Rezension: Eat. Sleep. Work. Die? Wirtschaft neu verstehen
Die Autorin Sarina Spiegel zeigt in ihrem Sachbuch Essen. Schlafen. Arbeiten. Sterben?, auf, wie tief ökonomische Denklogiken in unseren Alltag eingreifen können. Sie lädt zum Umdenken ein.Inhalt und Anliegen des Buches
Die Autorin legt mit:Eat. Sleep. Work. Die?, einen provokanten, verständlichen und bildstarken Guide zur Wirtschaft vor, der die Spielregeln unseres Systems hinterfragt.
Ihr Ziel: Die Mechanismen erkennen, um sie bewusst verändern zu können.
Inhalt:
Kritik am Status quo:
Burnout als Statussymbol, Konsum als Ersatztherapie, Gesundheit als App, Spiegel zeigt, wie unser Wohlbefinden zur Ware wird.
Systemverständnis statt Symptombekämpfung:
Sie erklärt wirtschaftliche Grundlagen mit anschaulichen Metaphern – etwa Kolonialismus als Monopoly mit gezinkten Würfeln oder planetare Grenzen als wackeliger Jenga-Turm.
Wirtschaft als gestaltbares System:
Spiegel betont, dass Wirtschaft kein Naturgesetz ist, sondern menschengemacht – und damit veränderbar.
Alternative Modelle:
Sie verweist u. a. auf die Donut-Ökonomie, die menschliches Wohlergehen statt endlosem Wachstum ins Zentrum stellt.
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Wenn Selbstoptimierung zur Währung wird
Das Ich-System im Alltag
Spiegels Kapitel über den Status quo beginnt mit einer Szene, die vielen vertraut vorkommen dürfte: Yasmin liegt in der Nacht in ihrem Bett, scrollt durch Instagram und verliert sich in Vergleichen, mit gleichaltrigen, perfekt aussehenden Frauen. Sie fühlt sich leer – und optimiert gedanklich, endlos, weiter. Was wie ein Einzelfall wirkt, ist längst kollektive Realität. Die Ökonomisierung des Selbst betrifft nicht nur junge Menschen in digitalen Sphären, sondern auch jene, die täglich für andere da sind: Pflegekräfte, Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen, Journalist:innen.
Besonders wer selbstständig arbeitet, kennt den Druck, sichtbar, effizient und belastbar zu sein – oft ohne Netz und doppelten Boden. Spiegel nennt das "Ich-System": ein Zustand, in dem Leistung zum Maßstab für Selbstwert wird und Selbstoptimierung zur stillen Währung. Die To-do-Liste ersetzt das Gefühl von Sinn, und wer nicht funktioniert, gilt als defizitär. Diese Analyse ist unbequem,erfahrungsgemäß hingegen notwendig.
Medien als Verstärker – Wie das Ich-System zur Norm wird
In der Medienbranche zum Beispiel, wird das Ich-System nicht nur sichtbar, sondern systematisch verstärkt. Sarina Spiegel zeigt, wie Werbung und Plattformlogiken gezielt Bedürfnisse erzeugen, die sie dann scheinbar, mit Produkten, Routinen und digitalen Versprechen, erfüllen.
Wer in sozialen Berufen oder selbstständig arbeitet, kennt den Druck, nicht nur zu funktionieren, sondern sich dabei auch noch als belastbar, effizient, inspirierend, gut zu verkaufen:
Spiegel beschreibt diese Dynamik mit klarem Blick: Die To-do-Liste wird zum Lebensinhalt, das Belohnungssystem springt bei Produktivität an, und wer nicht mithalten kann, fühlt sich fehlerhaft. Besonders in der Medienwelt, wo Sichtbarkeit zur Währung wird, ist diese Spirale allgegenwärtig. Likes, Reichweite, Selbstvermessung, all das formt ein Bild von Erfolg, das mit innerer Zufriedenheit oft wenig bis nichts zu tun hat.
Als Journalistin, die seit Jahren zwischen Inhalt und Inszenierung navigiert, erkenne ich in Spiegels Analyse eine stille Wahrheit: Die Ökonomisierung des Selbst ist kein Randphänomen, sondern längst Mainstream. Und gerade deshalb lohnt sich der Blick hinter die Kulissen.
Vision statt Verzicht – Wie Wirtschaft dem Leben dienen kann
Sarina Spiegel bleibt nicht bei der Kritik stehen.
Im dritten Kapitel ihres Buches fragt sie: Wohin? und präsentiert Alternativen, die längst existieren, aber selten in den Mainstream-Diskurs vordringen. Die Donut-Ökonomie etwa stellt nicht Wachstum, sondern menschliches Wohlergehen ins Zentrum. Die Gemeinwohl-Ökonomie bilanziert nicht nur Profit, sondern zusätzlich die soziale Wirkung. Und die gedachte Kreislaufwirtschaft wird mit ihren Ressourcen nicht linear, sondern regenerativ eingesetzt.
Spiegel erklärt diese Modelle nicht als Utopien, sondern als realistische Zielbilder. Sie nutzt das Systemdenken, um zu zeigen, wie Rückkopplungen, Dynamiken und blinde Flecken unser Handeln prägen und wie wir sie bewusst gestalten können. Ihre Sprache bleibt dabei zugänglich, ihre Haltung ermutigend: Wirtschaft ist menschengemacht. Und damit veränderbar.
