Was sind synchronistische Ereignisse?

Ein synchronistisches Ereignis ist, wie bereits angedeutet, ein Geschehen, das für den Betroffenen eine subjektive Bedeutung hat. Deshalb handelt es sich dabei auch immer um das unerwartete Zusammentreffen eines äußeren Ereignisses mit einem inneren Zustand. Bei Synchronizitäten ergibt sich also aus der subjektiven Bedeutung des synchronistischen Ereignisses für die Beteiligten eine Verknüpfung von innen und außen. Und zwar hat Hopcke zufolge diese zeitliche Übereinstimmung zwischen einem äußeren Ereignis und einem inneren Zustand die Funktion, uns bewusst zu machen, dass wir Teil einer Geschichte sind, die eine Struktur und eine Handlung hat.

Vier Merkmale synchronistischer Ereignisse

Synchronistische Ereignisse besitzen – so Hopke - vier typische Merkmale. Erstens sind solche Ereignisse akausal miteinander verknüpft, also nicht durch eine Kette von Ursache und Wirkung, die der Betroffene als beabsichtigt und selbst verursacht erkennen kann. Die Verknüpfung synchronistischer Ereignisse steht damit im Widerspruch zum modernen westlichen Weltbild mit seiner Dominanz des Kausalitätsprinzips. Zweitens gehen synchronistische Ereignisse stets mit einer tiefen emotionalen Erfahrung einher und verletzen damit das westliche Ideal größtmöglicher Objektivität. Drittens haben synchronistische Ereignisse immer Symbolcharakter und damit die Funktion, Unbewusstes bewusst zu machen. Es geht hier vor allem um das kollektive Unbewusste, das sich – wie Jung gezeigt hat – aus Symbolen, den sogenannten "Archetypen" zusammensetzt, also aus allen Menschen gemeinsamen Denkweisen, Gefühlen und Phantasien. Diese werden in für den Menschen typischen Situationen und bei bestimmten Erfahrungen sichtbar wie z.B. beim Erwachsenwerden oder beim Umgang mit scheinbar unlösbaren Problemen. Dies verweist auf das vierte Merkmal von synchronistischen Ereignissen, nämlich ihr Zusammentreffen mit wichtigen Übergangsphasen in unserem Leben. Das heißt: Synchronistische Ereignisse finden dann statt, wenn wir an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt stehen und vielleicht nicht wissen, wie es weitergehen soll. In einer solchen Situation befähigen uns synchronistische Ereignisse dazu, uns weiterzuentwickeln und dadurch den Übergang zu einer neuen Lebensphase zu schaffen, und zwar indem sie uns ein tieferes Verständnis der Geschichte vermitteln, die wir von Tag zu Tag leben. Synchronistische Ereignisse geben deshalb unseren Lebensgeschichten oft eine ganz neue Wendung, unser Leben folgt plötzlich einem neuen "Drehbuch". Tatsächlich stellt ein synchronistisches Ereignis – so Hopcke - oft die bisherige Lebensauffassung eines Menschen radikal in Frage.

Liebesglück (Bild: geralt/Pixabay.com)

Freundschaft (Bild: geralt/Pixabay.com)

Liebe und Freundschaft

Gerade Liebesgeschichten und Freundschaften beginnen – so Hopcke – häufig mit einem synchronistischen Ereignis. Und zwar geht es hier um die Erkenntnis, zur richtigen Zeit und unter den richtigen Umständen den richtigen Menschen getroffen zu haben. Solche Erlebnisse sind deshalb auch immer von einem Gefühl der Unvermeidbarkeit begleitet. Das bedeutet aber auch, dass Liebe nicht eine Frage der "rationalen Wahl" des "richtigen" Partners, also eines Partners mit der "richtigen Kombination von Eigenschaften" ist, dass es vielmehr darauf ankommt, dass wir bereit sind, unsere innere Einstellung durch ein äußeres Ereignis so zu ändern, das uns zeigt, wie ein anderer Mensch wirklich ist. Menschen treffen mit anderen Worten oft mit dem Kopf Entscheidungen, die im Widerspruch zu ihren Gefühlen stehen, bis sie schließlich durch eine synchronistisches Ereignis, das ihre Pläne über den Haufen wirft und ihr Leben grundlegend verändert, die Macht der Liebe kennenlernen. Insofern können synchronistische Ereignisse dazu beitragen, dass wir erkennen, dass jemand, den wir für den falschen Partner hielten, der richtige ist, und dass jemand der falsche Partner ist, den wir für den richtigen hielten. Was in diesem Zusammenhang immer wieder überrascht, ist für Hopcke das präzise Timing der Zufälle, die Menschen zusammenführen. Ebenso wichtig wie die Liebe oder vielleicht noch wichtiger sind, wie Hopcke betont, für viele Menschen Freundschaften, und zwar deshalb weil "deren anhaltende Glut uns innerlich wärmt, statt uns zu verzehren" oder weil – so eine "alte Weisheit" – "ein wahrer Freund mehr wert sei als hundert Geliebte". Grundvoraussetzungen einer Freundschaft sind – so Hopcke – physische Nähe und gemeinsame Interessen.

