiterhin finden sich Interviews, Reportagen und Aufzeichnungen von Sonderveranstaltungen.
Menschen mit einer Abneigung gegenüber bewegten Bildern werden auf https://www.bundestag.de/protokolle fündig; alle Sitzungen werden protokolliert und dort veröffentlicht. Protokolle halten neben dem Gesagten auch die Reaktionen der Abgeordneten fest. Wer jubelt bei welcher Aussage, wer bekundet Missfallen? Wer hat seine Emotionen nicht im Griff und ruft dazwischen? Diese "kleinen Zwischenfälle" geben Einsicht in die persönliche Einstellung der jeweiligen Politiker.

Übrigens: So manche Entrüstung nach der Tagesschau à la "Die Politiker haben mal wieder klammheimlich etwas beschlossen und stellen nun das Volk vor vollendete Tatsachen!" könnte überflüssig sein. Denn: Worüber im Bundestag (oft monatelang) diskutiert wird, ist weder ein Geheimnis noch eine Überraschung. Die jeweiligen Tagesordnungen und Debatten sowie Entwürfe werden auf der Website des Deutschen Bundestages (https://www.bundestag.de/ beziehungsweise https://www.bundestag.de/tagesordnung) angekündigt.

Politik ist so kompliziert, da blickt niemand durch

Der Versuch, das politische Geschehen zu verfolgen, kann deprimierend sein. Politiker neigen zu einer Mischung aus abenteuerlichen Wortkonstruktionen und hohlem Stammtischgeschwätz, was nicht selten Chaos im Kopf hinterlässt. Hinzu gesellt sich in Anbetracht der ständigen Zankereien über Zuständigkeiten der Eindruck, den Abgeordneten selbst fehle der Durchblick. Die gute Nachricht: Zahlreiche Menschen und Organisationen geben sich große Mühe, politische Sachverhalte und Zusammenhänge verständlich und alltagstauglich zu erklären. Es lohnt sich, einen Blick auf ihre Anstrengungen zu werfen.

Besonders hervorzuheben ist die Website der Bundeszentrale für Politische Bildung (https://www.bpb.de). Neben zahlreichen Informationen und News bringt die bpb eine Zeitschrift heraus, die auf Wunsch unentgeltlich nach Hause geliefert wird. Darüber hinaus sind Sonderausgaben zu speziellen Themen erhältlich, die von Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen verfasst werden. Weiterhin gibt es die Parlamentszeitung (http://www.das-parlament.de), die sowohl gedruckt als auch digital angeboten wird, Letzteres kostenlos. Auch die Bundestagsseite selbst bietet grundlegende Informationen, wahlweise in leichter Sprache.
Wer sich für ein konkretes Thema interessiert, kann sich Broschüren² auf den Websites der jeweiligen Bundesministerien kostenfrei herunterladen oder gedruckt liefern lassen.
Weiterhin gibt es die Möglichkeit, Fragen direkt an Politiker zu richten. (Mehr dazu in den folgenden Abschnitten.)

Auch hinsichtlich der Wahlen im September 2017 wird an Überblicken gearbeitet. Einfache Thesen und Positionen der antretenden Parteien zeigt beispielsweise der Wahl-O-Mat (https://www.wahl-o-mat.de/bundestagswahl2017/), der darüber hinaus ermittelt, mit welcher Partei die eigenen Angaben am besten übereinstimmen.
Eine weitere Möglichkeit, um eine grobe Übersicht zu erhalten, sind die Kurzprogramme auf den einzelnen Homepages der Parteien.

Politiker sind doch alle gleich

Wieder beim Polittalk eingeschlafen, weil das Herumgeeiere und die immer gleichen Phrasen besser wirken als jedes Mittel aus der Apotheke? Augenrollen beim hundertsten nichtssagenden Wahlplakat? Der Einheitsbrei, der in die Öffentlichkeit dringt, ist häufig fad und ermüdend. Es bleibt unklar, was die einzelnen Politiker und die Parteien als Ganzes eigentlich wollen. Um hier die Würze zu finden, muss etwas detaillierter geschaut werden.

