Rami Khalaf, Maia Morgenstern ...

Rami Khalaf, Maia Morgenstern, Akillas Karazissis (Bild: © Marc Stephan)

Unter dem Joch der Diktaturen

Professionell sind sie alle, auch die Mitstreiter*innen Akillas Karazissis, Rami Khalaf und Maia Morgenstern. In der besagten Küche sitzend erzählen sie von ihren Martyrien, bei denen die meisten Zuschauer wohl eindringlich daran erinnert werden, wie wohlbehütet sie sozialisiert wurden. Der aktuell redende Schauspieler wird gefilmt und der Kopf erscheint im Schwarzweiß-Großformat auf der Leinwand. Die Schauspieler*innen beeindrucken durch Gesichtsminimalismus und den Verzicht auf große Gesten. Die sprechenden Köpfe sind nachdrücklich bis erbaulich, aber auch hochaktuell und erinnern in fataler Weise an die vielen nervtötenden Köpfe, die angesichts der Berlin-Wahl auf Plakaten das Straßenbild verschandeln. Bizarrerweise entsteht auch manchmal eine mit Schmerz gesättigte, doch gewollte Unterhaltungskomik. Der Grieche Akillas Karazissis berichtet von seinen Altvorderen, die geografisch in den hinterletzten russischen Winkel, nach Wladiwostok flüchteten, für sie der sicherste Ort vor den Bolschewisten. Aber auch da tauchten sie auf. Derartig gesprochen – die deutsche Version gibt's als Untertitel – ist das ebenso amüsant wie seine "Ästhetik des depressiven Minimalismus", die er im Fluchtort Heidelberg nach einer abgelegten Freak-Out-Zwischenphase als Musiker und später im Theater initiiert. Zuvor wurde er von der griechischen Militärjunta verfolgt. Die Zeit von Georgios Papadopoulos, eine Zeit mit etlichen Folterungen und Hinrichtungen, die von den USA wegen der "Kommunistenabwehr" gutgeheißen wurde. Ein Wunder: Der Name des griechischen Machthabers wird nicht einmal erwähnt.

 

Ramo Ali, Maia Morgenstern, Akillas Karazissis, Rami Khalaf

© Marc Stephan

 

Zwischen Dornenpfaden und Routine

Die Schwäche der Inszenierung ist sogleich ihre Stärke. Es wird in einer treffsicheren Sprache, die auf Medea und poetische Ausflüge nicht verzichten kann, unterhaltsam erzählt. Genauso machen das auch Rami Khalaf und Maia Morgenstern, wobei Letztere von den zahlreichen Repressalien unter dem rumänisch-stalinistischen Diktator Nicolae Ceausescu berichtet und sich in die Revolution rettet. Es wird mehr Einblick gewährt als im Fernsehen, wo, begleitet von einer unterirdischen Sprache, Panzer und Trümmerhaufen gezeigt werden, ohne das verheerende Schicksal der Menschen zu beleuchten. Allerdings ästhetisiert Rau in seiner Inszenierung die Dornenpfade ein wenig, als sei aus der Retrospektive doch nicht alles so dramatisch gewesen. Klar, eine nachträgliche Betroffenheit wäre unangemessen, man geht es professioneller an. Eine komplette Authentizität gibt es nicht. Und verhängnisvoll wäre es, wenn Milo Rau zitternde Araber auffährt, die gerade die letzte Folter überstanden haben. Gut möglich, dass das europäische Empire eine Mitschuld an den Verhältnissen in Vorderasien trägt, aber was die Zustände in Ceausescus Rumänien anbelangt, ist das westliche Europa nicht in die Verantwortung zu ziehen. Es bleibt ein Abend mit eingeschränktem Einfühlungsvermögen, ein anregender Abend mit eingebautem Spannungsbogen, der weniger zum Nachdenken animiert als angenommen: Das eigentlich zu begrüßende Projekt ist leider zu "gemacht".

Empire
von Milo Rau
Konzept, Text und Regie: Milo Rau, Dramaturgie und Recherche: Stefan Bläske, Mirjam Knapp, Ausstattung: Anton Lukas, Video: Marc Stephan.
Text und Spiel: Ramo Ali, Akillas Karazissis, Rami Khalaf, Maia Morgenstern.

Schaubühne Berlin, Berlin-Premiere vom 8. September 2015
Dauer: 2 Stunden, keine Pause


 

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