Eine ungewöhnliche Geschichte beginnt

Hauptfigur des Romans, dessen Handlung in den USA spielt, ist der für die "New York Times" arbeitende Wissenschaftsjournalist Caleb Brooks, ein Mann von Mitte dreißig. Und ausgerechnet er, der seine Frau sieben Jahre zuvor durch einen Verkehrsunfall verloren hat und für den es seitdem keine andere Frau gegeben hat, soll einen Artikel über den Valentinstag, den Tag der Verliebten, schreiben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ihm zunächst nichts einfällt.

Dann gibt er spontan einige ihm dazu passend erscheinende Wörter, ergänzt um seinen Namen und den Namen seiner Frau in den Computer ein und stößt auf einen Eintrag mit dem Titel "Die Legende von Sweetwater. Von Arch Pinenoire." Er kann dazu einige Satzfetzen finden, aber die eigentliche Seite ist gelöscht worden. Immerhin erfährt er, dass "Sweetwater" westlich von Oklahoma City liegen soll. Daraufhin reift in ihm der Entschluss, dieser Spur zu folgen. Er fliegt also nach Oklahoma City und fährt von hier aus mit einem Leihwagen Richtung Westen.

Das Wiederfinden der Liebe

Nach einer längeren Fahrt durch eine Einöde, die er wegen der einbrechenden Dunkelheit bis zum nächsten Morgen unterbricht, entdeckt Caleb ein Schild mit der Aufschrift "Sweetwater, 3 Meilen", und als er weiterfährt, liegt vor ihm ein weites grünes Tal, durch das sich ein Fluss schlängelt und in dem sich tatsächlich eine kleine Ortschaft ausbreitet: "Sweetwater". Er mietet hier ein Zimmer in einer Frühstückspension.

Schräg gegenüber befindet sich eine Buchhandlung, die einer jungen Frau mit dem Namen Carol Ryder gehört. Von einem inneren Drang getrieben betritt Caleb die Buchhandlung, und als er Carol vis-á-vis gegenübersteht, verliebt er sich sofort in sie. Gleichzeitig erfasst ihn ein großes Gefühl der Vertrautheit, so als ob er diese Frau schon lange kennen würde. Ihr scheint es ähnlich zu ergehen, und diese beiden scheinbar so unterschiedlichen Menschen verbringen nun viel Zeit miteinander, sie zeigt ihm ihre Lieblingsorte, und schnell entwickelt sich eine intensive Liebesbeziehung, bei der sich Caleb mitunter fragt, ob das alles Realität ist oder ob er es nur träumt.

Arch Pinenoire

Während Caleb und Carol unbeschwerte, glückliche Tage miteinander verbringen, braut sich über ihren Köpfen ein Unheil zusammen, das fern von Sweetwater in Gang gesetzt worden ist, aber an diesem Ort seinen Ausgang genommen hat. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der geheimnisvolle Arch Pinenoire, der ja, wie Caleb im Internet erfahren hatte, den Artikel über die "Legende von Sweetwater" verfasst hatte. Arch Pinenoire lebt auf einem stattlichen Landsitz unweit von Sweetwater und ist anscheinend Wissenschaftler. Er pflegt eine freundschaftliche Beziehung zu Carol Ryder und hat sie damit beauftragt, für ihn telefonisch bei einer Auktion in Paris ein altes Buch zu ersteigern, und zwar zu jedem Preis.

Ein erneuter schwerer Schicksalsschlag

Unterdessen ist Caleb - was Carol sehr betrübt hat - für ein paar Tage nach New York zurückgekehrt, um dort vor der endgültigen Übersiedlung nach Sweetwater noch einige Angelegenheiten zu regeln. Als er dies erledigt hat, will er nach Sweetwater zurückkehren. Das Flugzeug kann aber nicht pünktlich starten, weil bei einer Routinekontrolle ausgerechnet in seinem Koffer ein Gerät gefunden wird, das im Flugzeug nicht mitgenommen werden darf. Wegen dieses Vorfalls landet das Flugzeug in Oklahoma City mit erheblicher Verspätung.