Die Ziele und Handlungen einzelner Politiker lassen sich dank Internet relativ leicht verfolgen. Neben der eigenen Homepage sind viele von ihnen auf Facebook und/oder Twitter sowie Blogs aktiv. Wem sie in den sozialen Netzwerken folgen und was sie kommentieren, sagt ebenfalls einiges über die Einstellung aus.
Eine Möglichkeit, um die für die eigene Region zuständigen Politiker ausfindig zu machen, ist der Besuch der Seite http://www.abgeordnetenwatch.de/. Hier kann nach Postleitzahl gefiltert werden. Darüber hinaus können öffentlich Fragen gestellt werden. Die Seite gibt in Prozent an, wie viele der gestellten Fragen bisher beantwortet wurden – auch hieraus lässt sich ein gewisses (Des)interesse der Volksvertreter am Austausch ableiten.  
Die beste Methode, um die Übereinstimmung zwischen Worten und Taten zu ermitteln, sind die namentlichen Abstimmungen. Diese Form der Abstimmung kommt im Bundestag bei politisch umstrittenen Fragen zum Einsatz. Hier zeigt sich an ganz konkreten Themen, wofür sich der/sie jeweilige Abgeordnete tatsächlich einsetzt. Die Ergebnisse aller namentlichen Abstimmungen finden sich hier: https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/liste. Auf der Bundestagesseite jedes Abgeordneten können die Abstimmungen ebenfalls eingesehen werden.

Die Pläne der Parteien sind in deren Programm festgehalten. Diese sind jedoch recht umfangreich und zunächst nur Theorie. Um die "praktische Richtung" besser einschätzen zu können, ist es hilfreich, auf die Fragen, Anträge, Gesetzesentwürfe und Stellungnahmen zu achten. Sie machen deutlich, welche Themen für die jeweilige Partei Priorität haben und welche Lösungsvorschläge favorisiert werden – und ob überhaupt problemorientierte Ansätze kommen. Alle erwähnten Punkte werden auf https://www.bundestag.de/drs zusammengetragen sowie in der Tagesordnung angekündigt.

Politiker sind Lobbyisten, keine Volksvertreter

Viele Menschen beklagen, dass sie sich nicht gehört fühlen. Wie auch, wenn sie sich nicht melden?
Um die Interessen des Volkes vertreten zu können, müssen Politiker die Interessen der Bürger kennen. Neben Umfragen und Bürgerbriefen steht der direkte Kontakt mit Menschen aus dem Wahlkreis im Vordergrund. Wenn wir möchten, dass unsere Interessen vertreten werden, müssen wir sie mitteilen – nicht nur unseren Bekannten und dem Schankwirt in der Kneipe. Das heißt konkret: Treffen besuchen, schreiben, anrufen. Die Reaktionen der jeweiligen Politiker zeigen, wie ernst die Anliegen genommen werden. Erhalten wir eine (halbwegs) zeitnahe Antwort? Ist es eine echte Antwort, die auf die Frage/Bitte eingeht, oder nur eine lieblose Abspeisung? Auf der folgenden Seite können Abgeordnete samt Kontaktdaten gefunden werden: http://www.bundestag.de/abgeordnete18/.

Möchte man sich nicht an einzelne Politiker richten, gibt es die Möglichkeit, Bitten und Beschwerden in Form von Petitionen beim Bundestag einzureichen. Dies kann auch online erledigt werden: https://epetitionen.bundestag.de/.
Öffentliche Petitionen können von anderen Bürgern eingesehen, diskutiert und mitunterzeichnet werden. Die Diskussionen machen einmal mehr deutlich, dass eigene Ansichten und Wünsche nicht das Maß aller Dinge sind. Wir sind zwar Teil des Volkes, die Interessen des Volkes müssen jedoch nicht zwangsläufig mit den eigenen übereinstimmen.

