Eva Meckbach, Iris Becher

Eva Meckbach, Iris Becher (Bild: © Gianmarco Bresadola)

Absage an heteronormative Geschlechterrollen

Die Bühne (Mascha Mazur) sieht aus wie der Proberaum eines Musikerkollektivs. Zahlreiche Instrumente stehen im Hintergrund herum, davor agieren die Schauspieler*innen in diversen Kostümen. Hier werden zahlreiche Geschichten erzählt, etwa von Bernardo Arias Porras, dessen offensichtlich erfundene Gestalt sich im männlichen Körper nicht mehr wohlfühlt und deshalb ihr Geschlecht quasi austauscht. Im weiblichen Outfit, geschminkt und mit lackierten Nägeln, läuft es wesentlich besser, gelöster und freier ab, obwohl es Probleme mit der Außenwelt gibt. Eva Meckbach spielte eine Intersexuelle, die mit weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt gekommen ist und sich aus erzwungenen Anpassungsgründen die Hoden operativ wegbrennen lässt. Man kann dieses Thema sehr ernst angehen, aber Wengenroth tut es nicht, sonst wäre er auch nicht Wengenroth. Wer zu seinen Aufführungen geht, weiß, was ihn erwartet, nämlich viel Komik und Musik. Und wie da gespielt und gesungen wird! Allein die teilweise persiflierenden Gesangseinlagen sind den Eintritt wert. Der Keyboarder Matze Kloppe wird immer mehr als Sprach-Aktivposten integriert und treibt mit witzigen Sprüchen die Szenerie voran. Nun könnte man sagen, die feinnervig differenzierte Darstellung von expliziten Gender-Menschen werde hier durch zu viel Komik konterkariert. Nein, im Gegensatz zum Gorki Theater, wo regelmäßig Gender mit Kult-Bespaßung einhergeht, stimmt bei "He? She? Me! Free." die Mischung. Man kann sehr wohl zwischen Ernsthaftigkeit und Ulk unterscheiden, auf das rasche Umschalten des kognitiven Systems kommt es an.

 

Bernardo Arias Porras, Eva ...

Bernardo Arias Porras, Eva Meckbach, Ruth Rosenfeld, Patrick Wengenroth, Iris Becher (Bild: © Gianmarco Bresadola)

Verve und Esprit

Der Theatermacher hält sich vornehm zurück und überlässt seinen Schauspieler*innen das Terrain, wo übrigens die Frauen-Fraktion positiv auffällt, vor allem die selbstbewusste Ruth Rosenfeld, die mit ihrer Stimme wesentlich mehr kann, und Eva Meckbach, die nach einer längeren Bühnenpause durch Verve und Esprit zu überzeugen vermag. Gut, Neuigkeiten liefert die Inszenierung nicht, sie ist eher eine Komplettierung und ein Nachhaken und ist an Menschen adressiert, die für die geschlechtliche Vielfalt und das Ausleben der geheimen und offenen Bedürfnisse ohnehin Verständnis mitbringt. Zugegeben, ein großes Werk ist das nicht, dafür fehlen die tragischen Elemente und jene Phänomene, die ans Innerste einer Seele rühren. Aber ein entspannter Abend, angefüllt mit Elan, Spritzigkeit und einigen grandiosen Einschüben. Der beste Wengenroth, den es jemals gab.

 

He? She? Me! Free.

von Patrick Wengenroth

Realisation: Patrick Wengenroth, Bühne: Mascha Mazur, Kostüme: Ulrike Gutbrod, Dramaturgie: Bettina Ehrlich.

Es spielen: Eva Meckbach, Ruth Rosenfeld, Iris Becher, Patrick Wengenroth, Bernardo Arias Porras, Matze Kloppe.

Schaubühne Berlin, Premiere vom 13. Dezember 2018

Dauer: 2 Stunden

 

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