Reise in die sprachliche Vergangenheit - Die korrekte Anwendung der deutschen Zeitformen

TaschenuhrJeder, der Douglas Adams "Restaurant am Ende des Universums" gelesen hat, weiß über die Probleme der korrekten grammatischen Zeitenbildungen bei Zeitreisenden Bescheid. Es liegt auf der Hand, dass es sprachlich sehr schwer ist, einem Bekannten in der Gegenwart zu erklären, dass man in in näherer Zukunft in die Vergangenheit reisen wird, um dort etwas zu tun, was Einfluss auf die Zukunft haben wird, aus der man eigentlich kommt (oder heißt es "gehabt haben wird"?).

Während die Protagonisten aus Douglas Admas Roman ein komplexes Nachschlagewerk mit dem Namen "1001 Tempusbildungen für den Zeitreisenden" benötigen, haben wir es – aufgrund der Nichtexistenz von Zeitreisen – doch relativ einfach. Und dennoch stößt man immer wieder auf merkwürdig klingende oder sogar völlig falsche grammatikalische Konstruktionen.

Aber keine Angst. Dieser Artikel schafft Abhilfe!

Ein Blick über die Zeiten

Können Sie sich noch an ihre Schulzeit erinnern? Sicherlich, aber wenn Sie nicht gerade täglich mit Tempi und anderen Wunderwerken der Grammatik jonglieren, dann schwirrt ihnen sicherlich schnell der Kopf. Aus diesem Grund beginnen wir mit einem kleinen Überblick über die möglichen Zeiten in der deutschen Sprache.

Stark vereinfacht dargestellt, gibt es drei verschiedene Zeiten: Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit.

Die Gegenwart, im lateinischen als Praesens bezeichnet, bereitet am wenigstens Kopfzerbrechen. "Ich gehe einkaufen" bezieht sich auf die Gegenwart. Der Erzähler geht jetzt gerade einkaufen. Ein Unterscheidung, ob er etwas jetzt gerade im Augenblick macht oder ob es sich um einen dauerhaften Zustand handelt wie zum Beispiel "Ich esse gerne Pizza" gibt es im Deutschen glücklicherweise nicht.

Die Zukunft (lat. Futur) ist den meisten Menschen auch noch geläufig: "Ich werde einkaufen gehen" bedeutet, dass der Erzähler vorhat, einkaufen zu gehen, es aber aktuell noch nicht macht.

Etwas komplizierter wird es, wenn wir in die Vergangenheit blicken. Hier gibt es nämlich nicht nur eine Form, sondern gleich drei an der Zahl.

Die "normale" Vergangenheit (lat. Praeteritum) lautet für den oben stehenden Satz: "Ich ging einkaufen". Diese Form wird oft in der schriftlichen Form verwendet, allerdings wesentlich seltener gesprochen. Lediglich in Norddeutschland ist diese (mündliche) Ausdrucksweise hin und wieder zu hören.

Wenn man von etwas Vergangenem erzählt (im Sinne von "sprechen"), wird meist die vollendete Vergangenheit (lat. Perfect) verwendet, also "Ich bin einkaufen gegangen". Diese Ausdrucksweise ist nur bedingt richtig, hat sich aber mittlerweile soweit in den Sprachgebrauch (der gesprochenen Sprache) soweit ausgebreitet, dass sie allgemein akzeptiert wird – auch wenn sie zu unüberwindbaren Problemen führt, wie wir später noch sehen werden.

Darüber hinaus gibt es eine Begründung, um für eine Erzählung das Perfect zu verwenden: Wenn eine Handlung abgeschlossen (vollendet) ist, aber immer noch eine Relevanz für die Gegenwart besitzt, sollte man die vollendete Vergangenheit verwenden. Ein Ehemann, der abends zu spät nach Hause kommt, wird beispielsweise sagen: "Ich habe einen Unfall gebaut". Das Bauen des Unfalls hat nämlich durchaus noch einen Bezug auf die Gegenwart. Deshalb ist er schließlich zu spät gekommen.

Wenn etwas abgeschlossen ist und nichts mehr mit dem aktuellen Geschehen zu tun hat, dann verwendet man auch im gesprochenen Wort das Praeteritum. Ein Beispiel hierfür ist: "In meiner Kindheit schien zu meinem Geburtstag immer die Sonne". Den Satz ins Perfect zu verdrehen, also: "In meiner Kindheit hat zu meinem Geburtstag immer die Sonne geschienen" ist (zumindest in geschriebener Form) nicht korrekt!

Wie oben schon erwähnt, ist für geschriebene Erzählungen das Perfect tabu. Hier wird grundsätzlich das Praeteritum verwendet. Warum es das Perfect dennoch gibt, wenn es eigentlich in einer Erzählung nicht verwendet werden sollte, werden wir gleich sehen. Gleich nachdem wir eine noch exotischere Zeit betrachtet haben, nämlich das Plusquamperfekt.

