Richard von Weizsäcker ist am 31. Januar 2015 im Alter von 94 Jahre gestorben. Und so ist die Retrospektive besonders wichtig – und zugleich spannend.

 Von Weizsäcker, der Zeitzeuge 

 Die Lebensgeschichte Richard von Weizsäckers zu schreiben, ist schließlich kein leichtes Unterfangen. Hermann Rudolph hatte einen politischen Menschen zu beschreiben, in und mit dem "die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart reicht". Der Autor hat einen Menschen beschrieben, der Zeitzeuge und Zeitdeuter in einem ist, der das immerwährende "deutsche Thema" vom Wechsel zwischen Kontinuität und Bruch am eigenen Leibe erfahren hat. Und dies hat er mit behutsamer Hand dargelegt, ausbalanciert, ohne die kleinen Schwächen dieses "Exemplars jener traditionellen deutschen Elite" - Eitelkeiten beispielsweise - auszusparen; manchmal mit einem Augenzwinkern. So zum Beispiel, wenn er anmerkt, dass der am 15. April 1920 geborene Richard von Weizsäcker zu "einer Art Ideal-Staatsmann avanciert" sei – und auch gerne mal selbst "an seiner Verklärung mitwirkte".

 Bundespräsident zur Zeit der Wiedervereinigung

 Wenn man einem politischen Menschen in diesem Alter eine Biographie widmet, dann arbeitet man auch ein Gutteil jüngerer deutscher Geschichte auf. Rudolph hat es gewagt; es war eine Herausforderung – und er hat sie bestanden. Denn da war das Wirken eines Menschen zu beschreiben, der als junger Mann mit einem Eliteregiment in den Zweiten Weltkrieg zog, dessen Vater Ernst von Weizsäcker, Staatssekretär im "Dritten Reich", nach Kriegsende im sogenannten Wilhelmstraßen-Prozeß vor Gericht stand, der als Präsident des Kirchentags wirkte, als Deutschland- und Ostpolitiker, der Regierender Bürgermeister von Berlin wurde und schließlich über zwei Amtszeiten hinweg Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Und dies in der Zeit der Wiedervereinigung, die einem Bundespräsidenten besondere Sensibilität abverlangte. 

Erinnerungen an Theodor Heuss

 Hermann Rudolph hat vor 15 Jahren, zur Jahrtausendwende, eine kleine Schrift veröffentlicht unter dem Titel "Theodor Heuss und die politische Kultur der Bundesrepublik". Da kann man einen Bogen schlagen, und das tut Rudolph auch – behutsam - in dieser Biographie. Und sei es nur, dass er an ein Wort von Nina Grunenberg erinnert: Von Weizsäcker sei ein Bundespräsident gewesen, "der die Entwicklung von Gedanken zu einer Möglichkeit des Einflusses macht". Genauso also, wie Heuss es verstanden hat. Darum sagt Rudolph auch, "in einer Weise, wie es in der Reihe der Präsidenten nur Theodor Heuss gelang, sind Weizsäckers Reden Dokumente der Auseinandersetzung mit den geistigen Strömungen der Zeit."

 Hermann Rudolph: Richard von Weizsäcker. Eine Biographie. Rowohlt Verlag, Berlin, 288 Seiten, 19.95 Euro

Autor seit 9 Jahren
91 Seiten
Laden ...
Fehler!