Wer ganz sicher gehen möchte, dass seine Stimme gehört wird und in hohem Maße mitgestalten will, sollte sich mit dem Gedanken eines Parteieintritts befassen; oder eine neue gründen. Auskunft über bestehende Parteien bietet die folgende Seite: https://www.bundeswahlleiter.de/parteien/unterlagensammlung/downloads.html. Tipps und Infos vom Bundeswahlleiter zur Parteigründung sind hier zu finden: https://www.bundeswahlleiter.de/parteien/parteigruendung.html.
Wer Parteien generell ablehnt, kann parteiloser Politiker werden. Die Voraussetzungen können auf Parteilose Bewerber nachgelesen werden.

Irre verirren sich…

…mitunter auch in die Politik. Wie dieser Artikel zeigt, hinterlassen sie jedoch Spuren, die sich mit ein wenig Interesse leicht verfolgen lassen.

Quelle: Pixabay

 

Sind die "schwarzen Schafe", die alle negativen Vorurteile verkörpern, Grund genug, um die Politik insgesamt als Kasperletheater, Schmierenkomödie oder Club der Verschwörer abzutun? Oder anders gefragt:

Lohnt es sich überhaupt, Vertrauen in (die) Politik zu setzen?

Um diese Frage zu beantworten, sollte zunächst jeder für sich die eigene Aktionsbereitschaft und die individuelle Grenze der Gleichgültigkeit überdenken. Ist es mir egal, dass ich trotz teurem Loft und hoher Fixkosten genügend Geld für Schnickschnack zur Verfügung habe, während mein Arbeitskollege bei gleicher Leistung in einem Zelt hausen muss, nur weil der Chef meine Piercings so hübsch findet? Nehme ich das Risiko einer Vergiftung in Kauf, weil der Lebensmittelhersteller Tests vor Eintritt in den Markt für überflüssig hält? Wie reagiere ich, wenn meine Oma mit Herzinfarkt nicht behandelt und das brennende Kinderheim nebenan nicht gelöscht wird, weil Ärzte und Feuerwehr keine Lust haben, heute zu arbeiten? Oder weil sie Kinderhasser und zudem der Meinung sind, alte Leute gehören eh auf den Friedhof? Wem diese Szenarien nichts ausmachen, der kann tatsächlich auf Politik verzichten und das Leben als Roulettespiel genießen. Alle anderen müssen sich die Frage stellen, ob sie sich um all diese Dinge selbst kümmern möchten – und werden! – oder ob sie es bequemer fänden, wenn sich andere dafür einsetzten. Genau darum geht es in der Politik: die "Gestaltung der Ordnung eines Gemeinwesens und Lenkung des individuellen Verhaltens seiner Mitglieder"³. Dinge, die das Miteinander betreffen, werden geregelt.
Damit keine (gänzlich) Irren völlig losgelöst von der Gesellschaft nach Lust und Laune lenken, gibt es in Deutschland das Modell der Volksvertreter. Diese Menschen zerbrechen sich über unsere Probleme den Kopf, sie reisen durch das Land und hören sich unsere Interessen an – dies setzt voraus, dass wir diese kommunizieren. Kanäle und Möglichkeiten hierfür gibt es reichlich.
Fazit? Vertrauen in Politik lohnt sich, in die Politik nicht unbedingt – man sollte darauf achten, wer sie macht.

 

Anmerkungen:

1) Siehe hierzu: https://www.bundestag.de/blob/411744/c3898daa35546221e4853f2925dae036/wd-1-050-08-pdf-data.pdf.
2) Auch zu finden über Google durch Eingabe von "Thema Broschüre", beispielsweise "Steuern
Broschüre" oder "Mutterschutz Broschüre".
3) Gabler Wirtschaftslexikon: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/politik.html (28.08.2017).

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