Riten und Gewohnheiten
Feste Gewohnheiten einer Gruppe stärken das soziale Miteinander und sind für Außenstehende schwer zu durchschauen. A. v. Gennep erforschte dieses Phänomen.Tatsächlich könnten dann aber trotzdem beide - auf den ersten Blick gleiche/ähnliche - Rituale für beide Gruppen eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben, wenn sie zum Beispiel anderen Mechanismen folgen oder eine andere Funktion haben.
Dreiphasentheorie
Je zivilisierter eine Gesellschaft ist, umso weniger sind die einzelnen sozialen Gruppen tendenziell voneinander differenziert. Ein Übergang von der einen zu einer anderen Gruppe ist hier relativ unkompliziert möglich, Grenzen und Übergänge verschwimmen zunehmend. Anders sieht es bei halbzivilisierten und unzivilisierten Völkern aus. Hier wird jeder Übergang im Leben eines Individuums reglementiert und überwacht, damit die Gesellschaft keinen Schaden nimmt. Von diesen Völkern werden die Übergänge im Leben als so schwerwiegend angesehen, dass man sie unmöglich ohne eine Zwischenstufe überschreiten könnte.
Symbolisch erfolgt das auf die Art und Weise von Tod und Wiedergeburt, dass ein Individuum zuerst in der einen Gruppe sterben muss, sich dann eine Zeit lang im "Niemandsland" befindet, bevor es in der neuen Gruppe aufgenommen werden kann. Der alte Status muss abgelegt werden, in der Übergangszeit bereitet man sich auf seinen neuen Status vor, den man in der letzten Phase - der eigentlichen Initiation - bekommen wird.
Funktion von Riten
Riten kontrollieren und regeln das gesellschaftliche Leben, um die Ordnung einer klar strukturierten Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Veränderungen eines Individuums stören das Gleichgewicht innerhalb der Gesellschaftsordnung, deshalb müssen diese Vorgänge überwacht und begleitet werden. Das geschieht durch Riten, welche wiederum ein fester Bestandteil der Gesellschaftsordnung sein müssen. Allen drei Phasen sind Untergruppen von Riten zuzuordnen: Trennungsriten, Übergangsriten, Angliederungsriten.
Die Phasen sind je nach Kultur und Situation verschieden ausgeprägt. Zum Beispiel geht es bei Bestattungen fast ausschließlich um Trennungsriten, bei Hochzeiten herrschen Angliederungsriten vor und bei Schwangerschaft hauptsächlich Umwandlungsriten. Eine genaue Klassifizierung ist schwierig, vor allem, wenn mehrere Riten gemeinsam auftreten und sie nicht klar voneinander abgrenzbar sind, beispielsweise existieren oft Schutzriten gleichzeitig mit Schwangerschaftsriten.
Kritik
Gennep mit seinen Theorien galt zu Lebzeiten als Außenseiter des wissenschaftlichen Lebens, seine Theorien wichen zu stark von den gängigen Lehrmeinungen der damaligen Zeit ab. Vor allem Émile Durkheim erkannte Genneps Erkenntnisse nicht an. Der größte Konfliktpunkt bestand in der unterschiedlichen Betrachtungsweise primitiver Gesellschaften. Die vorherrschende Lehrmeinung sah in diesen Gesellschaften homogene Strukturen und sollte spekulative Theorien untermauern. Genneps Gegenmeinung war eben diejenige, dass auch sog. primitive Gesellschaften über eine komplexe Struktur verfügen und nicht in sich homogen sind.
Weiterentwicklung
Der schottische Ethnologe Victor Turner (1920-1983) entwickelte die Dreiphasentheorie als Konzept der Übergangsriten weiter.
Bildquelle:
Eigenes
(Was ist Ethnobotanik? - und was macht eigentlich ein Ethnobotaniker?)
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