Lise Risom Olsen, Bernardo Arias ...

Lise Risom Olsen, Bernardo Arias Porras, Kay Bartholomäus Schulze, Jakob Yaw, Alina Stiegler, Denis Kuhnert, Tilman Strauß (Bild: © Arno Declair)

Lise Risom Olsen

© Arno Declair

 

Eine Vermischung von Menschen, die nicht so ganz zusammenpassen

Der Abend ist eine einzige Anklage, zum Glück wird sie sehr humoristisch abgehandelt. Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind in Hochform, sie überbieten die durchwachsenen, pseudolustigen Leistungen der "Heute Show" bei Weitem. KB Schulze gerät in seiner Erregung in einen nie gehörten Milan-Peschel-Modus, der das Original fast übertrifft und keine Stimmenüberschlagungen zulässt. Tilman Strauß, ein gebürtiger Schwabe kurz vor der bayrischen Demarkationslinie, verfällt in einen dialektalen Hochburg-Dialekt, der in all seiner Breitheit amüsiert und ungewöhnliche Sequenzen erreicht. Und die Norwegerin Lise Risom Olsen, auf der Schaubühne-Seite mit einem verbissenen, strengen Gesicht abgebildet, entwickelt einen unvermuteten Charme, der sich auch in ihren wohlklingenden, fast romantischen Gesängen entlädt. À propos Norwegen: Natürlich wird neben den skandinavischen Immobilienspekulanten, die den gentrifizierungsunwilligen Linken die Wohnung wegnehmen wollen, auch die massenmordende Ungestalt Anders Breivik erwähnt, genauso wie der bildlich dargestellte Ku-Klux-Klan, der als südstaatlicher Atavismus mit den reaktivierten dunkelgermanischen Wurzeln nicht sonderlich viel zu schaffen hat. Wie gesagt, es wird viel durcheinandergemischt. Permanent einströmende Videos zeigen Menschen, die, gelinde ausgedrückt, vom Grundgesetz nicht viel halten und für eine strengere Fassung bzw. Auslegung plädieren.

 

Christliche Frauen schlagen um sich

Was auffällt, ist Falk Richters Engagement gegen christliche Fundamentalisten, die gar nicht so sehr im Rampenlicht stehen und nur in Insider-Kreisen bekannt sind. Komischerweise werden die medial ungeeigneten, AFD-nahen Feierabendpolitikerinnen Birgit Kelle, Beatrix von Storch und Gabriele Kuby aufgefahren, um die engstirnige Heimatsehnsucht von Menschen, die gelungene Patchwork-Versuche, heterosexuelle Polygamie und Homosexualität rundweg ablehnen, auf den Pranger zu stellen. Hinzu kommt die an ihrer glorifizierten NS-Familienpolitik gescheiterte Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman, die sich nach der Reichsautobahnverklärung jetzt in der antischwulen Staatspresse von Putins Gnaden versucht. Warum Gescheiterte aus der Versenkung hervorholen? Nun, es gibt Medienpersonen, die offensichtlich Neuprotagonisten anstecken, die die Uhr zurückdrehen wollen und gegen Humanismus und Toleranz immunisiert sind. Bedauerlicherweise hält der Schluss mit dem Niveau des Abends nicht ganz mit: Unzählige Pflanzen werden aufgestellt, um ein gemütliches friedliches Öko-Idyll zu präsentieren, in das die Unwelt der Heimatdefätisten nicht eindringt. Es kommt noch zu einer Szene, als habe Falk Richter eine Inspiration von Castorf abgeholt. Die Schauspieler geraten in eine Überhitzung und sind als Frauen verkleidet, die eine persiflageorientierte Trash-Show mit eingebautem Hitlergruß zum Besten geben. Gewiss, das ist alles etwas plump und dick aufgetragen und eine soziopolitische Hintergrundanalyse wird auch nicht angeboten – aber es tut gut und ganz nebenbei wird auch artistisch getanzt. Gut tut auch die eingespielte elektronische Musik, die mitunter psychedelische Höhepunkte erreicht. Trotz einiger offensichtlichen Schwächen ist Falk Richters Performance gelungen: Das ist rein inhaltlich und schauspielerisch wesentlich besser als jeder quotenfixierte mediale Kabarett-Quatsch.

FEAR
von Falk Richter
Text, Regie und Choreographie: Falk Richter, Bühne: Katrin Hoffmann, Kostüme: Daniela Selig, Musik: Malte Beckenbach, Video: Bjørn Melhus, Dramaturgie: Nils Haarmann, Licht: Carsten Sander.
Mit: Lise Risom Olsen, Tilman Strauß, Bernardo Arias Porras, Denis Kuhnert, Kay Bartholomäus Schulze, Frank Willens, Jakob Yaw, Alina Stiegler.

Schaubühne Berlin

Uraufführung vom 25. Oktober 2015
Dauer: 120 Minuten, keine Pause

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