Fine Sendel, Damir Avdic, Axel ...

Fine Sendel, Damir Avdic, Axel Wandtke, Werner Eng, Iris Becher, Ursina Lardi (Bild: © Thomas Aurin)

Wie bei Louis de Funès

Mit drei Stunden Spieldauer dürfte Herbert Fritsch seine persönliche Bestzeit bei der Spieldauer behauptet haben. Der Fetischist von überdimensionalen Sofas (one size fits all), auf dem alle einen Platz haben und wo ständig Chaos herrscht, kann es aber auch ruhiger angehen lassen. Nach der Pause wird das Tempo herausgenommen, es herrscht fast schon eine spirituelle Atmosphäre. Ein Teppich rollt die Bühne entlang, Taiko Saito spielt Vibraphon oder Xylophon, ohne einen Rhythmus zu kreieren, und auf der rechten Seite hängt das Bild eines mürrischen Oberhaupts, das von Botero, dem Spezialisten für wild wogende Fleischpartien und kräftige, füllige Frauen, stammen könnte. Dann tritt Fritsch wieder aufs Gaspedal und treibt seine Späße mit dem Militär, das dem Publikum wie der Garten der Narren vorkommen muss. Robert Beyer, glatzköpfig, aasig lächelnd und tumb-dreist, ist die geborene Kopie von Louis de Funès, der hier wieder aufersteht. Bedauerlicherweise leistet Fritsch keine Parodie der Parodie, das würde er tun, wenn er all die Klischees des Boulevards durch kritisches Überzeichnen an den Pranger stellte. Ganz im Gegenteil: Er liefert eine neue Version, vor allem für jene Bildungsbürger, die ihren Hang nach Derbheiten, Verderbtheiten und groteskem Humor ansonsten nur heimlich ausleben. Fritsch will nicht entlarven – es wurde alles schon gesagt -, er liebt nur das freie Spiel der Kräfte. Ein neuer Antrieb wäre: Die Filme mit Louis de Funès zu karikieren, aber danach steht ihm der Sinn nicht. Stattdessen verliert er sich in Nebenplots, indem er die Affäre zwischen dem pseudo-eleganten Chevalier Célestin (Bernardo Arias Porras) und Adrienne (Iris Becher) voll ausbreitet.

 

Axel Wandtke, Iris Becher

© Thomas Aurin

 

Grobschnitt statt Feinschnitt

Im Mittelpunkt steht eigentlich Lardis Angèle, doch sie hält sich vornehm zurück, spielt eine Art dumpf-vornehmer Prinzessin in einem Geflecht von liebenswürdigen Possenreißern und Ignoranten. Ihre Kleidung ist so arrangiert, dass sie die Konturen ihres Körpers scharf hervorstechen lässt. Grobschnitt diesmal, kein Feinschnitt. Lardi, eine Meisterin der großen und kleinen Gesten und der verwinkelten Gesichtszüge, die so viel andeuten und ausssagen können, ist diesmal etwas Holzschnittartiges, ihr Gesicht ist gezwungenermaßen wie ein Kunstwerk, das nach Hammer- und Meißelarbeit ohne nachträgliche Ziselierungstechniken liegengelassen wurde. In dieser Inszenierung fehlt ohnehin jeglicher Sinn fürs Feine: Der Ernst ist erloschen, je plumper, desto besser, schließlich schaut man sich auch gern die Karikatur-Seite in der Tageszeitung an. Holprige Witz-Szenen gibt es zuhauf auf der Bühne mit einem Dekor, das hauptsächlich Militär-Camouflage bietet. Und so bittet der Captaine (Axel Wandtke) den falschen Champignol um ein Porträt, das dieser Kunststümper selbstverständlich mit ein paar Farbklecksen abtut und vermurkst. Werner Eng, dessen fahle Glatze durch entsprechende Beleuchtung zum gleißenden Leben erweckt wird und der etwas wienerischen Sprachcharme hervorbringen soll, verhält sich wie ein müdes Kamel mit Turboantrieb. Immerhin funktioniert die Choreografie perfekt, die einstudierten Bewegungen stimmen, wie auch bei der Applaus-Choreografie, die mit zum Stück gehört. Alles wirkt zufällig, aber nichts ist dem Zufall überlassen. Viel Neues indes hat Fritsch, der Magister kalkulierter aufbrausender Ungeschliffenheiten, nicht zu bieten, abgesehen davon, dass er zum narrativen Geschmack zurückgekehrt ist. Nun, wer zu viele Karikaturen sieht, ist irgendwann einmal schlichtweg übersättigt.

 

Champignol wider Willen
von Georges Feydeau
Übersetzt von Friedrich Karl Wittich
Regie und Bühne: Herbert Fritsch, Kostüme: Victoria Behr, Musikalische Leitung: Ingo Günther, Dramaturgie: Bettina Ehrlich.
Mit: Ursina Lardi, Axel Wandtke, Carol Schuler, Bastian Reiber, Florian Anderer, Iris Becher, Robert Beyer, Werner Eng, Fine Sendel, Damir Avdic, Bernardo Arias Porras, Stefan Staudinger, Vito Sack, Nina Bruns, Maximilian Diehle, Teresa Annina Korfmacher, Sarah Schmidt, Robert Knorr. Musiker*innen: Ingo Günther, Taiko Saito, Fabrizio Tentoni.

Schaubühne Berlin, Premiere vom 24. Oktober 2018.
Dauer: 180 Minuten, eine Pause

 

Laden ...
Fehler!