Der Fahrer des großen LKW, der die vom Flugzeug mitgebrachte Post – darunter das von Carol ersteigerte Buch - nach Sweetwater befördern soll, sieht sich daher einem großen Zeitdruck ausgesetzt und fährt auf der abschüssigen Straße nach Sweetwater viel zu schnell. Er schießt in den Ort regelrecht hinein und erfasst Carol, die, kurz nachdem sie und Caleb sich unbändig über ihr Wiedersehen gefreut hatten, gerade die Straße überqueren will. Vor den Augen des völlig fassungslosen Caleb wird sie tödlich verletzt – wie seine erste Frau am Valentinstag. Ihre letzten Worte sind rätselhaft und graben sich tief in sein Gedächtnis ein. Sie sagt nämlich: "Das ist nicht das Ende Caleb. Wir sind in Sweetwater".

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Quantenphysik und Wiederauferstehung

Um Caleb weiterzuhelfen, fordert Arch Pinenoire ihn auf, bewusst die Fragen zu formulieren, die ihn am meisten bewegen, die Fragen, warum die Ereignisse in seinem Leben so und nicht anders abgelaufen sind, und damit dem Faden zu folgen, der alles miteinander verbindet, denn es gäbe keinen Zufall. Vor allem solle er "Schrödingers Katze" suchen.

Damit beginnt eine spannende Diskussion zwischen Caleb, Dennis, seinem Chef und Freund, sowie Pinenoire, die den Leser zunächst mit grundlegenden Erkenntnissen der Quantenphysik konfrontiert, denn die besagte Katze spielt die Hauptrolle in einem Gedankenexperiment des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger, bei dem angenommen wird, dass sich in einem Behälter eine Katze und eine Schüssel mit vergiftetem Katzenfutter befinden, dass sich aber erst dann herausstellt, ob die Katze das Futter gefressen hat und folglich tot ist oder ob dies nicht der Fall ist, wenn ein Beobachter nachschaut, wobei – und das ist von entscheidender Bedeutung - das Resultat von seiner eigenen Erwartung abhängt.

Das bedeutet auch, dass immer beide Möglichkeiten als Wellenfunktion existieren und damit parallel real werden. Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet das für Caleb, dass Carol in der zweiten Möglichkeit noch leben müsste. Und hier kommt nun die Vorstellung von einem Weiterleben der Seelen nach ihrem Tod und ihrer Reinkarnation ins Spiel. Denn Arch Pinenoire hat, wie der verblüffte Leser erfährt, in Sweetwater ein gigantisches technisches Projekt realisiert, mit dessen Hilfe es ihm gelungen ist, die Wiederauferstehung der Toten zu beschleunigen und Seelen, die schon immer füreinander bestimmt waren, zusammenzuführen.

Die Grundlagen dieses Projekts sind in dem Buch mit dem Namen "Acta" zu finden, das Carol für Pinenoire ersteigern musste und das dieser am Unfallort an sich gebracht hat, damit es nicht "in falsche Hände gerät". Und zwar handelt es sich dabei um eine Theorie über die Beschaffenheit der Realität, die Henri Poincaré, einer der Väter der Quantenphysik, Ende des 19. Jahrhunderts konzipiert haben soll.

Die zweite Chance

Als Caleb das Buch "Acta" liest, sind für ihn besonders die Sätze auf der letzten Seite aufschlussreich. Demnach ist das menschliche Leben ein immerwährender Fluss von Möglichkeiten, und die Gabelungen des Flusses bieten die Gelegenheit zur Veränderung. Und dabei sorge die Grundhaltung des Menschen dem Leben gegenüber, genauer: das, was er im Geheimsten erwartet, das, worauf er sich ausrichtet, dafür, auf welchen Weg ihn der Fluss an einer Verzweigung mitnimmt, welche Realität er am Ende erlebt. Und das, worauf sich der Mensch als Letztes ausrichtet, bestimme, was er als Erstes erleben wird.

