Boris Aljinović

© Wikimedia/ Franz Richter

 

Aus einem harmlosen Verhör wird bitterer Ernst

Es fängt alles ganz harmlos an. Das Paar (Anika Mauer und Boris Aljinović), offensichtlich etabliert und finanziell saturiert, hält sich in den eigenen vier Wänden auf, wo vor allem eine geschmacklose Ledercouch auffällt. Ein molliger Ohrensessel fehlt, er ist ersetzt durch einen kiefernen, mit Kissen bedeckten Stuhl. Sogar eine Einbauküche ist vorhanden und ein Fahrrad – kurz, eine passable, bürgerliche Wohnung ohne ambitionierte Dekor-Raffinessen. Von ehelicher Harmonie erfährt man nicht viel – der Regisseur Antoine Uitdehaag steigt gleich voll ins Thema ein. Die Lektorin kommt von einem beruflichen Treffen mit einem Schriftsteller, der neben seiner künstlerischen Reputation den Ruf eines charmanten, libidinös orientierten Frauenverbrauchers hat. Hellwach geworden, will der Jurist nun alles über die angebliche Unwiderstehlichkeit des Fremden wissen. Was anfangs wie ein Spiel, ein harmloses Verhör aussieht, wird schnell bitterer Ernst: Alles, was sie sagt, ist falsch und verleitet zu neuen bohrenden Fragen, die immer absurder werden. Auch dass sie ein vorgeschlagenes Abendessen mit dem Schriftsteller ablehnt, ist für ihren Partner nur ein Grund, noch eifersüchtiger zu werden. Entweder sie wollte den Eroberer nur zappeln lassen oder sie handelte aus Mitleid. Deshalb besteht der Jurist auf einen Anruf – und zerstört damit die Partnerschaft.

 

Meister der Virtualität

Es ist dies eine Inszenierung, bei der selten Langeweile aufkommt. Nach einer halben Stunde fragt man sich, ob denn die beiden Schauspieler dieses Niveau durchhalten können. Das können sie, wenn auch der Schluss mit der auf Vernunft und Unersättlichkeit beruhenden Versöhnung etwas arg abrupt daherkommt. Aljinovićs Figur, rhetorisch überlegen, köstlich im Durchspielen von Varianten, gibt keinen Anlass zur Verärgerung, obwohl man sich mit ihr nicht identifizieren kann. Selbst in seinen eifersüchtigsten Momenten bewahrt der Ex-Tatortkommissar Aljinović immer noch ein gewisses Fluidum, das ihn wie eine Schutzhülle umgibt und quasi den Wahn weniger fühlbar werden lässt. Er ist hier ein Meister der Virtualität, der wie ein Fließbandarbeiter des Denkens die amüsantesten Eventualitäten ausgräbt. Und Anika Mauer spielt ihre Rolle geduldig, gelassen zuweilen, mit dem Anflug eines domestizierten Vamps. "Diese armselige Rhetorik", sagt sie einmal. Dabei gelingen ihm grandios-nachdenkenswerte Sätze, etwa: "Warum müssen zwei, die sich einmal geliebt haben, zur Strafe sich ewig lieben." Die ganze Inszenierung lebt von den espritreichen, spritzigen Dialogen, die selten ins Profan-Flache abkippen und auch nicht für Schenkelkopf-Lacher konzipiert sind. Es sind die subtilen, ironischen, mitunter zynischen Bemerkungen und versteckten ingeniösen Boshaftigkeiten, die dem Drama einen ungewöhnlichen Schwung verliehen. Sicherlich, es gibt auch Schwächen, beispielsweise die Rahmenhandlung mit einem mexikanischen Kannibalen, die zu sehr ins Absurde abdriftet. Aber letztlich ist es eine sehenswerte Inszenierung.

Unwiderstehlich

von Fabrice Roger-Lacan

Deutsch von Wolfgang Kirchner

Regie: Antoine Uitdehaag, Bühne: Momme Röhrbein, Kostüme: Erika Landertinger, Musik: Het Palais van Boem.

Es spielen: Anika Mauer, Boris Aljinović.

Renaissance Theater Berlin

Premiere vom 21. März 2015

Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, eine Pause

 

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