Renaissance Theater Berlin: Kritik von "Konstellationen" - von Nick Payne
Gemäß der Quantenphysik kann ein Mensch mehrere Lebensläufe haben. So kommt es, dass eine Beziehung mehrmals durchgespielt wird. Nur in anderen Versionen.
Suzanne von Borsody
© Manfred Werner / Wikipedia
Viele Leben in einem
Der 1984 geborene britische Autor Nick Payne gilt mittlerweile als Jungstar und wurde auch mit Preisen gewürdigt. Die Regie von "Konstellationen" hat Antoine Uitdehaag übernommen, es spielen die beiden bekannten TV-Schaupieler*innen Guntbert Warns und Suzanne von Borsody. Da sie aus dem von Unterhaltungsserien geprägten Fernsehen und nicht aus dem Theater kommen, greifen sie auch zu einem anderen künstlerischen Handwerk – und man merkt es. Das Publikum sieht keine fein ziselierten Gesichtsausdrücke, keine ausdrucksstarken Gesten, die handlungsbestimmend sein können und unter Umständen mehr aussagen als irgendwelche Worte. Stattdessen ein häufiger Wechsel von gespielten Masken, von denen die beiden Akteure glauben, dass sie zur Darstellung gewisser Alltagsszenen und zur Hervorrufung von Stimmungsbildern passen. Der philosophische Kernpunkt des Abends – eine Vielzahl von Biografien gemäß der Quantenphsyik – ist im Gunde reine Spekulation, die sich als Gehirnkonstrukt erweist. Und wenn es diese Paralleluniversen tatsächlich gäbe, was würde sich an unserem Leben ändern? Genau besehen ist diese Theorie nur ein Vorwand, um verschiedene Lebensversionen durchspielen zu können, so wie es Yazmina Reza in "Drei Mal Leben" vorexerziert hat.
Kniefälle für die Institutionalisierung der entbrannten Leidenschaft
Insgesamt werden vier Lebenskonstellationen durchgespielt, sofern nicht eine kaum auszumachende kleine Zwischenepisode arrangiert wurde. Roland muss ihr dreimal ein feuriges Liebes- bzw. Hochzeitsangbot machen, bis sie – für ihn durchaus verblüffend – endlich zusagt. Zuerst macht er vor ihr einen theatralischen Kniefall, der beim zweiten Versuch schon wesentlicher glühender gerät. In jedem Situationsgefüge ist es ein anderes Leben im gleichen, das lediglich neu variiert wird. Dementsprechend tauchen wie aus dem Nichts kleinere und größere Krisen auf. Einmal schläft er bei ihr, aber in einem separaten Bett. Sie gesteht, dass sie ihn mehrmals mit irgendeinem Jakob betrogen habe, und er vertrieb sich seine Zeit horizontal mit Adelheid. Derartige Szenen können inhaltlich betrachtet durchaus eine Menge Komik enthalten, doch es fehlen die Situationskomik, das Herauskitzeln des Humoristischen. Am Ende treibt die (Liebes-)Geschichte in den Abrund, sie können nicht mehr miteinander, zumal Marianne trotz angeblicher positiver Biopsie-Resultate vom Krebs angefressen wird und zu einer Art Legasthenikerin degeneriert. Was hier abgespult wird, ist ein nett gemeintes Unterhaltungsprogramm, ganz auf Fernseh-Format getrimmt. Und das scheint im Renaissance Theater gut anzukommen, bei allen Altersklassen. Im Gegensatz zu den Premieren fühlte man sich diesmal wie bei einer Altersheim-Vollversammlung.
Konstellationen
von Nick Payne
Regie: Antoine Uitdehaag, Ausstattung: Momme Röhrbein, Musik: Het Palais van Boem-
Mit: Guntbert Warns und Suzanne von Borsody.
Renaissance Theater Berlin
Premiere war am 17. Märtz 2017, Kritik vom 20. März 2017
Dauer: 90 Minuten
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)