Dementsprechend denkt Caleb an Carol, als er sich im See nahe Sweetwater von einem schweren Stein, der Carol als Sitzplatz gedient hatte, unter Wasser ziehen lässt und in Dunkelheit versinkt. Man könnte nun meinen, dass sich Caleb von philosophischen Spekulationen, die in ihm die Hoffnung genährt haben, er könnte Carol doch noch wiedersehen, zu einer Verzweiflungstat hat hinreißen lassen. Oder hat Caleb in Wirklichkeit das einzig Richtige getan?

Bewertung

Zunächst muss ich zugeben, dass noch nie ein Roman meinen Denkapparat so gefordert hat wie dieser, und ich beziehe mich hier auf die zwei komplexen Grundüberzeugungen, die der Autor in die Schilderung der Ereignisse einfließen lässt, nämlich zum einen den Glauben an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod und deren Reinkarnation, also ihre Wiederverkörperung, und zum anderen die Vorstellung, dass die Grundhaltung des Menschen, aus der seine Erwartungen an das Leben resultieren, die Realität bestimmt, in der er lebt. Und sozusagen das Bindeglied zwischen diesen beiden Grundüberzeugungen sind wichtige Erkenntnisse der Quantenphysik, vor allem die Schlussfolgerungen, die aus dem Gedankenexperiment gezogen worden sind, die als "Schrödingers Katze" in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen ist.

Ich würde deshalb sagen, dass es dem Leser ähnlich ergeht wie Caleb Brooks, dem "Helden" des Romans, der erst nach einem mühevollen Reflexionsprozess erkennt, was sich in Sweetwater wirklich abspielt. Das nachzuvollziehen, ist also eine Entdeckungsreise, die dem Leser Einiges abverlangt, die aber auch fasziniert. Die Argumentationskette, der man hier folgen muss, erscheint mir persönlich nachvollziehbar. Aber an einer Stelle möchte ich doch einhaken und auf ein Problem hinweisen.

Denn wenn das, was der Mensch im Geheimsten erwartet, darüber entscheidet, welche der Möglichkeiten, die das Leben bietet, verwirklicht werden, und damit seine Realität bestimmt, ist meiner Meinung nach weiter zu fragen, wer oder was die tiefste Überzeugung des Menschen dem Leben gegenüber prägt, wie es also überhaupt dazu kommt, dass jemand bestimmte Dinge erwartet oder auch befürchtet. Das heißt: Die Grundhaltung dem Leben gegenüber ist dem Menschen sicherlich nicht "in die Wiege gelegt worden", sondern ist ihrerseits das Resultat von Erfahrungen, die der Mensch im Laufe seines Lebens gemacht hat.

Der Mensch hat es folglich nicht völlig selbst in der Hand, was er von seinem Leben erwartet und – um noch einmal auf die Überlegungen in "Acta" zurückzukommen - in welche Richtung ihn der Fluss des Lebens an einer Gabelung mitnimmt. Der Autor zeigt auch selbst am Beispiel seines "Helden" Caleb Brooks auf, wie problematisch eine bestimmte Grundhaltung dem Leben gegenüber sein kann und deshalb verändert werden muss.

Ferner muss man meines Erachtens davon ausgehen, dass das, was Menschen in ihrem Geheimsten erwarten, auch eine kollektive Dimension haben und damit über die individuelle Ebene hinausgehen kann, dass also eine größere Gruppe von Menschen eine gemeinsame Grundhaltung dem Leben gegenüber haben kann, so dass dieses Phänomen unter Umständen eine ganze Gesellschaft prägen kann– im guten wie im schlechten Sinne.

Ich würde das Buch – so mein Fazit - Lesern empfehlen, die es zu schätzen wissen, dass ein Roman sie nicht nur unterhält, sondern ihnen auch Wissen vermittelt und sie zum Nachdenken anregt.

 

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