Damir Avdic, Lukas Turtur, Iris Becher

Damir Avdic, Lukas Turtur, Iris Becher (Bild: © Arno Declair)

Unkonventioneller Schaffensprozess

Die Bühne ist ein Mittelding zwischen Großatelier und einer Galerie, wo gerade eine Vernissage stattfindet. Nun, vier Personen in einem Atelier, das ist schon eine ziemliche Menschenansammlung, wahrscheinlich handelt es sich hier um den Meister, dessen Angestellten seine vorgedachte Arbeit ausführen. Die Grenzen zur Performance sind fließend: Die Zuschauer*innen sehen Kay Bartholomäus Schulze als einen langhaarigen Künstler, der gerade eine Leinwand mit Rasierschaum und Kirschtorte bearbeitet, als wolle er den unkonventionellen Schaffensprozess demonstrieren. Dann scheint man sich jäh in einer Vernissage zu befinden, wo eine hektische, aufgekratzte Galeristin (Iris Becher), umgeben von flirrenden Gestalten, mit dem Sektglas umherirrt. Dieses Bild ist kein Klichee – bestenfalls ein Bühnen-Klichee, es existiert nur in der Phantasie. Solch eine Galeristin gibt es anscheinend in verschiedenen Varianten auf der Bühne, zu erleben war sie noch nicht. Diese dargebotenen Kunstevents grenzen gewaltig an eine Karikatur, die mitnichten Übles will, schon gar nicht enthüllen und entlarven. Das Ringen um hohe Kunst könnte ja auch ein Kompensation sein, um einer unsäglichen Leere zu entrinnen und es innerlich bunter zu machen. Die im Spiel befangenen Schauspieler*innen mühen sich gleichzeitig mit Goetz' Sprache ab, die zwischen Ich-Steigerung ins Grenzenlose und möglichem Scheitern oszilliert, zwischen Profanität und Lebensrausch. Ambivalente Gefühle beherrschen das Szenario. Die Verschmelzung von Kunst und Leben ist anvisiert, wird aber nur in wenigen Fällen eintreten, zu tief ist die Kluft. Und die Kreativen – wollen sie nicht aus ihrem Leben ein Kunstwerk machen?

 

Damir Avdic, Iris Becher

© Arno Declair

 

 

Fragwürdiger Mix aus Club, Atelier und Vernissage

Nicht sonderlich originell ist das Tragen von verbundenen Köpfen, von Wundturbanen, als hätten die Beteiligten gerade ein bizarres Krankenhaus verlassen, um eine Goetz-Lesung zu initiieren. Ein Panoptikum an inneren Befindlichkeiten wird ausgehaucht und abgefeuert. Die Gefühle kippen oftmals um ins Gegenteil: Es wechseln Selbstekel und übertriebene Selbsterhebung, Hass auf die Gesellschaft und Sehnsucht nach ihr, Wunsch nach Zärtlichkeit und Wärme und gleichzeitige Provokation und Exhibitionismus – janusköpfig und zerrissen, so ist der Künstler zu betrachten. Traurig und sentimental wird's selten, die Künstler*innen stellen sich bewusst zur Schau. Fragwürdig bleibt der darstellerische Mix aus Club, Atelier und Vernissage. Jeweils Orte, an denen es anders zugeht und man sich anders verhält – nur hier wird alles in einen Topf geworfen, überwürzt und herumgerührt, bis immerhin ein halbwegs ansehnlicher Brei daraus hervorgeht.

 

Jeff Koons
von Rainald Goetz
Regie: Lilja Rupprecht, Bühne und Kostüme: Annelies Vanlaere, Video: Moritz Grewenig, Musik: Romain Frequency, Dramaturgie: Maja Zade.
Mit: Iris Becher, Kay Bartholomäus Schulze, Lukas Turtur, Damir Avdic. Musik: Romain Frequency.

Schaubühne Berlin, Premiere war am 7. Juni 2018, Aufführung vom 1. Juli 2018.
Dauer: 120 Minuten, keine Pause

 

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