Schaubühne Berlin: Kritik von "Die kleinen Füchse" – Thomas Ostermeier
Premiere mit Nina Hoss in der Hauptrolle. Das Drama von Lillian Hellman lädt ein zu selbstzerstörerischen Dialogen. Ein Ellenbogen-Kapitalismus macht sich breit.Jenny König, David Ruland, Moritz Gottwald, Mark Waschke, Nina Hoss (Bild: © Arno Declair)
Unermessliche Profitgier
Regina und ihre Brüder Oscar (David Ruland) und Ben (Mark Waschke) haben Großes vor, sie wollen in ein lukratives Auslandsgeschäft einsteigen, benötigen dazu noch die Geldmittel, die Horace (Thomas Bading), der Vater von Regina, beisteuern soll. Aus besagten Aktualisierungsgründen ist von einer Baumwollfabrik nicht die Rede. Badings Horace, nach etwa einer Stunde in die Inszenierung einsteigend, ist halb moribund, steht gesundheitlich am Abgrund und weigert sich hartnäckig, die Profitgier seines als Untertanen betrachteten familiären Anhangs zu unterstützen. Diesmal ohne Lockenpracht auftretend, verkörpert Bading einen erschlafften Bankier, dem jegliche Dynamik abgeht, der nur noch auf sein kognitives System vertrauen kann. Angesichts der Verweigerung des Altvorderen kommt es zu ausufernden Parlierszenen, zu wilden Couch-Debatten, die ans kaufmännisch Schmierige grenzen. Ostermeier ist in seinem Element: Eine Zerfleischung pur, der geschäftstüchtige Oscar ist etwas in Dumpfheit befangen und geht mit seinem Sohn Leo (Moritz Gottwald) um, wie es im preußischen Militärstaat üblich war. Das hierarchische Denken ist längst noch nicht abgeschafft.
Durchökonomisierte Welt
Ostermeier präsentiert eine durchökonomisierte Welt ohne Herz. Geld ist Ersatz für eine libidinöse Sättigung. Hier wird auch permanent gespeist: Das Esszimmer befindet sich hinter einer Schiebetüre, die notorisch vor- und zurückgeschoben wird. Die auf der Zunge befindlichen Geschmacksrezeptoren sind stets aktiviert. Birdie (Ursina Lardi) die aufgelesene, damals verarmte Gattin von Oscar, hält sich lieber an Halb- und Hochprozentiges. Wie das hart und scharf und fließend durch die Kehle rinnt! Welch Genuss ist nicht solch eine Früchtebowle, wie das herunterrauscht! Was soll man auch machen, wenn man nicht mehr Ernst genommen wird? Glas auf Glas, und Ursina Lardi spielt sich in einen Rausch hinein. Die gespielte Trunkenheit, begleitet vom Klavierspiel, ist der Höhepunkt des Abends. Der Szenenapplaus kommt völlig zurecht, Ursina Lardi stiehlt dem Zugpferd Hoss die Show. Die hat auch eine undankbare Rolle, ist gefangen im Netz nüchterner Kalkulation. Sie hat keine Gelegenheit zum Brillieren.
Ein Triumph, von Grabesluft umweht
Am Ende triumphiert Regina, denn sie hat alle ausgebootet, halb vernichtet. Ein durch Leo initiierter Wertpapier-Klau, entnommen aus Horaces Kapitalvermögen, wird entlarvt und dient nach dem Absterben des Großbankiers als erpresserisches Druckmittel. Regina sichert sich die größten Anteile – und die Schaubühne ist ob des Triumphes von Grabesluft umweht. Die bösen Geister des Kapitalismus sind – zum wievielten Male? – wiedererwacht. Das Gemüt und die schreiende Seele werden komplett niedergehalten in diesem kapitalorientierten Gewinnbetrieb. Es ist leider ein sehr trockenes Stück – es fehlen das Feuer, die Inspiration, der Verve. Dank der Schauspielerleistungen ist die Premiere halbwegs gelungen.
Die kleinen Füchse
von Lillian Hellman
Deutsch von Bernd Samland
Fassung von Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer
Regie: Thomas Ostermeier, Bühne: Jan Pappelbaum, Kostüme: Dagmar Fabisch, Musik: Malte Beckenbach, Dramaturgie: Florian Borchmeyer, Licht: Urs Schönebaum.
Mit: Ursina Lardi, Thomas Bading, David Ruland, Jenny König, Moritz Gottwald, Andreas Schröders, Mark Waschke, Iris Becher, Nina Hoss.
Premiere vom 18. Januar 2014
Dauer: 2 Stunden, 20 Minuten, keine Pause
Bildnachweis: © Arno Declair
Bild 2: Ursina Lardi
Bild 3: Nina Hoss
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)