Jacqueline Macaulay, Wanja Mues

Jacqueline Macaulay, Wanja Mues (Bild: © Joachim Hiltmann)

Staatsverteidiger gegen Systemkritikerin

Thomas wird von Wanja Mues gespielt, der mit Verve und Überzeugungskraft zu Werke geht, aber mitunter den Sachverstand zu verlieren scheint und an den Rand argumentativer Erschöpfung gerät. Dabei weiß er alles über sein "Opfer", er kennt alle ihre Anrufe, ihren Ex-Mann, ihre privaten Treffen und sogar ihre wissenschaftlichen Schriften. Auf Judiths (Jacqueline Macaulay) Ungläubigkeit kontert er mit den Errungenschaften der Technik, die vieles möglich mache, an das früher gar nicht zu denken war. Kehlmann spannt den Bogen weit: Judith spricht den Kolonialismus, die materielle Ausbeutung Afrikas und die Rechte der Unterdrückten an. Und dann die Verteilungs(un-)gerechtigkeit! Wie kommt es innerhalb der Bevölkerung zu extrem Reichen und völlig Verarmten? Hat es nicht seine Berechtigung, in einer Welt, die durch Brutalität und Rücksichtslosigkeit geprägt ist, Widerstand zu leisten und das Gebäude zum Einsturz zu bringen, um das Leben menschlicher zu gestalten? Judith versucht sich in Subtilität (den man ihr auch nicht absprechen kann) und macht ein paar Terroranschläge verwantwortlich für einen Sicherheitswahn, der so weit geht, das Privatleben von Friedlichen und Ungefährlichen zu belästigen. Und Thomas ist einer von jenen, die mit allen Mitteln gegen den Terror ankämpfen, und Bomben sehen, die gar nicht vorhanden sind.

 

Ein Duell ohne Sieger

Offensichtlich haben es die Besucher*innen schwer, Empathie und Sympathie für eine der Figuren zu entwickeln. Thomas hat sich in seine Aufgabe, eine vermeintliche Bombe vor der Zeit zu entschärfen, gänzlich verbohrt, bis hin zu Rechthaberei und Halsstarrigkeit. Irgendwie hinkt das Stück ein wenig, einen Gewinner kann es gar nicht geben, zu drastisch sind die verhärteten Gegensätze. Ehrlich gesagt, so wie Jacqueline Macaulay auftritt, traut man ihr trotz aller Systemabneigung keine derartige Gewaltaktion zu. Der Regisseur Jakob Fedler lässt sie so spielen, als sei sie eine ewige Querulantin, die ihre Aversion gegen die aktuellen (westlichen) Verhältnisse vornehmlich in weltanschaulichen Streitgesprächen auslässt. Im Übrigen eignet sich eine Philsophie-Professorin denkbar schlecht für Aktivitäten der radikalen Art, für diesen Job ist denn doch ein wenig zu weich. Und Thomas ist ein Musterbeispiel eines BKA-Sympathisanten, der an jeder Ecke Staatsfeinde lauern sieht. Kehlmann baut ein wenig Spannung auf, aber richtig spannend wird es nie. Immerhin liefert die Aufführung eine Menge Denkstoff.

 

Heilig Abend

Ein Stück für zwei Schauspieler und eine Uhr von Daniel Kehlmann

Regie: Jakob Fedler, Ausstattung: Dorien Thomsen, Produktionsleitung: Markus Bader, Licht: Thomas Kokau.

Es spielen: Jacqueline Macaulay, Wanja Mues

Renaissance Theater Berlin, Gastspiel vom 12. Februar 2019

 

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