Jule Böwe, Bernardo Arias Porras ...

Jule Böwe, Bernardo Arias Porras, Ingo Günther, Florian Anderer, Carol Schuler, Bastian Reiber, Axel Wandtke, Ruth Rosenfeld (Bild: © Thomas Aurin)

Etwas Kunst muss sein

Das Stück ist mitten im Industriezeitalter angesiedelt. Axel Wandtke, ein volksbühnenerprobter, leichenblasser Funkturm, aber hoch motiviert, fährt einen Gabelstapler, assistiert vom untätigen Schaubühnen-Späthippie Bernardo Arias Porras. Im Hintergrund ist eine Tür offen, wir erhalten einen Einblick ins Lager eines Supermarktes, in dem normalerweise geschäftsüblich Spätschichtler die Ware kommissionieren. Nun, Wandtke transportiert keine Waren, sondern entindividualisierte Menschen, die sich in ihrem Superioritätsgefühl der Decke, will sagen: dem Himmel annähern möchten. Doch der Turmbau zu Babel wird immer wieder zerstört. Fritsch denkt weder überirdisch noch chthonisch, dafür fehlen ihm die gedankliche Schärfe und die Tendenz zur Betrachtung eines Zeitalters – das Ganze wird futuristisch überstiegen ins Nimmerland. Hurra, Figuren hängen an Drahtseilen und werden nach oben gehievt und wieder heruntergelassen, akrobatisch auch, doch das kennen wir alle vom Friedrichstadtpalast, wo die Artistik aus Showgründen vom geflissentlichen, in den für richtig gehaltenen Institutionen leicht amüsierbaren Bildungsbürgertum abgelehnt wird. Denn es muss alles von Geist und Esprit angehaucht sein. Herbert Fritsch sieht das genauso: Etwas Kunst muss sein. Eine Kunst, die den Alltag in ein gefälliges Alltagstheater verwandelt, ohne in die Eingeweide zu gehen. Bastian Reiber, auf den Fritsch nicht mehr verzichten kann, wartet auf mit einer Heino-Langhaarperücke inklusive dunkler Gläser, die ohne Augenschein die ewige Nacht signalisieren.

 

Eine Innovation der Neuen Musik

© Thomas Aurin

 

 

Der Komik-Regisseur dreht auf

Was macht hier Papa und Unterhaltungsmanager Fritsch? An Ideen mangelt ihm nicht. Irgendwann taucht eine übergroße, von der Decke herabbhängende, mit Lichtern versehene Hand auf. Die Kulisse wirkt bedrohlich wie bei einem metaphysischen Strafgericht, Grube und Pendel, wie bei Edgar Allan Poe. Ein Koloss der Ur-Macht senkt sich herab. Keine Angst, das Kollektiv weiß sich einzurichten, als handele sich um ein harmloses Spinnnengeflecht zum Abwischen. Man kommt selbst mit den niedrigsten Überwachungsphänomenen zurecht, Hauptsache es ist Ästhetik, das pseudo-selbstkritische Gerede der manipulativen Herrschaftscliquen wird den Kollegen überlassen. Wir wollen nur Spaß, wollen die Optik, reine Kunst, die dem Augenschein huldigt. Die Sinnlosigkeit des angeblichen Weltsinns wird performt, nicht gespielt, und es ist eine Menge von Ästhetik dabei. Geschulten, optisch orientierten Augen klappen die Lider nicht herunter. Wenn es so weitergeht, bleiben sie irgendwann halboffen, um wenigstens den überarrangierten Minimalismus zu registrieren. Ohne Worte, die durch das als triumphal angesehene Gebläse ersetzt werden, sieht das Auge nicht richtig. War es nicht schlecht, das letzte Mal im Akrobatik-Theater?

 

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Regie und Bühne: Herbert Fritsch, Kostüme: Bettina Helmi, Musik: Ingo Günther, Dramaturgie: Bettina Ehrlich, Licht: Carsten Sander.
Mit: Ruth Rosenfeld,Carol Schuler, Axel Wandtke, Bernardo Arias Porras, Jule Böwe, Werner Eng, Ingo Günther, Bastian Reiber, Florian Anderer.
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, mit überlanger Umbaupause.

 

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