Wirtschaft neu denken – konkret und visionär
Spiegels Antwort auf das Ich-System ist kein moralischer Zeigefinger, sondern ein systemischer Perspektivwechsel. Sie fragt nicht: Was läuft falsch?, sondern: Wie könnte es besser laufen?,
und sie zeigt, dass es längst Modelle gibt, die Wirtschaft nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum guten Leben verstehen.
Da ist die Donut-Ökonomie,
- die soziale Bedürfnisse und ökologische Grenzen in Balance bringt
- Die Wellbeing Economy, in der Regierungen das Wohlergehen der Bevölkerung über das Bruttoinlandsprodukt stellen
- Die Gemeinwohl-Ökonomie, die Unternehmen nach ihrem gesellschaftlichen Beitrag bewertet
- Und die Kreislaufwirtschaft, die Ressourcen nicht verbraucht, sondern regeneriert.
Spiegel erklärt diese Ansätze nicht als Utopien, sondern als Zielbilder, konkret, verständlich und mit Blick auf ihre systemische Wirkung. Sie nutzt das Systemdenken, um zu zeigen, wie Rückkopplungen, blinde Flecken und narrative Prägungen unser Handeln beeinflussen. Und sie macht deutlich: Wer Wirtschaft neu denken will, muss auch bereit sein, alte Denkmuster zu hinterfragen.
Fazit: Ein Sachbuch, das bleibt
Eat. Sleep. Work. Die?, ist kein Ratgeber, der schnelle Lösungen verspricht. Es ist ein Denkraum, unbequem, bildstark und überraschend zugänglich.
Sarina Spiegel gelingt es, komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge so zu erklären, dass sie wahrscheinlich, nicht nur verstanden, sondern gespürt werden. Ihr Buch ist ein Weckruf für alle, die sich fragen, warum das Leben sich manchmal wie eine Schritt für Schritt Anleitung, einem Algorithmus anfühlt und was wir gegen diese scheinbar fremdbestimmte Eintönigkeit tun können.
Als Journalistin, die seit Jahrzehnten zwischen Fakten und Resonanz vermittelt, habe ich viele Sachbücher gelesen, die Wirtschaft erklären wollen.
Dieses hier will mehr: Es will entlarven, selbstbefähigen und zum Mitdenken verführen. Spiegel schreibt nicht aus der Warte der Expertin, sondern aus der Perspektive einer reflektierten Beobachterin, die sich selbst als Teil des Systems begreift, privilegiert, aber nicht abgehoben. Ihr Ton ist direkt, ihre Metaphern sind bildstark, und ihr Anliegen ist klar: Wirtschaft ist kein Naturgesetz, sondern ein gestaltbares System. Dieses Buch will nicht belehren, sondern befähigen und das gelingt ihm überraschend gut.
Ulrich Gausmann ist Sozialwissenschaftler und Autor, der sich mit alternativen Wirtschafts- und Finanzprojekten beschäftigt. Er engagiert sich für die Entwicklung von Wirtschafts- und Finanzsystemen, die eine menschlichere Gesellschaft fördern. Gausmann stellt in seinem Buch "Wirtschaft und Finanzen neu gedacht" Alternativen für Wirtschafts- und Finanzsysteme vor und bietet Beispiele für Reale Utopien in der Praxis.
Informationen zur Autorin Sarina Spiegel
Sarina Spiegel studierte internationale Wirtschaft und Public Administration in Bayreuth und London. Sie arbeitete im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und ist aktuell Fellow bei ProjectTogether. Ihre Leidenschaft gilt der Wirtschaftstransformation und dem Systemdenken.
Während viele Wirtschaftsbücher in akademischer Sprache verharren oder sich in Zahlen verlieren, gelingt Sarina Spiegel ein bei Sachbüchern seltener Spagat: Sie schreibt mit der Klarheit einer Wissenschaftlerin, der Bildkraft einer Erzählerin und dem Mut einer Systemkritikerin.
Ihre Erfahrungen reichen von der Gründung eines Start-ups bis zur Transformationspolitik im Bundesministerium und doch bleibt ihr Ton nahbar, provokant und verständlich.
Spiegel ist keine distanzierte Analystin, sondern eine engagierte Vermittlerin. Sie zeigt, wie Wirtschaft nicht nur unser Handeln, sondern zusätzlich unser Denken formt und wie wir beides hinterfragen können.
Ihre Metaphern sind nicht nur eine gedankliche Spielerei, sondern sind zusätzlich ein didaktisches Werkzeug: Wenn beispielsweise Kolonialismus zum Monopoly mit gezinkten Würfeln wird und planetare Grenzen zum wackelnden Jenga-Turm, wird Interessenten schnell klar, worum es ihr geht, um ein neues ökonomisches Bewusstsein, das nicht bei der Kritik stehen bleibt, sondern zum Mitmachen und Mitgestalten einlädt.
Sarina hat zu diesem Zweck extra einen Instagram-Kanal eröffnet::)
Sarina Spiegel: »Eat. Sleep. Work. Die? Wirtschaft neu verstehen: Nur wer die Regeln kennt, kann das Spiel upgraden«; 216 S, Print 17,00 € / 17,50 € (AT), eBook 13,99 € / 14,99 € (AT), ISBN 978-3-98726-164-0
Bildquelle:
Bundesamt für Bevölkerungsschutz
(Wie bereite ich mich auf eine Katastrophe vor?)
Pagewizz
(Die Bedeutung von Wasser im Garten)


