Im Dauer-Beschwerdemodus

Gesine Crukowski

© Siebbi/Wikimedia

 

Seine Gattin Hannah (Gesine Cukrowski) ist entsetzt, verlässt sich aber weitgehend auf Vernunftargumente und lässt nur hintergründig ihre ökonomische Vormachtstellung durchblicken. Gesine Cukrowski bleibt den Abend über etwas blass, sie ist mittlerweile der Theaterbranche etwas entfremdet und zu sehr von ihren zahlreichen, routiniert heruntergespielten Fernseh-Rollen vereinnahmt. Sie haftet an der Oberfläche, steuert insgesamt wenig Komödiantisches bei und scheint eine Pilgerfahrt zum klassischen Hausfrauendasein zu unternehmen, obwohl sie esoterisch angehauchte Atem-Kurse für gestresste Banker gibt und damit in den Zentren des Hochkapitalismus hockt. Hans-Werner Meyer legt eine Figur hin, die sich im Dauer-Beschwerdemodus befindet und alles rauslässt, selbst vergangene Episoden, beispielsweise Frankfurt. Dort raubte ihm die Obermieterin durch permanentes Möbelrücken die letzten seiner überaus empfindlichen Nerven. Wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Gattin muss er sich irgendwie Luft verschaffen.

 

Aus der Micky Mouse wird eine Mighty Mouse

Hans-Werner Meyer

© Siebbi/Wikimedia

 

Das Eintreffen des Zürcher Paars gleicht nicht unbedingt einem Liebesakt. Das Paar wirkt, als habe es sich allmählich auseinandergelebt und stehe kurz vor der Überwerfung. Magdalena (Judit Rosmair), eine Tierpsychologin, weiß wohl gar nicht, dass sie Roman (Tonio Arango) gar nicht mehr richtig liebt. Sie lässt sich äußerlich gehen, trägt eine Oma-Strickjacke, dazu eine schlecht designte Brille, die nicht zum Gesicht passt. Hochgestecktes Haar wie bei einer verbrauchten Ehe, bei der man sich nicht mehr anstrengt, um zu gefallen oder aufzufallen. Es kommt zu einer Annäherung – wen wundert's? – an Sebastian. Eine kleine Verwandlung beginnt: Sie legt ihre unpassende Brille ab und öffnet das Haar, aus dem Schattengewächs wird eine reizvolle, attraktive Frau. Die Neubelebung ist perfekt, aus der Micky Mouse wird eine Mighty Mouse. Aufgrund der Schlagfertigkeit gelingen Magdalena die besten Pointen, sie sorgt für die meisten Lacher, und gelacht wird gern und viel im Publikum. Wer Judith Rosmair aus der Berliner Schaubühne kennt, weiß, dass sie immer auf hohem Niveau spielt, egal ob es sich um eine Tragödin oder um Slapstick handelt. Ein starker Auftritt, der einige Schwächen der Inszenierung vergessen lässt. Roman hingegen ist ein Datenverarbeiter, der sich um Satelliten kümmert und nach dem richtigen Internet-Passwort kreischt, aber es vom widerborstigen Sebastian nicht bekommt. Letztlich wissen die Figuren nicht, wohin sie lieben und wo sie ihre Gefühle reinstecken sollen. Wahlverwandtschaften? Dann müsste der Partnertausch endgültig vollzogen werden – aber dafür sind sie alle zu experimentierunfreudig. – Eine leichte Komödie, die für viel Heiterkeit sorgt.

Wir lieben und wissen nichts

von Moritz Rinke

Regie: Torten Fischer, Ausstattung: Herbert Schäfer, Vasilis Triantafillopoulos.

Mit: Judith Rosmair, Gesine Crukowski, Hans-Werner Mayer, Tonio Arango

Renaissance Theater Berlin

Premiere am 10. April 2014, Kritik vom 12. April 2014

Dauer: 1 Stunde, 45 Minuten, keine Pause

 

 

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