Synchronistische Ereignisse im Berufsleben

In vielen Geschichten über Synchronizitäten im Arbeitsleben, die ihm anvertraut worden sind, ist Hopcke eine Gemeinsamkeit aufgefallen. So hatten sich seine Gesprächspartner oft für eine bestimmte berufliche Richtung entschieden, da brachte ein synchronistisches Ereignis sie überraschend vom eingeschlagenen Kurs ab und bescherte ihnen auf wundersame Weise eine andere, befriedigendere Arbeit oder führte sie auf ein völlig anderes Betätigungsfeld, das ihnen "viel mehr lag". Solche wahren Geschichten über hilfreiche Zufälle in unserem Arbeitsleben können wirklich – so Hopcke – den Zauber und die Dramatik von Märchen haben.

Weg nach oben (Bild: OpenClips/Pixabay.com)

Beruflicher Erfolg (Bild: geralt/Pixabay.com)

Synchronizität und Träume

Wie gezeigt, verlaufen Synchronizitäten im Privat- und Berufsleben von "außen nach innen". Das heißt: Ein ungewöhnliches äußeres Ereignis fällt auf bedeutungsvolle Weise mit dem inneren Zustand der Person, die davon betroffen ist, zusammen, nimmt also eine bestimmte emotionale und symbolische Bedeutung an. Demgegenüber verlaufen Synchronizitäten im Zusammenhang mit Träumen von "innen nach außen". Hier trifft also ein inneres Ereignis durch reinen Zufall und auf bedeutsame Weise mit einem äußeren Umstand zusammen. In einem synchronistischen Traum wird mit anderen Worten die innere Geschichte erzählt, bevor die entsprechende äußere Begebenheit eintritt. Diese Koinzidenz eines Traumbilds mit einem nachfolgenden äußeren Ereignis zeigt für Hopcke, dass unser Leben nicht nur durch die äußeren Ereignisse, die uns widerfahren, eine Struktur erhält, sondern auch durch die Geschichte unseres Innenlebens, unserer Persönlichkeit. Denn Träume sagen uns in einer nächtlichen, symbolischen Geschichte, wer wir sind, so dass wir unsere täglichen Erlebnisse besser verstehen können. Am spektakulärsten sind natürlich Träume, in denen Menschen Erlebnisse haben, die später tatsächlich eintreten.