Wenn wir den obigen Beispielsatz in diese Zeit umformen, dann lautet dieser: "Ich war einkaufen gegangen".

Das klingt nur wirklich grausig und kann innerhalb einer normaler Erzählung nicht benutzt werden – weder in einer schriftlichen, noch in einer mündlichen Erzählung. Und nun kommen wir zu den Existenzgründen der zahlreichen Vergangenheitsformen.

Die Rückblende

Wir kennen Rückblenden aus Filmen, wenn eine längst vergangene Szene des Protagonisten in verwaschenen Farben an unseren Augen vorüber zieht. Etwas ähnliches gibt es auch in der Sprache. Da man hier schlecht die Buchstaben in einer anderen Farbe oder verschwommen darstellen kann, bedient man sich eines Zeitsprungs.

Nehmen wir an, dass sie sagen möchten, dass sie Tomaten gekauft haben und diese nun kochen wollen. Dann sagen sie das genau so, nämlich: "Ich habe Tomaten gekauft und koche diese jetzt."

Auffällig sind nun die beiden Zeitformen. "... koche diese jetzt" ist Praesens, also Gegenwart. Der Kauf der Tomaten ist aber vergangen (und hat zudem auch noch eine Wirkung auf die Gegenwart, denn sie möchten genau diese gekauften Tomaten ja nun kochen). Aus diesem Grund steht der erste Satz im Perfect (man beachte: zwei Zeitstufen vor dem Praesens, also nicht das Praeteritum): "Ich habe … gekauft".

Genau dieser Sprung über zwei Zeitstufen hinweg ist eine typische Eigenart der Rückblende. Damit erklärt sich nun auch, wofür das Plusquamperfekt eingesetzt wird, nämlich für die Rückblende einer Erzählung, die selbst im Praeteritum verfasst ist, denn zwei Zeitstufen unterhalb des Praeteritum liegt das Plusquamperfekt.

Der obige Satz korrekt in die Vergangenheit gesetzt, muss also lauten: "Ich hatte Tomaten gekauft und kochte diese nun." Also: Plusquamperfekt für die Rückblende und Praeteritum für die eigentliche Handlung.

Nun wird weiterhin auch klar, warum eine Erzählung (eigentlich) niemals im Perfect stattfinden kann. Der Hauptsatz "Ich koche die Tomaten" ins Perfect gesetzt lautet: "Ich habe Tomaten gekocht". Wenn sie nun noch einen rückblickenden Satz anführen möchten, in dem sie erzählen, dass sie davor Tomaten gekauft haben, müssten sie aus dem Perfect zwei Zeitstufen zurück springen – mitten hinein in eine Zeit, die (zumindest in der deutschen Grammatik) nicht existiert.

Die perfekte Rückblende

Gehen wir kurz davon aus, dass sie einen Roman schreiben, den sie im Praeteritum verfassen. Nun fügen Sie eine Rückblende ein, die sich über mehrere Sätze erstreckt. Das bedeutet, dass alle Sätze, die zur Rückblende gehören, im Plusquamperfect verfasst werden müssen. Lesen Sie sich folgendes Beispiel durch und lassen Sie die Worte auf ihrer Zunge zerfließen:

Er öffnete die Tür. Was er sah, erinnerte ihn unweigerlich an seine Kindheit, an die Zeit, in der er noch Träume gehabt hatte. Damals war er noch zur Schule gegangen. Seine Noten waren immer gut gewesen, aber dennoch hatte er es seinen Eltern niemals recht machen können. Bis zu jenem Tag, als er sich für "Jugend forscht" angemeldet hatte.

Die Sätze klingen durch das Plusquamperfect holprig. Deshalb gibt es einen kleinen Trick, den erfahrene Autoren anwenden. Nur der erste und der letzte Satz der Rückblende wird im Plusquamperfekt verfasst, die Sätze dazwischen in der normalen Vergangenheit. Wenn dieser Trick auf das obige Beispiel angewendet wird, klingt das ganze schon viel besser:

Er öffnete die Tür. Was er sah, erinnerte ihn unweigerlich an seine Kindheit, an die Zeit, in der er noch Träume gehabt hatte. Damals ging er noch zur Schule. Seine Noten waren immer gut, aber dennoch konnte er es seinen Eltern niemals recht machen. Bis zu jenem Tag, als er sich für "Jugend forscht" angemeldet hatte.

Viel besser, oder?

Ich hoffe, dass Ihnen der kleine Ausflug in die Zeit nicht nur den Kopf verwirrt, sondern auch ein klein wenig Spaß gemacht hat, und vor allen Dingen, dass Sie sich ein klein wenig merken konnten und zumindest in der schriftlichen Sprache nun immer die korrekten Zeitformen benutzen.

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