Synchronizität und unser spirituelles Leben

Im Bereich unserer Spiritualität kommt der Koinzidenz zwischen Innenleben und äußerem Ereignis – so Hopcke – eine noch größere, über das Individuum hinausweisende Bedeutung zu. Hier geht es um die Deutung von mystischen Erfahrungen, von sogenannten "Wundern" als synchronistische Ereignisse. Im Mittelpunkt aber steht die Frage, wer eigentlich der Autor unserer Geschichten ist. Denn wenn eine Koinzidenz zwischen einem inneren Zustand und einem äußeren Zufallsereignis stattfindet, das wir selbst nicht verursacht und nicht angestrebt haben, scheint es uns, wie Hopcke betont, als hätten nicht etwa wir die Geschichte geschrieben, sondern als hätte eine objektive äußere Macht einen Plan für uns und unser Leben entworfen. Religiöse Menschen denken dabei – so Hopcke – an Gott. Hopcke verweist in diesem Zusammenhang wieder auf Jung. Das heißt: für Jung verbirgt sich hinter der Vorstellung, Gott sei der Autor unserer Geschichten, ein bestimmtes psychisches Phänomen, nämlich der Archetypus der Ganzheit und damit die alle Menschen kennzeichnende Fähigkeit, die fundamentale Einheit der unterschiedlichen Fragmente unserer Erfahrung zu erkennen. Dementsprechend resultiert die Wahrnehmung der Ganzheit bei synchronistischen Erfahrungen aus der Tatsache, dass deren Bedeutung alle Aspekte unserer selbst vereint, Fragmente unserer Erfahrung, von denen wir nichts wussten, Fähigkeiten, die in uns schlummerten oder brachlagen, Seiten unserer Persönlichkeit, von deren Existenz wir nichts ahnten. Jung nannte deshalb den Archetypus der Ganzheit das Selbst. Und unsere Fähigkeit, Ganzheit zu erkennen, der Archetypus des Selbst, ist folglich der Autor unserer Geschichten und das Instrument, durch das Zufallsereignisse aufgrund ihrer subjektiven Bedeutung miteinander verknüpft werden. Der Archetypus der Ganzheit ist – so Hopcke – verantwortlich für das, was Jung das "Gottesbild" in der menschlichen Psyche nennt. Bei gläubigen Menschen ist mit anderen Worten der Archetypus der Ganzheit identisch mit Gott. Vielleicht würden sie auch argumentieren, der Archetypus der Ganzheit sei ein Beweis für das Wirken Gottes in unserem Leben.

Wunschträume (Bild: OpenClips/Pixabay.com)

Geheime Sehnsüchte (Bild: PublicDomainPictures/Pixabay.com)

Synchronizität und Fragen von Leben und Tod

Auch in Zeiten, in denen wir uns mit Geburt und Tod auseinandersetzen, ereignen sich – so Hopcke – oft Synchronizitäten und erinnern uns an etwas, was die archetypischen Bilder der religiösen Rituale und Mythen schon immer enthielten, dass nämlich unser Leben ein Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt ist. Das heißt: Wir werden im Laufe unseres Lebens viele Male geboren und wiedergeboren und sterben viele kleine Tode, bevor wir das letzte Mal sterben. Doch selbst oder gerade in unseren dunkelsten Augenblicken kann – wie Hopcke betont – ein synchronistisches Ereignis eintreten und uns einen Weg weisen, die Dunkelheit in eine Erfahrung von Wiedergeburt und neuem Leben umzuwandeln.

Bewertung

Mir hat an dem Buch von Robert Hopcke am besten die optimistische Grundstimmung gefallen, die hier vorherrscht. Denn die meisten Geschichten, die er erzählt, um seine theoretischen Erkenntnisse zu verdeutlichen, haben ein "Happy End". Und es geht hier nicht – um dies noch einmal zu betonen - um Fiktion, sondern um Tatsachen. Das heißt: Alles hat sich wirklich genau so ereignet. Anscheinend geschehen "Wunder" – und synchronistische Ereignisse sind eigentlich immer Wunder – öfter, als man denkt. Ich habe jedenfalls beim Lesen dieser Geschichten vielfältige Gefühle empfunden. Mal war ich tief betroffen, mal freute ich mich über die wirklich glücklichen Fügungen, manchmal konnte ich mir auch ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn sich jemand total verrannt hatte und quasi zu seinem Glück gezwungen werden musste. Bei all diesen positiven Aspekten verschweigt Hopcke nicht, wie sehr das Leben auch von Leid und Unglück überschattet sein kann, und er erinnert in diesem Zusammenhang auch an die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Aber er weist einen Weg, wie man diese dunklen Seiten in den Kontext des Lebens einordnen kann. Als Quintessenz könnte man aus seinen Überlegungen die Erkenntnis ableiten, dass man aufgeschlossen sein sollte gegenüber Ereignissen in unserem Leben, die diesem eine Wende zum Besseren geben könnten, damit man keine der Chancen, die sich einem im Leben bieten, ungenutzt verstreichen lässt und damit man auch von – vermeidbaren – Schicksalsschlägen verschont bleibt. Insofern bietet das Buch praktische Lebenshilfe und ist deshalb sehr empfehlenswert.

Bildnachweis

Alle Bilder: Pixabay.com

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